Haftstrafe für Wahlfälscher
Prozess gegen CDU-Mann in Stendal beendet / Vorermittlungen zu Landratswahl 2012
Wegen der gefälschten Kommunalwahl 2014 in Stendal muss ein CDUPolitiker für 30 Monate hinter Gitter. Die Untersuchung der Vorfälle im Landtag rückt derweil näher. Der einstige Stendaler CDU-Stadtrat Holger Gebhardt ist als Wahlfälscher verurteilt und muss dafür zwei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Das entschied das Landgericht Stendal. Es sah als erwiesen an, dass Gebhardt bei der Wahl von Stadtrat und Kreistag am 25. Mai 2014 in 299 Fällen Briefwahlscheine manipulierte. Richterin Simone Henze - von Staden blieb damit nur geringfügig hinter dem Antrag der Anklage zurück, die drei Jahre Haft gefordert hatte. Staatsanwältin Annekathrin Helm hatte in ihrem Plädoyer betont, es sei »zweifellos ein großer Schaden für die Demokratie angerichtet« worden – und zwar womöglich nicht nur bei einer Wahl. Helm zufolge »deutet alles darauf hin, dass auch schon 2009 umfangreich gefälscht worden ist«. Dies wäre allerdings inzwischen verjährt.
Gebhardt hatte die Fälschung eingeräumt, sich aber zu Gründen und möglichen weiteren Beteiligten nicht geäußert. Sein Verteidiger Uwe Kühnel plädierte auf eine Strafe von 18 Monaten auf Bewährung. Seine Anmerkung, es sei ja nicht um eine Bundestagwahl gegangen, sorgte für Unruhe im Saal. Kühnel sagte zudem, er könne »nicht glauben«, dass Gebhardt als Alleintäter gehandelt habe. Ob dem so war, müsse allerdings ein Untersuchungsausschuss klären.
Ein solcher dürfte im Magdeburger Landtag im April eingesetzt werden. Ein entsprechender Antrag wurde von der LINKEN auf den Weg gebracht (»nd« berichtete). Ziel sei eine »konsequente und vollständige Aufklärung« der Vorfälle in Stendal, und zwar seit 2009, sagte Swen Knöchel, der Fraktionschef. Man wolle schauen, ob es Auffälligkeiten bei der Briefwahl bereits früher gab. Zumindest Teile der schwarz-rot-grünen Koalition stehen dem Ansinnen aufgeschlossen gegenüber. SPD-Fraktions- chefin Katja Pähle sagte, »was nach System aussieht, muss auch systematisch untersucht werden«. Dazu sei ein entsprechender Ausschuss ein geeigneter Weg. Sebastian Striegel, Innenexperte der Grünen, sagte, es gebe »in und um Stendal viel Aufklärungsbedarf«.
Das sieht offenbar auch die Staatsanwaltschaft so. Sie hat Vorermittlungen zur Landratswahl 2012 eingeleitet, wie die »Volksstimme« Magdeburg unter Berufung auf den Land- kreis meldete. Die Wahl hatte Karsten Wulfänger (CDU) in der zweiten Runde gegen einen SPD-Mann gewonnen – mit nur 69 Stimmen Vorsprung. Die »Volksstimme« weist auf Details des Wahlergebnisses hin, die zumindest auffällig sind. So sank in der Stichwahl die Zahl der für den späteren Sieger abgegebenen Stimmen um 20 Prozent, die Zahl seiner Briefwahlstimmen sei aber um 25 Prozent nach oben gegangen – was »in dieser Konstellation äußerst un- gewöhnlich« sei, schreibt das Blatt. Knöchel hat bereits angekündigt, dass die Landratswahl auch den Untersuchungsausschuss beschäftigen solle.
Dort wird man auch versuchen herauszufinden, ob Gebhardt Mitwisser oder -streiter hatte. Das Gericht hatte sich an dieser Frage die Zähne ausgebissen. Der Angeklagte hatte zwar von einem »System« gesprochen, aber keine anderen Personen belastet. Der Innenausschuss des Landtags wiederum hatte zwar nachbohren wollen, sich dabei aber teilweise eine Abfuhr geholt. So war CDU-Stadtchef Hardy Peter Güssau einer Anhörung schlicht ferngeblieben. Im Untersuchungsausschuss wär das nicht möglich.
Um Güssau ranken sich viele Spekulationen. Er hatte im Sommer 2016 nach wenigen Monaten sein Amt als Landtagspräsident wieder abgeben müssen, weil er den Vorwurf nicht entkräften konnte, die Manipulationen zumindest gedeckt zu haben. Die Forderung zum Rücktritt hatte zuerst Burkhard Lischka erhoben, der Landeschef des Koalitionspartners SPD. Der Bundestagsabgeordnete meldete sich jetzt auch zu Wort, nachdem bekannt wurde, dass Güssau in der Affäre juristisch gegen einen Journalisten vorgeht. Dabei handelt es sich um Marc Rath, der für seinen Beitrag zur Aufklärung der Wahlaffäre als »Journalist des Jahres 2016« ausgezeichnet wurde. Güssau wirft ihm indes vor, Unwahrheiten und ehrverletzende Behauptungen zu verbreiten, und will in drei Fällen Unterlassungserklärungen und einstweilige Verfügungen durchsetzen, wie der MDR berichtet. Lischka kommentierte, Rath sei ein »gewissenhafter Journalist« und könne der juristischen Auseinandersetzung »gelassen entgegenblicken«. Die CDU rief Lischka derweil zu verstärktem Engagement bei der Aufklärung auf: Die Partei habe im Land »viele aufrechte Demokraten«; diese müssten »jetzt mal richtig laut werden«, wenn es um die Wahlfälschungen in Stendal gehe. Bei der Debatte und Abstimmung zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses im April im Landtag wäre dazu Gelegenheit.