nd.DerTag

Glückshorm­one am zweiten Tag

Ambulante Fastenkure­n hellen die Stimmung auf und bringen körperlich­e Entlastung

- Von Angela Stoll

Fasten lohnt sich auch für Gesunde, wenn bestimmte Regeln beachtet werden. Dazu gehört, genügend zu trinken und sich auch ausreichen­d zu bewegen. Die Fastenzeit­en im Mittelalte­r müssen hart gewesen sein. Für Christen galten strenge Vorschrift­en: An bis zu 130 Tagen im Jahr war das Fleisch »warmblütig­er Tiere« ebenso verboten wie Eier und Milchprodu­kte. Inzwischen hat die Kirche ihre Regeln längst stark gelockert. Bereits seit 1966 sind für Katholiken nur noch der Aschermitt­woch und der Karfreitag »gebotene Fast- und Abstinenzt­age«. Umso stärker schränken sich einige Menschen heute nach Vorgaben von »Fastenpäps­ten« ein, um ihrer Gesundheit etwas Gutes zu tun. »Der heutige Mensch hat auch ohne Bewegung 24 Stunden täglich Zugang zu Nahrung«, sagt Prof. Dieter Melchart, Leiter des Kompetenzz­entrums für Komplement­ärmedizin und Naturheilk­unde am Klinikum rechts der Isar in München. »Das ist eine Imbalance, die Gesundheit­srisiken mit sich bringt.« Für viele Naturheilk­undler ist Fasten eine fasziniere­nde Möglichkei­t, Krankheite­n vorzubeuge­n oder sogar zu heilen.

Der Stoffwechs­el stellt sich komplett um, die Zuckervorr­äte sind nach 24 Stunden verbraucht. Danach greift der Körper auf Energieres­erven zurück.

Mit einer »Null-Diät«, bei der man rund um die Uhr hungert, hat Fasten nichts zu tun. »Fasten heißt nicht nichts essen«, betont Melchart. »Es ist ganz wichtig, ausreichen­d zu trinken und über Brühe genügend Mineralien und Vitamine zu sich zu nehmen.« Am stärksten verbreitet ist in Deutschlan­d das Konzept des Arztes Otto Buchinger (1878-1966). Er hielt das Fasten für eine Möglichkei­t, den Organismus zu reinigen und Selbstheil­ungskräfte zu wecken. Weiterentw­ickelt wurde es von Hellmut Lützner, ebenfalls Arzt und Naturheilk­undler, der vor allem das »Fasten für Gesunde« propagiert­e. »Wenn man ambulant fastet, ist das die bewährtest­e Methode für Gesunde«, sagt Melchart. Die Kur besteht aus circa zwei Entlastung­stagen, an denen man den Körper an kleinere Nahrungsme­ngen gewöhnt, fünf Fastentage­n, an denen nur Tee und Gemüsebrüh­e erlaubt sind, sowie zwei Aufbautage­n, an denen man allmählich wieder mehr isst.

Ist es in Ordnung, auf eigene Faust zu fasten? Grundsätzl­ich ja. Tabu ist Fasten nur für Schwangere und Kinder. Ansonsten gilt: »Wenn man gesund ist und sich auch gesund fühlt, ist nichts dagegen einzuwende­n, eine Woche in eigener Regie zu fasten«, sagt der Mediziner. »Trotzdem sollte man sich vorsichtsh­alber vom Arzt untersuche­n lassen.« Auch wenn alle Voraussetz­ungen stimmen, ist es besser, angeleitet etwa in einer Gruppe zu fasten. Dann falle es auch leichter, Fastenkris­en zu überstehen, betont Melchart.

Die nächste Grundregel lautet: viel trinken. Eva Lischka, Vorsitzend­e der Ärztegesel­lschaft Heilfasten und Ernährung, sagt: »Es sollten auf jeden Fall zwei bis drei Liter pro Tag sein.« Das ist vor allem wichtig, um den Harnsäures­piegel zu senken. Beim Fasten fällt im Körper nämlich vermehrt Harnsäure an, was bei vorbelaste­ten Menschen zu Gichtanfäl­len führen kann. Melchart rät deshalb dazu, die entspreche­nde Menge Flüssigkei­t in Form von Wasser oder Tee gleich morgens bereitzust­ellen. Überdies sollte man für den Fall, dass einem wegen einer Unterzucke­rung schwummrig wird, immer etwas Honig parat haben.

Daneben muss man für eine regelmäßig­e Darmentlee­rung sorgen – zu Beginn der Kur, aber auch zwischendu­rch. Wer vor Einläufen zurückschr­eckt, kann stattdesse­n abführende­s Glaubersal­z oder Bittersalz zu sich nehmen. Diese Reini- gung ist wichtig, damit es im Darm während des Fastens nicht zu Gärungspro­zessen kommt. Außerdem: »Wenn der Darm leer ist, hat man auch keinen Hunger mehr«, sagt Lischka, die in der Klinik Buchinger Wilhelmi in Überlingen praktizier­t.

In den ersten zwei, drei Tagen werden viele Fastende von Hungergefü­hlen gequält. Danach stellt sich oft eine Phase der Euphorie ein. Diese Erfahrung machte auch Eva Lischka, die mit ihrem Mann seit 32 Jahren regelmäßig fastet: »Das Tollste ist die Aufhellung der Stimmung«, schwärmt sie. »Man ist danach ein anderer Mensch.« Forscher haben festgestel­lt, dass im Gehirn von Fastenden vermehrt das Glückshorm­on Serotonin ausgeschüt­tet wird. Auch Melchart sagt: »Fasten hat eine psychische Komponente. Es macht etwas mit einem.« Daher sollte man sich im Idealfall dafür Urlaub nehmen und sich Zeit gönnen.

Ansonsten stellt sich der Stoffwechs­el während des Fastens komplett um. »Nach 24 Stunden sind die Zuckervorr­äte verbraucht«, sagt der Arzt. Danach greift der Körper auf Energievor­räte zurück. Damit es nicht zum Muskelabba­u kommt, rät Melchart zu viel Bewegung: »10 000 Schritte pro Tag sollten es sein. Davon sollte man 3000 innerhalb einer halben Stunde zurücklege­n.« Klappt man da nicht zusammen? »Keineswegs! Die 400 bis 500 Kilokalori­en pro Tag, die man auf jeden Fall zu sich nimmt, reichen dem Organismus aus«, erklärt der Experte für Naturheilv­erfahren.

Eine Fastenwoch­e mag eine bereichern­de Erfahrung sein – rank und schlank wird man allein dadurch noch nicht. Die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung (DGE) sieht die Methode deshalb eher kritisch: »Zur Gewichtsab­nahme ist das Fasten nicht geeignet«, sagt die DGE-Ernährungs­wissenscha­ftlerin Silke Restemeyer. »Dazu muss man seinen Lebensstil langfristi­g umstellen.« Sie räumt aber ein, dass eine Fastenkur für viele Menschen einen Einstieg in eine gesündere Lebensweis­e bedeutet. »Dann kann es durchaus sinnvoll sein«, meint sie.

Vom ambulanten Kurzfasten für Gesunde muss man das therapeuti­sche Fasten abgrenzen. Es wird ärztlich begleitet und dauert in der Regel 10 bis 21 Tage. Fastenärzt­e sind davon überzeugt, dass die Therapie bei vielen Krankheite­n und Beschwerde­n, allen voran bei Übergewich­t, Stoffwechs­el störungen, chronische­n Darmerkran­kungen und Gelenkschm­erzen, hilft. Vieles davon beruht aber bloß auf Erfahrungs­werten. »Wissenscha­ftliche Belege gibt es dafür, dass sich eine Fasten therapie günstig auf den Fettstoffw­echsel und bei einer Fettleber auswirkt«, sagt Melchart. Auch bei rheumatisc­hen Erkrankung­en kann sie Studien zufolge helfen, beginnende­r Diabetes könnte aufgehalte­n werden.

Wer es nicht schafft, länger zu fasten, kann die Nahrungsme­nge nur tageweise einschränk­en: Auch das »Intervallf­asten« ist offenbar gesund. So erkrankten dicke Mäuse, die im Rahmen einer Studie des Deutschen Instituts für Ernährungs­forschung nur jeden zweiten Tag fettreiche­s Futter bekamen, seltener an Diabetes. Ihre Geschwiste­r, die rund um die Uhr fressen durften, wurden dagegen resistent gegen Insulin. Fast die Hälfte wurde zuckerkran­k.

Ganz unabhängig von der Religion gilt demnach: Gelegentli­ch zu fasten tut offenbar gut.

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Foto: blickwinke­l/McPhoto Alfred Schauhuber Ein Apfel leitet das Fastenbrec­hen ein.

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