Baustelle mit Horizontaussicht
In Saarbrücken neigt sich die Skandalgeschichte um die Erweiterung der Modernen Galerie einem guten Ende zu
Im Herbst soll nach rund zehnjähriger Bauzeit die Moderne Galerie in Saarbrücken wiedereröffnet werden. Mancher hatte die Hoffnung schon aufgegeben, nun wird es ernst. Kurzbesuch auf der Baustelle. Einen Steinwurf vom Theater in Saarbrücken liegt saaraufwärts die Baustelle der Modernen Galerie. Der Bau, dem noch eine große Zukunft zugedacht ist, erholt sich soeben von seiner jüngeren Vergangenheit. Nach rufschädigendem Baustopp zwischen 2011 und 2015, nach zwei Untersuchungsausschüssen des Landtags, personellen Konsequenzen und konzeptionellen Korrekturen ist das Gelände heute von düsteren Begleitprognosen befreit, wie es scheint.
Die Arbeiten gehen voran am Vierten Pavillon, dem lange umstrittenen Erweiterungsbau der Neuen Galerie. Ein Schriftzug auf dem Asphalt am Zugang zum Gelände wird die Besucher zum Museumsgebäude geleiten, wo er an der inzwischen fertiggestellten Fassade hochsteigt und sie ihrem Galerieerlebnis überlässt. Neun Millionen Euro hat die Fassade gekostet – eine Summe, die ursprünglich für den gesamten Erweiterungsbau vorgesehen war.
Im Frühjahr sollen die Bauarbeiten abgeschlossen werden, im Herbst die Wiedereröffnung erfolgen. »Ich habe keinen Grund, an der pünktlichen Realisierung zu zweifeln«, sagt Roland Mönig. Der Direktor der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz ist für das Saarlandmuseum verantwortlich, dessen Bestandteil die Moderne Galerie ist. 39 Millionen Euro kostet der Erweiterungsbau, mit den Mitteln werde man auskommen, versichert Mönig. Er zeigt auf Nachfragen zu diesem Thema viel Geduld, weil er es für eine seiner Aufgaben hält, verspieltes Vertrauen für das Saarlandmuseum zurückzugewinnen, wie er bekennt. Eine Art fröhli- cher Trauerarbeit für einen, der vom guten Ausgang der Geschichte offenkundig überzeugt ist.
Das Bauprojekt hat Öffentlichkeit, Politik und Kulturszene jahrelang in Atem gehalten; ab Herbst soll es ihnen den Atem verschlagen. Am Konzept der ersten Ausstellung nach der Eröffnung werde seit Längerem intensiv gearbeitet, so Mönig. »Die reiche Sammlung vom Impressionismus bis heute mit allen ihren Facetten wird dabei im Mittelpunkt stehen. Darüber hinaus wird es noch die eine oder andere Überraschung geben.«
Wenn Mönig durch die Hallen des Erweiterungsbaus führt, ändert sich der Eindruck staubiger Verschwiegenheit binnen Minuten. Dann nehmen verspachtelte Wände bereitwillig ihre spätere Helligkeit an, und ungeputzte Fensterfronten lassen ein wenig mehr Licht herein. Der Chef des Saarlandmuseums wirft dann das Bild der fertigen Anlage wie ein weißes Tuch über die Baustelle, dem noch rohen Zustand zum Trotz. Die Erweiterung des Museums ist ein ewiges Thema, schon seit 1976 der von Hanns Schönecker entworfene Bau der Modernen Galerie gerade fertiggestellt war. Schnell wachsende Sammlungen, neue technische Möglichkeiten der zeitgenössischen Kunst samt ausufernder Formate ließen das Bedürfnis nach mehr Platz für Depots und Ausstellungsflächen, nach neuem Gestaltungsraum wachsen. 2006 schließlich fiel der Beschluss für ein neues Gebäude. 2009 begannen die Bauarbeiten und wenig später kam eine Zeit, die wohlwollende Betrachter als unglücklich bezeichnen – mit Planungsmängeln, Kostenexplosionen und Korruptionsvorwürfen.
Roland Mönig spricht von »anfänglichen Schwachpunkten«, die nicht den beauftragten Architekten, sondern den damaligen Maßgaben der Ausschreibung anzulasten seien. Dank der im Laufe der Auseinandersetzungen bewirkten Korrekturen wurde der Skandal aus Mönigs Perspektive damit letztlich zur glücklichen Fügung. Viele Details seien zum Vorteil des komplexen Vorhabens verändert wor- den, der Haupteingang, der zunächst dem Erweiterungsbau zugedacht war, wurde wieder an seinen alten Platz und damit ins Zentrum der Anlage verlegt. Die Ignoranz gegenüber dem denkmalgeschützten Bestandsbau sei damit aufgehoben worden, meint Mönig, das neue Architekturkonzept habe die Galerie zur Stadt geöffnet, Durchlässigkeit und Transparenz geschaffen.
Kommunizierende Röhren sieht Mönig in der Wechselwirkung der Gebäude und der Kunst, der sie den Rahmen bieten. Mal horizontal, mal vertikal sind die Ausstellungsräume im neuen, vierten Pavillon gegeneinander versetzt und um ein Atrium angeordnet, das mit über 14 Metern eine überdimensionale Lichtschleuse bildet. Um 1500 auf 5000 Quadratmeter wird die Ausstellungsfläche wachsen, der Direktor verweist auf die Anbindung des Komplexes an die benachbarte Hochschule für Musik, schwärmt für Ausstellungen als optischen Experimenten.
Selbst in der grauen Zeit des Baustopps nutzten sechs Fotokünstler auf Bitten des Stiftungsdirektors die weitläufigen, halbfertigen Räumlichkeiten zu einer eigenen »Vermessung« der Baustelle. In einer Exposition schufen sie 2014 einen fotografischen Eindruck des damaligen Bauzustandes zwischen Stillstand und neuem Aufbruch und deuteten im abgebildeten fossilen Zustand die kommenden Möglichkeiten des Gebäudes an.
Mönig denkt überdies bereits an eine neue Stufe länderübergreifender Zusammenarbeit im Kulturraum zwischen Deutschland, Frankreich und Luxemburg. Erst im Januar kehrte die Ausstellung »Zwischen zwei Horizonten« (»Entre deux horizons«) mit Exponaten des Saarländer Bestands aus dem Zentrum Pompidou in Metz zurück, wo sie stolze 112 000 Besucher anlockte. Derzeit liegen die Werke im Depot und warten auf ihre Wiederauferstehung im Saarlandmuseum. Im Herbst, ganz sicher.
Das Bauprojekt hat Öffentlichkeit, Politik und Kulturszene jahrelang in Atem gehalten; ab dem Herbst soll es ihnen den Atem verschlagen.