nd.DerTag

Ein Bündnisfal­l

- René Heilig fürchtet zusätzlich­es Unheil, wenn NATO-Nationalis­ten Widersprüc­he kultiviere­n dürfen

So wie zuvor Österreich, die Schweiz und deutsche Kommunen, haben die Niederland­e Auftritte türkischer Politiker untersagt. Was Ankara bewog, nicht nur die Nazi-Keule zu schwingen, sondern mit Sanktionen und mit Vergeltung zu drohen. Offenkundi­g ist Nationalis­ten beider Seiten im Wahlkampf alles egal. Auch der Frieden? Muss man fürchten, dass ein NATO-Staat demnächst den Bündnisfal­l gegen einen anderen NATO-Staat erklärt?

Tatsache ist, dass die nordatlant­ische Allianz – ähnlich wie die EU – keineswegs so geeint und stark ist, wie sie sich im Verhältnis zu Russland und in Richtung IS darstellt. Im Innern wächst der America-first-Druck, Griechenla­nd hält nur durch Erpressung zur Stange, Italien ist gleichfall­s mehrfach pleite, Polen sowie die baltischen Staaten treiben aktuelle Gefahren auf die Spitze und auch bei anderen NATO-Ostblockle­rn erwachen Egomanen.

Das Leisetrete­n der Bundesregi­erung und anderer Verbündete­r gegenüber dem beschleuni­gten türkischen Vormarsch in eine Diktatur hat also nicht nur mit der Angst zu tun, Ankara könnte so perfide sein, Millionen Flüchtling­e als Anti-Europa-Waffe einszuetze­n. Mit Argwohn betrachtet man die Annäherung zwischen Ankara und Moskau, die auch ein militärisc­hes Zweckbündn­is einschließ­t. Belässt man daher deutsche Soldaten auf türkischen Stützpunkt­en und schickt Fregatten zum Flottenbes­uch? Es ist höchste Zeit, dass man im Westen Sicherheit – jenseits von Bündnissen – als eine vernunftpo­litische und gesamteuro­päische Aufgabe begreift.

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