Möglichst ohne Eltern
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge erhalten meist Asyl, Familiennachzug wird jedoch behindert
Die Zahl unbegleiteter jugendlicher Flüchtlinge in Deutschland sinkt. Dass die Angekommenen ohne ihre Familien auskommen müssen, hält die Bundesregierung für ein Nebenproblem. Auch auf die UMA (unbegleitete minderjährige Ausländer) erstreckt sich die Zuständigkeit des Hauses von Ministerin Manuela Schwesig (SPD). Das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bezeichnet so die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, zu denen es am Mittwoch einen Bericht vorlegte, den das Bundeskabinett anschließend billigte. Die Zahl der UMA sank im letzten Jahr – von 60 638 im Jahr 2015 auf 43 840 Kinder und Jugendliche. Dies erklärt sich mit der geringeren Zahl von Ankommenden ebenso wie dadurch, dass es häufig Jugendliche knapp unter 18 Jahren sind, die den Weg nach Deutschland fanden. Inzwischen erlangten viele ihre Volljährigkeit. Im Bericht ist die Zahl der jungen Volljährigen mit 18 214 angegeben; ein starker Anstieg gegenüber 6400 im November 2015.
Etwa ein Viertel der nach Deutschland geflüchteten Minderjährigen ohne Eltern ist 14 oder 15 Jahre alt. Wenige sind jünger, die meisten älter. Mehr als 90 Prozent sind männlich. Herkunftsländer sind meist Syrien, Afghanistan oder Irak. Minderjährige Flüchtlinge stellten das Land in der Hochphase des Flüchtlingszustroms vor eine schwierige Aufgabe. Sie sind nach der UNO-Kinderrechtskonvention zu behandeln, welche das Kindeswohl an die erste Stelle aller Kriterien stellt, die den Behörden bei ihrem Umgang mit den Betroffenen auferlegt sind. Die Kinder- und Jugendhilfe ist für die Betroffenen zuständig, die Kommunen sind bis heute häufig überfordert, wie der Bericht des Ministeriums andeutet. Es fehle den Kommunen an personellen Ressourcen oder an bedarfsgerechten Unterbringungsmöglichkeiten. Außerdem wird Qualifikationsbedarf bei den Fachkräften konstatiert, vor allem zum Ausländerrecht.
Um die Kapazitäten bundesweit zu koordinieren und damit besser auszulasten, wurde das Gesetz zur Verbesserung von Unterbringung, Ver- sorgung und Betreuung erlassen, das im 1. November 2015 in Kraft trat. Mussten die Jugendlichen bis dahin dort betreut werden, wohin sie sich durchgeschlagen hatten, entscheiden jetzt die Behörden über ihre weitere Unterbringung. Etwa ein Viertel der Minderjährigen, die alleine einreisen, ist 14 oder 15 Jahre alt. Die meisten sind älter und männlich. Die wichtigsten Herkunftsländer sind Syrien, Afghanistan und der Irak.
Ministerin Schwesigs Bericht konstatiert, das Verfahren zur bundesweiten Aufnahme funktioniere »im Wesentlichen gut«. Doch wird das dringendste natürliche Bedürfnis der Jugendlichen als zweitrangig behandelt – die durch das Auseinanderreißen von Familien und die Ungewissheit über Perspektiven im Aufnahmeland bedingten Unsicherheiten. Familiennachzug habe »für einige UMA« eine hohe Bedeutung, für viele aber keine. Statistische Angaben hierüber fehlten allerdings, wird eingeräumt. Die deutsche Gesetzgebung selbst sorgt hier für ein Problem. Mit dem Asylpaket II, das vor fast genau einem Jahr verabschiedet wurde, wurde der Familiennachzug bei Flüchtlingen mit subsidiärem, also vorübergehendem Schutz bis März 2018 ausgesetzt. Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, spricht von einem Skandal, den jugendliche Flüchtlinge seien hiervon vielfach betroffen.
Bemühungen der Opposition im Bundestag, die Verweigerung der Familienzusammenführung rückgängig zu machen, läuft derzeit im Bundestag auf einen Konflikt zu. Die SPD hatte sich der Forderung von LINKER und Grünen bereits angeschlossen; einige Äußerungen aus der Fraktion lassen derzeit allerdings befürchten, dass sie sich nun mit einer Härtefallregelung begnügen könnte.
Werden die Jugendlichen vor Ablauf der Aussetzung volljährig, verlieren sie gar ihr Recht auf Familiennachzug. »Das ist ein klarer Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention«, machte Jelpke in einer Stellungnahme deutlich. Dass die Asylverfahren mit über acht Monaten unverhältnismäßig lange dauern, ist in diesem Zusammenhang ein besonderes Problem. Und dies, obwohl über 90 Prozent der Asylanträge unbegleiteter Minderjähriger am Ende anerkannt werden. Jelpke macht auf einen »weiteren Skandal« aufmerksam, der weitgehend unbemerkt bleibt. »Bislang war es so, dass beim Nachzug der Eltern zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen natürlich auch die minderjährigen Geschwisterkinder mit einreisen durften.« In der Praxis werde der Nachzug der Geschwisterkinder jetzt immer häufiger versagt. »Schutzbedürftige Familien werden so in unmenschlicher Weise auseinandergerissen«, so Jelpke.