Linke rückten in die Mitte
Neues Bündnis engagiert sich gegen eine Privatisierung des Potsdamer Stadtzentrums
Im Zentrum sind alle Hürden für eine Stadtentwicklung nach seinen Vorstellungen weggeräumt, denkt der Oberbürgermeister. Eine Hürde bleibt jedoch: Der Wille eines beträchtlichen Teils der Einwohner. An diesem Donnerstag wollen AndreasGoetz mann, Fachbe reichs leiter Stadtplanung, und Bert Nicke, Geschäftsführer des Sanierung s trägers Potsdam GmbH, über den Start des Interessen bekundungsv erfahrens für die Grundstücke Am Alten Markt, Ecke Schloßstraße informieren. Es geht dabei um den sogenannten Block III im Zentrum der Landeshauptstadt. Er soll das umkämpfte Ensemble aus Fachhochschule und Wohnkomplex Staudenhof ersetzen.
»Hervorheben möchte ich, dass jetzt alle Hürden für die Potsdamer Mitte weggeräumt sind.« Das ist einer der Sätze gewesen, mit denen Ober bürgermeister Jann Jakobs (SPD) am Montagabend begründete, warum er 2018 die Amtsgeschäfte guten Gewissens in die Hände eines Nachfolgers legen könne. Möglicher- weise sind dergleichen Aktivitäten jedoch etwas voreilig.
Denn die Bürgerinitiative »Potsdamer Mitte neu denken« rückt von ihren Vorbehalten gegen den geplanten Abriss der Fachhochschule keineswegs ab. Zugleich regt sich Widerstand gegen die Beseitigung des ehemaligen Rechenzentrums in der Breiten Straße, das im Zuge des Wiederaufbaus der Garnisonkirche weichen soll, obwohl dies nicht unbedingt notwendig wäre.
Es hat sich gerade ein Verein »Rechenzentrum« gegründet, der das Gebäude als Ort für Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft über den Sommer 2018 hinaus erhalten möchte. Die gegenwärtige Nutzung ist bis August kommenden Jahres befristet. Doch eine alternative Immobilie sei nicht in Sicht, beklagt Vereinsvorstand Christian de la Motte. »Wir, die Nutzerinnen und Nutzer des Rechenzentrums und unsere Unterstützer, möchten das Projekt nicht beenden«, sagt er. Das Haus sei voll belegt. 250 Personen im Alter von 20 bis 70 Jahren haben den einen oder anderen der 225 Räume gemietet. Bis zu 1000 Besucher pro Woche kommen zu Kursen, Workshops und Besprechungen. Gegründet hat sich unterdessen auch ein Bündnis »Stadtmitte für alle«. Dazu verwandelte sich der Alte Markt am vergangenen Sonntag in ein Wohnzimmer. Als Sitzgelegenheiten dienten zwei Sofas und viele Stühle. Im Verlaufe von vier Stunden schauten mehrere Hundert Menschen vorbei. Das war der Gründungsakt.
»Der aktuell beabsichtigte Umbau der Potsdamer Mitte ist durch Abrisse, Privatisierung, Rekonstruktion und hochpreisigen Neubau geprägt. Durch den geplanten Abriss von Staudenhof, Fachhochschule und Rechenzentrum und durch Privatisierung wird öffentliches Eigentum vernichtet«, heißt es in der Selbstdarstellung. »Mit der Errichtung der Garnisonkirche wird zudem öffentliche Gedenkkultur privatisiert und Revision der Stadtgeschichte betrieben. Der rigorose Abriss von Nachkriegsmoderne und die Errichtung von Kopien früherer Bauten tilgt nicht nur die jüngere Geschichte, er opfert einem konservativen Stadtbild auch die einmaligen Potenziale des gewachsenen Potsdams.« Der vom Rathaus eingeschlagene Weg spalte die Stadt. Er schließe große Teile der Einwohnerschaft aus und privilegiere wenige. Er sei deshalb untragbar.
Das Bündnis verlangt ein lebendiges Zentrum mit bezahlbarem Wohnraum, den Erhalt des Staudenhofs und des Fachhochschulgebäudes, eine Weiternutzung des Rechenzentrums als Kunst- und Kreativhaus und den Verzicht auf weitere »Kulissenbauten« wie die Garnisonkirche. »Wir fordern eine öffentliche und ergebnisoffene Debatte über die Geschichte, Gegenwart und Zukunft unserer Stadt und ihrer Mitte.«
Als Unterstützer von »Stadtmitte für alle« sind Vereine, Initiativen und Kulturzentren aufgeführt, außerdem die Volkssolidarität, die LINKE und die linksalternative Wählergruppe »Die Andere«. Es sind die Organisationen, die seit Jahren an dem Thema dran sind. Erstmals haben sie sich nun aber offiziell zusammengeschlossen, um gemeinsam für ihre Ziele zu streiten. »Wir gehören dazu und wünschen uns noch viel mehr Unterstützer«, sagt die Landtagsabgeordnete Anita Tack (LINKE).