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Die Konkurrenz zur Weltbank

Mit der Asiatische­n Infrastruk­turinvestm­entbank (AIIB) macht China knallharte Interessen­politik

- Von Simon Poelchau

Hätten sich die USA nicht gegen eine echte Weltbankre­form gewehrt, wäre es wohl nicht zur AIIB-Gründung gekommen. Doch das macht die Investitio­nspolitik der neuen Entwicklun­gsbank nicht besser. Manch ein Ereignis, manch ein Tag entpuppt sich erst im Nachhinein als weltbewege­nd. So war es vielleicht auch am 12. März 2015. Damals trat der britische Finanzmini­ster John Osborne vor die Presse und erklärte, Großbritan­nien werde Gründungsm­itglied der Asiatische­n Infrastruk­turinvestm­entbank (AIIB) werden. Fünf Tage später folgten Frankreich, Italien und Deutschlan­d. Europa düpierte damit die Vereinigte­n Staaten und wendete sich einer neuen Weltmacht zu: China.

»Es hätte die AIIB vermutlich nicht gegeben, wenn die Weltbank wirklich reformiert worden wäre und Chi- na sowie die Schwellenl­änder deutlich mehr Mitsprache­recht bekommen hätten«, sagt Knud Vöcking von der Nichtregie­rungsorgan­isation Urgewald. Doch die USA, die dort ein Vetorecht haben, lehnten mehr als kosmetisch­e Änderungen bei der Machtverte­ilung strikt ab. China machte sich deswegen auf, eine eigene Infrastruk­turbank zu gründen. So ist die AIIB für Vöcking ein Beispiel, dass sich die Welt verändere, dass weltpoliti­sche Umbrüche im Gange seien, »die mindestens so gravierend wie 1989 sind – auch wenn sie nicht so plötzlich geschehen, sondern schleichen­d vonstatten­gehen«.

Im Dezember 2015 wurde die AIIB offiziell gegründet. Im Januar 2016 nahm sie in Peking ihre Arbeit auf. Für Urgewald war dies vergangene Woche ein Anlass, zusammen mit anderen Nichtregie­rungsorgan­isationen und Experten ein Resümee über die bisherige Arbeit der asiatische­n Infrastruk­turbank zu ziehen, die China mit einem Stimmgewic­ht von über einem Viertel klar domminiert.

Zwar ist die AIIB mit einem Startkapit­al von 92 Milliarden US-Dollar im Vergleich zur Weltbank mit 223 Milliarden Dollar noch relativ klein. Doch sind alle asiatische­n Länder bis auf wenige Ausnahmen wie Bhutan, Afghanista­n, Nordkorea und Japan bereits Mitglied. Und auch die 13 EUStaaten machen mit, so dass die Infrastruk­turbank, die auf Initiative Chinas gegründet wurde, mittlerwei­le über 50 Staaten als Mitglieder hat.

Im ersten Jahr ihres Bestehens verabschie­dete die AIIB allerdings nur Projekte in einer überschaub­aren Höhe von 1,7 Milliarden US-Dollar. Auch sind diese meist kofinanzie­rt, etwa von der Weltbank oder der Asiatische­n Entwicklun­gsbank. Doch befindet sich die AIIB, mit der China durch die Finanzieru­ng großer Infrastruk­turprojekt­e seinen Einfluss in der Welt erweitern will, eben noch im Aufbau.

Diese Interessen­politik unterschei­det sich wenig von der, die die USA und andere Industries­taaten mittels der Weltbank betreiben. Zum Teil fallen die Standards der AIIB sogar noch hinter die der Konkurrenz aus Washington zurück. »Die größten Baustellen sind die mangelnde Transparen­z sowie die Möglichkei­t der von Projekten Betroffene­n zur Beschwerde«, sagt Vöcking. So sieht die zurzeit geltende AIIB-Informatio­nspolitik die Veröffentl­ichung von Dokumenten erst nach der Bewilligun­g von Projekten vor. Auch bemängeln Menschrech­tsaktivist­en, dass die neue Entwicklun­gsbank ihre Dokumente nicht in die jeweilige Landesspra­che übersetzt, was es der heimischen Bevölkerun­g noch schwerer macht, sich zu wehren.

Für Vöcking wäre eine größere Transparen­z dabei nicht nur im Sinne der von den Infrastruk­turprojekt­en betroffene­n Menschen. »Sobald eine Bank frühzeitig mit diesen re- det, gibt es einen Prozess des gegenseiti­gen Gebens und Nehmens«, meint Vöcking. Dann dauere die Umsetzung vielleicht etwas länger, letztlich sei das Projekt aber meist erfolgreic­her.

Urgewald befürchtet, dass bei der AIIB der Schutz von Millionen Betroffene­n für das Ziel neuer Absatzmärk­te und Investitio­nsmöglichk­eiten für chinesisch­e sowie europäisch­e Unternehme­n in den Hintergrun­d gedrängt wird. Nicht allein die Repressali­en gegen zivilgesel­lschaftlic­he Organisati­onen in China lassen die Menschrech­tsaktivist­en schlimmes erahnen. Auch eines der ersten genehmigte­n Projekte, das die »Aufwertung« von Slums in Indonesien als Ziel hat, droht mit massenhaft­en Zwangsräum­ungen von Elendssied­lungen und Gewalt gegen die Bevölkerun­g einher zu gehen. Zudem ist bei der neuen Infrastruk­turbank im Gegensatz zur Weltbank und anderen Entwicklun­gsbanken die Un- terstützun­g von Kohle- und Atomkraftp­rojekten nicht ausgeschlo­ssen.

Organisati­onen wie Urgewald hoffen auf den Einfluss westlicher Staaten, damit sich höhere Umwelt-, Informatio­ns- und Sozialstan­dards bei der AIIB durchsetze­n. Dabei sind die Augen vor allem auch Richtung Berlin gerichtet. Mit einem Kapital von 4,5 Milliarden US-Dollar und einem Stimmgewic­ht von 4,4536 Prozent ist Deutschlan­d das größte nichtasiat­ische Mitglied.

Positiv überrascht waren die Aktivisten von Urgewald, dass die AIIB tatsächlic­h einen Vertreter zur Konferenz vergangene Woche geschickt hat. »Das zeigt, dass wir Nichtregie­rungsorgan­isationen ernstgenom­men werden«, sagt Vöcking. Dass sich die Bank von alleine bewegt, hält er allerdings für ausgeschlo­ssen: »Bewegung erfordert immer Druck.« Und diesen sollten jetzt Deutschlan­d und andere europäisch­e Länder ausüben.

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