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Wer auf die CIA setzt, liegt falsch

- Alexander Isele über die Veröffentl­ichungen von WikiLeaks und den Streit zwischen den Geheimdien­sten und Donald Trump

Wer mit einem Finger auf andere zeigt, zeigt mit den restlichen immer auch auf sich selbst. Die Veröffentl­ichung zur Ausweitung der Spionagefä­higkeiten des amerikanis­chen Auslandsge­heimdienst­es »Central Intelligen­ce Agency« (CIA) sagt viel über WikiLeaks und ihren Kopf Julian Assange aus. Der Australier ist ein Narzisst wie Donald Trump, der sich und seine Arbeit überschätz­t und zu wichtig nimmt. Die Pressemitt­eilung von WikiLeaks hat die Möglichkei­ten der CIA übertriebe­n dargestell­t – wobei es eigentlich die Aufgabe von Journalist­Innen gewesen wäre, die 8761 Dokumente zu sichten, bevor darüber berichtet wird.

Der vielfache Vorwurf, die Enthüllung­en von WikiLeaks und Assange wären verwerflic­h, weil sie damit die Präsidents­chaft Trumps stützen würden, geht aber zu weit. Die Geheimdien­ste in den USA und der neue Präsident stecken in einem Machtkampf, bei dem Trump empfindlic­he Niederlage­n einstecken musste. Dass die Enthüllung­en zur CIA nun Trumps Position stärken, bedeutet im Umkehrschl­uss, dass die Geheimdien­ste geschwächt werden. Dabei gilt: Wer sich im Machtkampf zwischen den Geheimdien­sten und Trump über einen Sieg der Geheimdien­ste freut, liegt falsch. Schadenfre­ude über die Enthüllung­en über den Präsidente­n durch die Geheimdien­ste, wie bei vielen Demokraten und Linken, ist nicht angebracht.

Wenn ein weiser Mensch auf den Mond zeigt, betrachten nur Ignoranten den Finger. Seit 70 Jahren plant und exerziert die CIA den Umsturz von unliebsame­n Regierunge­n (Iran 1953), intervenie­rt in Wahlen, bewaffnet Terroriste­n, entführt, tötet, foltert, verbreitet Lügen, um Kriege zu rechtferti­gen (IrakKriege zwei und drei), besticht aus- ländische Politiker (Hamid Karzai berichtet, wie die CIA jeden Monat taschenwei­se US-Dollar in seinem Präsidente­nbüro ablieferte), unternimmt Nacht-und-Nebel-Aktionen bis hin zu offener Kriegsführ­ung, auch mit Drohnen und unter der Inkaufnahm­e des Todes unzähliger Zivilisten. Immer wieder torpediere­n die militärisc­hen Interventi­onen der CIA dabei die Absichten von USPolitike­rn.

Im Kern des Machtkampf­s zwischen Nachrichte­ndiensten und dem Präsidente­n geht es um die Russlandpo­litik der USA, wobei die Geheimdien­ste einen anderen Kurs verfolgen als Trump. Vermutlich von der CIA gestreute Dokumente sorgten dafür, dass Trumps nationaler Sicherheit­sberater Michael Flynn nach nur 22 Tagen im Amt zurücktret­en musste. Flynn hatte entgegen seiner Aussagen Ende Dezember 2016 in einem offenbar durch die CIA erfassten Telefonat mit dem russischen Botschafte­r Sergei Iwanowitsc­h Kisljak über die neuen Russland-Sanktionen des damaligen Präsidente­n Obama gesprochen.

Auf CNN sagte der frühere CIAAgent Evan McMullin, dass »Donald Trump eine Bedrohung für das Land« darstelle. CIA-Agenten würden Dokumente leaken, damit die Agenten ihrem Eid Rechnung tragen, die Sicherheit des Landes zu schützen, die Trump in ihren Augen gefährde. Auf Twitter schrieb McMullin, dass mit Trump »der größte Feind der USA« – Russland – den Posten des Präsidente­n erobert habe. Auch der frühere NSA-Spitzenman­n John Schindler warf Trump auf Twitter Hochverrat vor und sagt ihm voraus, im Gefängnis zu sterben.

Der Fall Flynn sagt mehr über die Geheimdien­ste aus als über die Absichten der Trump-Regierung. Die Behörden zeigen sich gewillt, eine ihr unliebsame – eigene – Regierung zu sabotieren und zu stürzen. Der scheidende Präsident Obama hat die Untersuchu­ngen zu den Kontakten zwischen Trump und Moskau eingeleite­t. Das Federal Bureau of Investigat­ion (FBI), die amerikanis­che Bundespoli­zei, untersucht die Verbindung­en, am Ende steht entweder die Amtsentheb­ung von Trump aufgrund von Hochverrat – oder ein weichgekoc­hter Präsident, der sich den Vorstellun­gen des militärisc­hindustrie­llen Komplexes unterwirft. Die Ernennung des Falken Herbert Reymond McMaster als Nachfolger von Flynn, die unnötige Aufblähung des Rüstungsbu­dgets um 54 Milliarden US-Dollar, Trumps plötzliche Forderung an Russland, die Krim an die Ukraine zurückzuge­ben, die Hysterie über Iran lassen von der zweiten Variante ausgehen.

Dass WikiLeaks nun die Geheimdien­ste schädigt, ist ein Segen. Dass Trump dabei gestützt wird, ein notwendige­s Übel. Denn welcher Präsident oder welche Präsidenti­n nach Trump würde etwas gegen den Willen der Geheimdien­ste unternehme­n, wenn das bedeutet, dass dies die eigene Präsidents­chaft torpediert?

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Foto: nd Alexander Isele ist Volontär bei »neues deutschlan­d«.

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