Ein Bündnisfall
So wie zuvor Österreich, die Schweiz und deutsche Kommunen, haben die Niederlande Auftritte türkischer Politiker untersagt. Was Ankara bewog, nicht nur die Nazi-Keule zu schwingen, sondern mit Sanktionen und mit Vergeltung zu drohen. Offenkundig ist Nationalisten beider Seiten im Wahlkampf alles egal. Auch der Frieden? Muss man fürchten, dass ein NATO-Staat demnächst den Bündnisfall gegen einen anderen NATO-Staat erklärt?
Tatsache ist, dass die nordatlantische Allianz – ähnlich wie die EU – keineswegs so geeint und stark ist, wie sie sich im Verhältnis zu Russland und in Richtung IS darstellt. Im Innern wächst der America-first-Druck, Griechenland hält nur durch Erpressung zur Stange, Italien ist gleichfalls mehrfach pleite, Polen sowie die baltischen Staaten treiben aktuelle Gefahren auf die Spitze und auch bei anderen NATO-Ostblocklern erwachen Egomanen.
Das Leisetreten der Bundesregierung und anderer Verbündeter gegenüber dem beschleunigten türkischen Vormarsch in eine Diktatur hat also nicht nur mit der Angst zu tun, Ankara könnte so perfide sein, Millionen Flüchtlinge als Anti-Europa-Waffe einszuetzen. Mit Argwohn betrachtet man die Annäherung zwischen Ankara und Moskau, die auch ein militärisches Zweckbündnis einschließt. Belässt man daher deutsche Soldaten auf türkischen Stützpunkten und schickt Fregatten zum Flottenbesuch? Es ist höchste Zeit, dass man im Westen Sicherheit – jenseits von Bündnissen – als eine vernunftpolitische und gesamteuropäische Aufgabe begreift.