Glyphosat wieder nicht krebserregend
Chemikalienagentur ECHA erneuert ihre Einschätzung zu Herbizid
Helsinki. Experten der europäischen Chemikalienagentur ECHA halten das umstrittene Herbizid Glyphosat für nicht krebserregend. Das Unkrautvernichtungsmittel erfülle nicht die Kriterien, als »Karzinogen, Mutagen oder schädlich für die Fortpflanzung« eingestuft zu werden, erklärte das Komitee für Risikoanalyse der Behörde am Mittwoch in Helsinki. Das offizielle Gutachten muss noch an die EUKommission übermittelt werden. Es soll als Grundlage für die Entscheidung über eine Verlängerung der Zulassung von Glyphosat in der europäischen Landwirtschaft dienen, die Ende des Jahres ausläuft.
Das Gutachten stieß bei Grünen und Umweltverbänden auf Kritik. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) betonte, Glyphosat stelle dennoch eine erhebliche Gefahr für die Artenvielfalt auf Feldern und Äckern dar. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) begrüßte das Gutachten und erwartet nach der ECHA-Bewertung eine Rückkehr »zur Sachlichkeit« im Umgang mit dem Thema.
Glyphosat ist nicht krebserregend. Zu diesem Schluss kommt die Europäische Chemikalienagentur in einem am Mittwoch vorgestellten Gutachten. Die Stellungnahme der Europäischen Chemieagentur (ECHA) ist eindeutig: Das weltweit meistverwendete Herbizid Glyphosat ist nicht krebserregend. Die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse erfüllten nicht die Kriterien für eine solche Klassifizierung, teilte die ECHA am Mittwoch in Helsinki mit. Die Entscheidung sei einstimmig gefallen, so Tim Bowmer, Vorsitzender des zuständigen Ausschusses für Risikobeurteilung.
Damit ist der Weg frei für eine weitere Zulassung des Ackergiftes. Im vergangenen Sommer hatte die EUKommission entschieden, das Mittel zunächst nur bis Ende diesen Jahres weiter zuzulassen – statt wie geplant eine Genehmigung für weitere 15 Jahre auszusprechen. Die Mitgliedstaaten hatten sich zuvor nicht einigen können, ins Gewicht fiel besonders eine Studie der Krebsagentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC), die Glyphosat 2015 als »wahrscheinlich krebserregend« eingestuft hatte.
Auf Grundlage der Bewertung der ECHA muss nun bis Ende 2017 entschieden werden. Für Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im EU-Parlament, hat die ECHA mit ihrem Votum »dem weiteren ungezügelten Einsatz von Glyphosat ihre Zustimmung erteilt«. Die Entscheidung schaffe für die EU-Kommission ein »Schlupfloch«. Der Abgeordnete warnte davor, »diese Entscheidung als Freibrief anzusehen«.
Der Grünen-Bundestagabgeordnete Harald Ebner wies zudem darauf hin, selbst Behörden, die grünes Licht gegeben hatten, »bestreiten den Krebsverdacht nicht. Sie sagen nur: bei ›bestimmungsgemäßer Anwendung‹ bestehe kein Krebsrisiko«. Bei einem allgegenwärtigen Stoff wie Glyphosat sei auch ein vermeintlich geringes Risiko zu hoch. In Deutschland kommt Glyphosat derzeit auf rund 40 Prozent der Felder zum Einsatz.
Auch Umweltverbände kritisierten die Stellungnahme, sehen darin aber »keine Generalabsolution«, so die Pestizidexpertin Heike Moldenhauer vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Das Urteil der IARC von Glyphosat als »krebserregend beim Menschen« gelte weiterhin, so Moldenhauer.
Maria Lohbeck von der Organisation Campact, die maßgeblich an der Europäischen Bürgerinitiative gegen Glyphosat beteiligt ist, sprach von »Misstrauen«, da die ECHA »ihre Entscheidung auf unveröffentlichte Industriestudien stützt, die nicht von außen überprüft werden können«. Die Bürgerinitiative hat innerhalb kürzester Zeit fast eine halbe Million Unterstützer gefunden. Mit ihren Argumen- ten muss sich nun die EU-Kommission auseinandersetzen. Für die ECHA hatte die gesellschaftliche Kritik keine Relevanz, wie Jack de Bruijn, Direktor der Abteilung Risikomanagement, betonte.
Unerwartet ist das Ergebnis nicht. Bereits 2016 hatte die ECHA Glyphosat wie in ihrem aktuellen Gutachten zwar als »schwer augenschädigend« und giftig für das Wasserökosystem »mit lang anhaltenden Folgen« eingestuft, aber eben nicht als krebserregend.
Die Pestizidhersteller zeigten sich entsprechend erfreut. Die ECHA bestätige, »was Zulassungsbehörden in aller Welt immer wieder festgestellt haben«, so Dietrich Pradt, kommissarischer Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands Agrar e.V. Er forderte die EU-Kommission auf, die Wirkstoffgenehmigung für Glyphosat »zügig« zu erteilen. Die Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Glyphosat, Ursula Lüttmer-Ouazane, erklärte, es gebe für die Mitgliedstaaten nun keine Hinderungsgründe mehr für eine weitere Zulassung.
Umstritten wird das Ackergift bleiben. Im Juli hatten die Mitgliedstaaten den Einsatz für öffentliche Parks und Gärten eingeschränkt. Sollte Glyphosat erneut zugelassen werden, steht es den einzelnen Ländern frei, die Verwendung im eigenen Staatsgebiet zu verbieten.
Im US-Bundesstaat Kalifornien hat ein Gericht am Montag eine Klage des Saatgutkonzerns Monsanto abgewiesen. Damit darf Kalifornien künftig von den Herstellern verlangen, glyphosathaltige Produkte mit einem Krebs-Warnhinweis zu versehen.