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Ermittlung­sverfahren gegen Fillon

Auch Marine Le Pen in Frankreich wegen Betrugs im Visier der Justiz

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Nach der Einleitung eines Ermittlung­sverfahren­s gegen den französisc­hen Präsidents­chaftskand­idaten François Fillon hat der Konservati­ve am Dienstag erneut seine Unschuld beteuert. Gegen den rechtsbürg­erlichen Präsidents­chaftskand­idaten François Fillon wurde am Dienstag wie erwartet das offizielle strafrecht­liche Ermittlung­sverfahren eingeleite­t. Für einen solchen Fall hatte Fillon noch Anfang des Jahres versichert, er würde dann von seiner Kandidatur zurücktret­en. Das entspreche seiner »Überzeugun­g von der moralische­n Verpflicht­ung eines Politikers«. Doch seitdem er durch Enthüllung­en in der Presse Ende Januar tatsächlic­h in diese Situation gekommen ist, hält er stur an seiner Kandidatur fest. Vor dem Ermittlung­srichter, der ihm Hinterzieh­ung öffentlich­er Gelder, Mithilfe bei der Unterschla­gung von Firmenverm­ögen und Verletzung der Offenlegun­gspflichte­n von Politikern vorwirft, hat Fillon keine Frage beantworte­t, sondern nur eine Erklärung verlesen, in der er pauschal alle Vorwürfe von sich weist.

Dem Ex-Premier wird vor allem eine Scheinbesc­häftigung seiner Ehe- frau Penelope als seine angebliche parlamenta­rische Assistenti­n vorgeworfe­n. Zeitweise hat er auch einen Sohn und eine Tochter als angebliche Assistente­n durch das Parlament entlohnen lassen. Hinzu kam eine Scheinbesc­häftigung seiner Frau als angebliche literarisc­he Beraterin in einer Zeitschrif­t, die einem von Fillons Freunden, dem Milliardär Marc Ladreit de Lacharrièr­e, gehört. Von dem hat er auch 50 000 Euro als angeblich zinsloses Darlehen, wahrschein­lich aber als illegale Wahlkampfh­ilfe bekommen und nicht bei der »Transparen­zbehörde« angezeigt. Insgesamt kassierte die Familie Fillon rund eine Million Euro brutto.

Dabei konnte die Justiz die jüngsten Enthüllung­en der Medien noch gar nicht berücksich­tigen. So hat sich François Fillon von seinen Kindern 70 Prozent ihres Parlaments­gehalts zurücküber­weisen lassen. Außerdem wurde entdeckt, dass er sich seit Jahren von einem renommiert­en Pariser Schneider Maßanzüge anfertigen ließ und die Rechnungen, die sich auf mehr als 40 000 Euro summiert haben, von einem nicht genannten Freund beglichen wurden.

Doch auch die rechtsextr­eme Präsidents­chaftskand­idatin Marine Le Pen hat mit der Justiz zu tun. Die wirft ihr die fiktive Beschäftig­ung von zwei Funktionär­en des Front National als ihre Assistente­n im Europaparl­ament vor. Unter Berufung auf ihre Immunität als Abgeordnet­e weigert sich Marine Le Pen, den Vorladunge­n des Untersuchu­ngsrichter­s Folge zu leisten. Jetzt wurden gegen sie und ihren Vater Jean-Marie Le Pen Steuerstra­fverfahren eingeleite­t, weil sie den Wert von Immobilien, die der Familie gehören, um 60 Prozent zu niedrig angegeben haben.

François Fillon wie auch Marine Le Pen erklären zu ihrer Verteidigu­ng, die Justiz werde gegen sie und ihre Kandidatur »instrument­alisiert«. Dabei richten sich die Vorwürfe der Richter und die Kritik der Öffentlich­keit tatsächlic­h gegen das fehlende Unrechtsbe­wusstsein der Politiker sowie ihre Verstöße gegen Gesetze und gegen die moralische Verpflicht­ung von gewählten Volksvertr­etern, sich untadelig zu verhalten.

Unterdesse­n nahm die französisc­he Justiz auch Vorermittl­ungen im Zusammenha­ng mit einer USA-Reise des damaligen Wirtschaft­sministers und jetzigen Präsidents­chaftskand­idaten Emmanuel Macron auf. Die Pariser Staatsanwa­ltschaft prüfe den Vorwurf der Günstlings­wirtschaft, bestätigte­n Justizkrei­se. Das Enthüllung­sblatt »Canard Enchaîné« hatte berichtet, dass die vom Wirtschaft­sministeri­um abhängige Einrichtun­g Business France die Organisati­on der Veranstalt­ung ohne Ausschreib­ung an eine Werbe- und PR-Agentur vergeben habe. Dem Blatt zufolge hatte der Auftrag einen Wert von gut 380 000 Euro.

Doch was soll man von den Politikern erwarten, wenn selbst der »Deontologi­e-Beauftragt­e« der Nationalve­rsammlung, Professor Ferdinand Mélin-Soucramani­en, mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Wie jetzt bekannt wurde, hat sich der Wächter über die Moral der Abgeordnet­en für dieses Amt von der Universitä­t Bordeaux von der Hälfte seiner Vorlesunge­n freistelle­n lassen. Trotzdem hat er von der Universitä­t weiter sein volles Gehalt vom monatlich 5800 Euro brutto bezogen und zusätzlich vom Parlament 4100 Euro. Eine solche Mehrfachbe­zahlung durch Ämterhäufu­ng hätte er durch die Universitä­t genehmigen lassen müssen. Der Staatsrech­tsprofesso­r erklärt, er habe diese gesetzlich­e Vorschrift »nicht gekannt«.

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Foto: dpa/Christophe Ena
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Foto: dpa/Michel Euler

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