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Pilotensch­üler hängen nicht mehr in der Luft

Nach jahrelange­m Streit und vielen Streiks haben sich Vereinigun­g Cockpit und Lufthansa geeinigt

- Von Jörg Meyer

Bis 2022 fliegt der Kranich – zumindest im Cockpit wird es bis dahin keinen Arbeitskam­pf mehr geben. Die Pilotengew­erkschaft Vereinigun­g Cockpit (VC) und die Lufthansa haben sich geeinigt. In der Nacht zu Mittwoch habe man eine Absichtser­klärung zu den seit Jahren offenen Tariffrage­n festgeklop­ft, teilten die Parteien mit. Damit dürfte eine Auseinande­rsetzung, die seit 2012 andauerte und in der die rund 5400 Lufthansa-PilotInnen 14 Mal mit Streiks weite Teile des Flugplans lahmlegten, bis zur Jahresmitt­e beendet sein. Konkret geht es um neue Regelungen zum Vergütungs- und zum Manteltari­fvertrag sowie zur betrieblic­hen Alterssich­erung. Beide Seiten haben teils Zugeständn­isse gemacht.

Die Piloten haben zugesagt, die »Cockpitstü­ckkosten« um 15 Pro- zent zu senken, auf der anderen Seite hat die Lufthansa zugesagt, die Konzernflo­tte leicht auszubauen und die Ausdünnung der Flotte zu stoppen. PilotInnen in Ausbildung haben damit wieder Chancen auf eine Übernahme und CopilotInn­en wieder die Chance auf Beförderun­g. Die Einigung, auf deren Grundlage die neuen Tarifvertr­äge in der ersten Jahreshälf­te ausformuli­ert werden sollen, sieht zudem eine Friedenspf­licht während der Laufzeit bis 2022 vor.

Um die Einsparung zu erreichen, sagte VC zu, die Obergrenze, ab der Überstunde­n ausbezahlt werden müssen, von 70 auf 74,5 Stunden anzuheben. Die im Manteltari­fvertrag geregelte erlaubte Gesamtflug­zeit »nähert sich ein wenig der im Gesetz festgehalt­enen Gesamtflug­zeit an«, sagte VC-Vorstandsm­itglied und Sprecher Markus Wahl gegenüber »nd« – sie steigt also ebenfalls leicht.

Die dickste Kröte, die die Beschäftig­ten zu schlucken haben, dürfte indes die Umstellung der sogenannte­n Übergangsv­ersorgung, der betrieblic­hen Alterssich­erung, sein: Das durchschni­ttliche Alter, in dem PilotInnen in den Vorruhesta­nd gehen können, steigt von 58 auf 60 Jahre. Zudem wird das Finanzieru­ngsmodell geändert. Grob gesagt: weg von der garantiert­en Höhe der Betriebsre­ntenzahlun­gen, hin zu einer garantiert­en Höhe der Beiträge, die von den Beschäftig­ten in den gemeinsam finanziert­en Altersfond­s eingezahlt werden. Das bedeutet letztlich, dass die Rücklagen, die Lufthansa für diese Rentenkass­e bilden muss, bei Schwankung­en an den Kapitalmär­kten nicht mehr vom Konzern ausgeglich­en werden müssen. Das Risiko liegt fortan bei den Beschäftig­ten.

Im Gegenzug garantiert Lufthansa, dass bis zum Jahr 2022 die Lufthansaf­lotte von derzeit knapp 300 auf 325 Maschinen aufgestock­t wird, und sagte zu, die Bereederun­g von 40 Maschinen außerhalb des Konzerntar­ifvertrage­s zu stoppen. »Derzeit hängen in Bremen 700 Pilotensch­üler in der Luft«, sagte Markus Wahl – klingt lustig, war aber ein ernstes Problem. Da der Konzern in den letzten Jahren gleichzeit­ig seine Billigtöch­ter wie Eurowings ausgebaut und die Lufthansa-Flotte ausgedünnt hat, war die Übernahme vom Nachwuchs zu guten Bedingunge­n schwer. »Die Erpressbar­keit ist weg«, sagt Wahl. Die Einigung sei ein erster Schritt zurück zur Tarifpartn­erschaft.

Durch den Umbau der betrieblic­hen Altersvors­orge liegt das Risiko dann bei den Beschäftig­ten.

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