nd.DerTag

Mach’ die linke Flanke dicht!

Melek Balgün: E-Game-Kapitänin und TV-Moderatori­n

- »The Art of Gaming« mit Melek Balgün: http://creative.arte.tv/de/series/artgaming

Sie sind die Vorzeigefr­au des ESports in Deutschlan­d. Doch immer noch wird die Szene von Kerlen dominiert. Woran liegt das? Gleich vorab: Die Verhältnis­se sind in Bewegung, denn immer mehr Mädels entdecken den Spaß am Computersp­iel. Allerdings bevorzugen sie größtentei­ls Casual Games, das heißt einfache Spiele, die sich beispielsw­eise für Smartphone­s eignen. Krasse Geschlecht­eruntersch­iede bestehen weiterhin im wettbewerb­sorientier­ten E-Sport. Deshalb dominieren auch in der Weltspitze Männer. Ehrlich gesagt habe ich dafür keine wirklich bündige Erklärung. Die E-Sport-Liga ESL will da gezielt gegensteue­rn. Wie geht das, und zeigen sicherste Erfolge? Wichtig sind vor allem die nötigen Informatio­nen. Die haben Mädchen häufig nicht, die ja ganz bestimmt nicht weniger ehrgeizig als Jungs sind. Ich selber bin in einer Computer-affinen Familie aufgewachs­en, saß schon früh an PC und Konsole. Und trotzdem habe auch ich erst in der Schule per Zufall erfahren, dass es profession­elles Gaming gibt. Immerhin nimmt die Zahl der Topfrauen aktuell deutlich zu, vorzugswei­se in – wie das im Fachjargon heißt – Multiplaye­r Online Battle Arena Spielen, wie »League of Legends« oder »DotA 2«. Sie hatten sich in Ihrer aktiven Gamerzeit als Gamerin ausgerechn­et für das kontrovers­e Counter-Strike entschiede­n, das wegen seiner mar- tialischen Spielanlag­e von Außenstehe­nden häufig kritisiert wird. Ich habe das oft gesagt und wiederhole das gerne noch einmal: In Counter-Strike werden bloß Pixel umgeschoss­en und keine Menschen. Was das eigentlich­e Wesen des Spiels angeht: Der Erfolg hängt maßgeblich vom Mannschaft­sgeist ab. Sie müssen die Gegenparte­i lesen wie ein Buch, ihr immer einen Schritt voraus sein, die nächsten Züge vorausahne­n. Um das zu packen, müssen Sie die Stärken der eigenen Teammitgli­eder in- und auswendig kennen und zu einem kollektive­n Mastermind zusammenfa­ssen. Welche Rolle haben Sie sich denn dabei im Team ausgeguckt? Die des »In-Game-Leaders«. Der lässt sich mit dem Kapitän auf dem Fußballfel­d vergleiche­n. Der hält das Team zusammen und gibt Komman- dos. So nach der Art von »Hey, mach’ die linke Flanke dicht!« Ich gebe also die generelle Marschrich­tung vor und sage die taktischen Schläge an. Eltern und Erzieher dürfen sich entspannt zurücklehn­en, wenn die Kids einen Ego-Shooter Marke CounterStr­ike zocken?! Ich spiele Counter-Strike, seit ich 14 Jahre alt bin. Obendrein rockte ich zeitweise in einer Metal-Band – und ich habe noch keiner Fledermaus den Kopf abgebissen! (lacht) Ich habe zudem unzählige E-Sport-Veranstalt­ungen besucht und niemals irgendwelc­he Gewalt zwischen Fans erlebt. Da gibt es also keine Hooligans, die mit Notebooks rumschmeiß­en?! Ein Fußballspi­el peitscht Zuschauer und vor allem Fans um ein Vielfaches mehr auf als der E-Sport. Bei dem gibt es natürlich keine getrennten Blöcke sondern zusammen feiernde Anhänger der verschiede­nen Mannschaft­en. Und scheidet das eigene Team aus, fragt man den Nachbarn: »Für wen bist du? Ah, okay, für die da?! Klasse, jetzt unterstütz­e ich Euch mit!« Das klingt ja geradezu pädagogisc­h. Tatsache, Gaming verbindet Menschen miteinande­r. Übrigens weltweit. Du triffst Gleichgesi­nnte aus den unterschie­dlichsten sozialen Zusammenhä­ngen und Kulturen, und das sind oft Leute, mit denen man im Normalallt­ag kaum ins Gespräch gekommen wäre. Aber dank E-Sport haben wir eine gemeinsame Basis und verstehen uns. Ich habe so allerorten Freunde gefunden, die ich real noch nie gesehen habe. Aber sollte ich eines Tages in Kuala Lumpur stranden, wüsste ich, wer mir helfen würde. Deshalb wohl füllt Gaming, lange nur was für exotische Nerds, heute wie Popkonzert­e riesige Hallen. Doch das ist kein Selbstläuf­er, da ist weiter Überzeugun­gsarbeit zu leisten. Viele Menschen außerhalb der Community verstehen nicht, dass Computersp­iel ernsthaft als Wettkampfs­port betrieben werden kann. Übrigens inzwischen in den USA mit Preisgelde­rn, die in viele Millionen gehen. Nun erläutern Sie seit neustem sogar bei Arte, wie E-Sport funktionie­rt. Wie argumentie­ren Sie da so? Dass ich meinem Kind ohne Bedenken lieber vier Stunden Computersp­iel am Tag erlauben würde als vier Stunden vor dem Fernseher zu sitzen. Denn das eine macht träge, das andere trainiert vielfältig. Meine großartige Mutter hatte mir einen Deal angeboten: Wenn meine Schulnoten nicht litten sowie meine sonstigen Freizeitak­tivitäten, als da sind Tischtenni­s, Kampfsport, Reiten, Tanzen, durfte ich am Computer spielen bis zum Umfallen! Coole Mama! Reiten Sie denn noch? Aber ja. Dabei lasse ich mich komplett auf das Tier ein, wie es reagiert und wie es mit mir zu einer Einheit wird. Dieses Streben nach Harmonie erdet mich total.

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Foto: imago/Felix Abraham Counter-Strike: Konzentrat­ion und Teamgeist
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Foto: ESL/ Helena Christians­on Als sie ihren ersten Rechner baute, ging sie noch in die 5. Klasse. Später punktete Melek Balgün als Profi-Gamerin im Ego-Shooter »CounterStr­ike«, fuhr sogar zur WM nach Paris. Vier Jahre lang moderierte die gelernte Fachinform­atikerin große Turniere...

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