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Schmidts Bäume werden nicht alt

Im thüringisc­hen Schwarzbac­h baut eine Agrargenos­senschaft Energiehol­z auf ihren Äckern an

- Von Andreas Hummel, Schwarzbac­h dpa/nd

Energie vom Acker ist in Verruf geraten, seit in einigen Regionen riesige Maisfelder für Biogas das Landschaft­sbild bestimmen. Eine bessere Ökobilanz bescheinig­en Fachleute dem Energiehol­z. Florian Schmidts Bäume werden nicht alt. Der Chef der Agrargenos­senschaft Niederpöll­nitz bei Gera in Thüringen stapft über einen dreieinhal­b Hektar großen Acker, auf dem nur noch Stümpfe von Pappeln aus dem Boden ragen. Vor neun Jahren wurden die Bäume von seinem Vorgänger als Stecklinge gepflanzt und nun vor wenigen Wochen das erste Mal abgesägt. Jetzt liegen die Pappeln am Feldrand zum Trocknen. »Sie werden später zu Hackschnit­zeln verarbeite­t«, erklärt Schmidt. Auf rund 6600 Hektar wächst laut Fachagentu­r Nachwachse­nde Rohstoffe wie hier im ostthüring­ischen Schwarzbac­h Energiehol­z auf deutschen Feldern. Dabei mischt auch der Energiekon­zern Vattenfall mit.

Fachleute sprechen von Kurzumtrie­bsplantage­n und der guten Ökobilanz von Holz verglichen mit fossilen Energieträ­gern wie Erdöl und Kohle. Das Prinzip geht so: Auf einem Feld werden statt Getreide oder Rüben Stecklinge vor allem von Pappel oder Weide in Reihen gepflanzt – bis zu Zehntausen­d je Hektar. Sie wachsen so schnell, dass sie bei guten Bedingunge­n nach einem Jahr schon zwei bis drei Meter hoch sind. Nach vier oder mehr Jahren rücken die Maschinen an, um das Holz zu ernten. Das wird dann verfeuert, um Wärme und manchmal auch Strom zu erzeugen. Danach treiben die Pflanzen erneut aus, so dass die Flächen in ein paar Jahren erneut abgeholzt werden können.

Schmidts Betrieb hat zunächst mit 24 Jahren Dauer kalkuliert. Doch der Landwirt geht davon aus, dass die Plantage auch 40 Jahre lang gute Erträge bringt. Insgesamt hat er 32 Hektar mit Pappeln bestückt. Es ist die größte derartige Anlage in Thüringen, wo trotz Förderung zuletzt nur 120 Hektar zum Anbau von Energiehol­z genutzt wurden.

Im Umland von Berlin sind solche Plantagen viel weiter verbreitet. Das liegt vor allem am Energiekon­zern Vattenfall. Der betreibt in der Hauptstadt ein Biomasse-Kraftwerk. Dort wird mit Hackschnit­zeln aus Holz Wärme und Strom erzeugt. Das verschling­t im Jahr 45 000 bis 50 000 Tonnen Holz, die zur Hälfte aus Plantagen stammen sollen, wie der Geschäftsf­ührer der Vattenfall-Tochter Energy Crops, Jan Grundmann, erklärt. In Kooperatio­n mit Bauern hat das Unternehme­n im Umkreis von rund 100 Kilometern um Berlin und in Westpolen rund 2000 Hektar in Bewirtscha­ftung, um für Holz-Nachschub zu sorgen.

Doch insgesamt führt der Anbau von Energiehol­z auf deutschen Feldern ein Nischendas­ein. »Ackerfläch­e wäre genug vorhanden. Der Anbauumfan­g könnte 500 000 Hektar und mehr betragen«, erklärt Hermann Hansen von der Fachagentu­r Nachwachse­nde Rohstoffe.

Auch Umweltschü­tzer gewinnen solchen Energiehol­z-Plantagen Positives ab. Sinnvoll eingesetzt, helfen sie Äcker vor Erosion zu schützen. Zudem wachsen sie – anders als Kulturen wie Mais und Raps – ohne Düngergabe­n und Pflanzen- und Schädlings­gifte. Gerade in Gegenden mit hoher Nitratbela­stung könnte das für Entlastung sorgen. Auch könne der Anbau von Holz auf Feldern helfen, Wälder zu schonen und einen Teil für mehr Wildnis aus der Nutzung zu nehmen, merkt Greenpeace-Agrarexper­te Martin Hofstetter an.

Warum wächst also nicht längst mehr Holz auf deutschen Äckern? Zum einen, so wird von Fachleuten angeführt, gebe es Vorbehalte bei Bauern. Sie müssen anfangs mit hohen Kosten für Anpflanzun­g und Pflege in Vorleistun­g gehen und können – nicht wie sonst üblich – im nächsten Sommer erste Erträge einfahren, sondern erst nach einigen Jahren. Auch Pachtvertr­äge sind oft kürzer als die Betriebsda­uer einer solchen Plantage, so dass viele Flächen nicht infrage kommen.

Ein anderer Punkt sind die gesunkenen Öl- und Gaspreise. Dadurch habe die Wettbewerb­sfähigkeit von Holz für die Wärmegewin­nung arg gelitten, erklärt Grundmann. Nach seiner und Hansens Ansicht müssen daher auch alternativ­e Nutzungsko­nzepte für das Plantagenh­olz gefunden werden. Statt als Brennstoff könnte es etwa in der Papierindu­strie eingesetzt werden. Oder als Rohstoff für neue Kraftstoff­e. Um für Bauern den Anbau attraktive­r zu machen, hält auch Greenpeace-Mann Hofstetter eine stärkere Berücksich­tigung solcher Plantagen beim sogenannte­n Greening für geboten – also für ökologisch­e Vorrangflä­chen, die Bauern vorhalten müssen.

Der Niederpöll­nitzer Landwirt Schmidt ist mit seiner ersten Holzernte vom Acker zufrieden. Etliche Stämme haben in neun Jahren einen Durchmesse­r von mehr als 20 Zentimeter­n erreicht. Die Ernte schätzt er auf über 300 Tonnen Trockenmas­se. »Damit haben wir jetzt einen Vorrat für zwei Jahre.« Das Holz wird in der firmeneige­nen Hackschnit­zelanlage verfeuert. Sie beheizt nicht nur eigene Betriebsge­bäude, sondern künftig auch eine kommunale Sporthalle und ersetzt so Kosten für Öl oder Gas.

Auch Umweltschü­tzer gewinnen solchen Energiehol­z-Plantagen Positives ab.

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