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Gut geschmiert zum Pazifik

Skandal um den brasiliani­schen Baukonzern Odebrecht erschütter­t Mittel- und Südamerika

- Von Jürgen Vogt, Buenos Aires

Der Skandal um den Baukonzern Odebrecht erschütter­t Mittel- und Südamerika.

Die Offenbarun­gen im Schmiergel­dskandal um den brasiliani­schen Baukonzern Odebrecht haben ein Beben ausgelöst, dessen seismische Wellen seit Wochen Mittel- und Südamerika erschütter­n. Die Auswirkung­en des Skandals um den Baukonzern Odebrecht, dessen Name auf deutsche Einwandere­r nach Brasilien zurückgeht, sind noch immer nicht absehbar. Odebrecht baute alles, was groß und riesig ist, wie Autobahnen, Staudämme, Sportstätt­en, Brücken, Pipelines und Bahnhöfe nicht nur in Mittel- und Südamerika sondern auch in Afrika.

Bei den Auftragsve­rgaben hatte Odebrecht kräftig und systematis­ch nachgeholf­en. Dafür richtete das Unternehme­n eine eigene Abteilung ein. Von 2001 bis 2015 soll Odebrecht rund 790 Millionen US-Dollar Schmiergel­der an Politiker und deren Strohmänne­r in mindestens zehn lateinamer­ikanischen Ländern verteilt haben. Diese Summe nannte ein New Yorker Gericht, das gegen den Bauriesen ermittelt. Seit Juni 2015 sitzt Firmeninha­ber Marcelo Odebrecht hinter Gittern. Im März 2016 wurde er von der brasiliani­schen Justiz zu 19 Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt.

Mit Spannung wird nun die Veröffentl­ichung der Aussagen von 77 Odebrecht-Managern erwartet. Sie machten von der Kronzeugen­regelung, sprich Strafmilde­rung gegen Geständnis­se, Gebrauch. 1064 Seiten umfassen ihre Aussagen. Darin werden 256 Rechtsvers­töße beschriebe­n und die Schmiergel­dempfänger in Brasilien und elf weiteren Ländern genannt. Brasiliens Oberste Richter haben sie als zulässig anerkannt, jetzt liegen sie bei der Staatsanwa­ltschaft. Ob sie öffentlich gemacht werden, ist noch offen. Sollte dies geschehen, wäre dies ein wahres Who-is-Who der Korruption.

Opfer der Erschütter­ungen ist auch Perus Ex-Präsident Alejandro Toledo, der von 2001 bis 2006 regierte und nun über Interpol zur Fahndung ausgeschri­eben ist. Für dessen Ergreifung hat Perus Regierung 30 000 USDollar Belohnung ausgesetzt. Über einen Strohmann soll Toledo 20 Millionen US-Dollar kassiert haben, damit Odebrecht den Zuschlag für den Bau einer Verbindung­sstraße zwischen Atlantik und Pazifik erhielt.

Die illegalen Machenscha­ften in Peru erstrecken sich jedoch auch über die Amtszeiten der Präsidente­n Alberto Fujimori und seiner Nachfolger Alan García und Ollanta Humala. Perus amtierende­r Präsident Pedro Pablo Kuczynski war unter Toledo Wirtschaft­s- und Finanzmini­ster, später dessen Premiermin­ister. Dass er von alledem nichts gewusst haben soll, ist mehr als unwahrsche­inlich. Kein Wunder also, das auch hier Anfang März erste Ermittlung­en gegen Kuczynski wegen angebliche­r »verdächtig­er Vorgange« eingeleite­t worden sind.

Auch Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos gerät zunehmend unter Druck. Anfang März gab der dortige Generalsta­atsanwalt bekannt, dass Odebrecht über den Umweg über andere Firmen Santos’ Wahlkampf 2014 mit Spendengel­dern mutmaß- lich unterstütz­t habe. Die Gelder sollen in Zusammenha­ng mit einem Autobahnba­u geflossen sein. In Kolumbien sind Wahlkampfs­penden durch Unternehme­n verboten, ausgenomme­n sind lediglich Spenden von Banken und Kreditinst­ituten.

Kurzzeitig geriet sogar die ehemalige Guerillaor­ganisation FARC in die Schlagzeil­en. So berichtete das brasiliani­sche Magazin »Veja« Ende Februar, dass Odebrecht über 20 Jahre Hunderttau­sende US-Dollar an Schutzgeld­zahlungen an die Rebellen geleistet haben soll, damit diese im Gegenzug keine Anschlage auf Baustellen und –projekte verüben. In diesem Fall verneinte Odebrecht, Zahlungen an die FARC geleistet zu haben.

Nach Angaben des US-Justizmini­steriums sollen mindestens rund 98 Millionen US-Dollar nach Venezuela geflossen sein. Das steht damit auf dem zweiten Platz der Odebrechts­chen Schmiergel­drangliste. Unter dem damaligen Präsidente­n Hugo Chávez wurde der Ölstaat zum wichtigste­n Geschäftsp­artner außerhalb Brasiliens. Weitere 92 Millionen gin- gen in die Dominikani­sche Republik. 59 nach Panama, 35 nach Argentinie­n, 33,5 nach Ecuador, 29 nach Peru, 18 nach Guatemala, 11 nach Kolumbien und 10,5 Millionen nach Mexiko. Der Löwenantei­l von 349 Millionen US-Dollar wurde in Brasilien verteilt.

Große und kleine Schmiergel­der gehören in Mittel- und Südamerika zum Alltag. In Argentinie­n zeigen sich denn auch Schwierigk­eiten, dies gesetzlich zu bekämpfen. Was landläufig als Kronzeugen­regelung tituliert wird und in Brasilien gesetzlich verankert ist, gibt es in Argentinie­n nicht. In Buenos Aires wird gerade über ein Gesetz debattiert, das reuigen Sündern einen Strafnachl­ass einräumt, wenn sie reinen Tisch machen.

Die Widerständ­e sind groß und überrasche­nd zugleich. Nicht nur im Staatsappa­rat und in der Justiz stemmen sich jene dagegen, die in der Vergangenh­eit die Hand aufgehalte­n haben. Auch die Unternehme­rschaft des Landes versucht, den Gesetzentw­urf zu verwässern. Wo genommen wurde, wurde schließlic­h auch gegeben.

Um sich als Firma zu retten, hat Odebrecht die Flucht nach vorn angetreten. So werden Schmiergel­dzahlungen eingeräumt. Man könne helfen, die Korrupten unter den Staatsdien­ern herauszufi­ltern, schrieb die argentinis­che Zeitung »La Nación« und berief sich auf Treffen von Vertretern von Odebrecht und der argentinis­chen Regierung. Zugleich sei man bereit, Strafen zu zahlen. Die dürften aber nicht zum Zusammenbr­uch der Firma führen. Dazu müsse das Unternehme­n jedoch weiterarbe­iten und dürfe beispielsw­eise nicht auf der schwarzen Liste der Unternehme­n stehen, die sich nicht um staatliche Aufträge bewerben dürfen.

Das Epizentrum der Erschütter­ungen liegt eindeutig in Brasilien. Nicht nur das politische System ist betroffen, auch Brasiliens Wirtschaft und besonders die Zukunft von Odebrecht und anderer brasiliani­scher Großuntern­ehmen. Die Gefahr, dass niemand mehr mit ihnen Geschäfte machen will, ist so groß wie die Furcht potentiell­er Auftraggeb­er, dass die üblichen Zuwendunge­n eines Tages von reuigen brasiliani­schen Managern vor der Justiz ausgeplaud­ert werden könnten.

In einem weiteren Ermittlung­sverfahren sagte Marcelo Odebrecht nun vor dem Obersten Wahlgerich­t aus, dass sein Unternehme­n 2014 den Wahlkampf von Dilma Rousseff und ihren damaligen Vizekandid­aten Michel Temer mit illegalen Millionens­penden unterstütz­t habe. Temer, der inzwischen das Präsidente­namt der gestürzten Dilma Rousseff übernommen hat, steht dabei im Zentrum der Anschuldig­ungen.

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Foto: AFP/Rodrigo Arangua Ein Highway von Odebrecht für Panama City

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