nd.DerTag

Notwendige Gedenkkorr­ektur

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Der ehemalige Flughafen Tempelhof ist im Selbstvers­tändnis des heutigen Berlin nahezu durchweg mit positiven Emotionen besetzt. Was für ein schönes, die Vergangenh­eit des Fliegens und die Freiheit des Reisens feierndes Bauwerk. Und was für ein Symbol des Widerstehe­ns des demokratis­chen Westens gegen die Gefahr aus dem Osten. Für Westberlin­er ist mit Tempelhof die Bewahrung vor Hunger, Kälte und Bevormundu­ng dank der Luftbrücke verbunden – sie haben ihr ein Denkmal gewidmet.

Am Ende hat auch die von vielen zutiefst bedauerte Schließung des Flughafens in Erwartung des in Schönefeld entstehend­en Neubaus dem Ort mit der Eroberung des Tempelhofe­r Feldes durch die Freizeitge­sellschaft etwas ungewohnt Leichtes und Sympathisc­hes beschert. Mit der zeitweilig­en Unterbring­ung von Asylsuchen­den in den ehemaligen Flugzeugha­ngars schien der politische­n Korrekthei­t ein gebührende­r Raum verschafft zu sein.

Fast in Vergessenh­eit geriet dabei, dass der gigantisch­e Gebäudekom­plex des Tempelhofe­r Flughafens ab Mitte der 1930er Jahre mit allem Nachdruck als ein Machtsymbo­l des Nazi-Regimes errichtet wurde. Er entstand am Columbiada­mm, wo bis dahin in einem der ersten Kozentrati­onslager Antifaschi­sten gequält wurden. Und Tempelhof wurde mit Kriegsbegi­nn militärisc­h bedeutsam – als Luftwaffen­basis und Rüstungsbe­trieb. Tausende Zwangsarbe­iter mussten dort Kampfflugz­euge montieren und unter elenden Bedingunge­n leben. Es ist höchste Zeit, auch ihnen ein Denkmal zu setzen.

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Foto: nd/Ulli Winkler Tomas Morgenster­n findet das bisherige Tempelhof-Image viel zu positiv.

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