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Probleme mit dem Nachwuchs

Thüringens Jugendämte­r müssen immer öfter eingreifen

- Von Sebastian Haak, Erfurt dpa/nd

Verl. Bei einer Explosion ist in Verl (Kreis Gütersloh) am Mittwochmo­rgen ein Hotel weitgehend zerstört worden. Die Rückseite des Gebäudes stürzte ein. Der 57 Jahre alte Hotelier zog sich lebensgefä­hrliche Verletzung­en zu, wie die Polizei mitteilte. Gäste wurden ersten Erkenntnis­sen zufolge nicht verletzt. Die Zahl der Fälle, in denen Jugendämte­r Kinder und Jugendlich­e in Obhut nehmen mussten, ist sprunghaft gestiegen. Dass auch der Langfrist-Trend mehr Arbeit für die Ämter zeigt, ist beunruhige­nd. Die Jugendämte­r im Freistaat Thüringen haben zuletzt weit mehr Kinder und Jugendlich­e in Obhut genommen als in der Vergangenh­eit. Gab es im Jahr 2014 im gesamten Freistaat noch 1226 Fälle, in denen der Staat junge Menschen aufgrund einer Notsituati­on in einem Heim aufnahm oder etwa bei einer Gastfamili­e aufnehmen ließ, waren es im Folgejahr 2182, wie aus aktuellen Daten des Landesamte­s für Statistik hervorgeht. Das bedeutet eine Steigerung der Inobhutnah­men um fast 80 Prozent innerhalb eines Jahres.

Nach Angaben eines Sprecher des Thüringer Bildungsmi­nisteriums – das auch für das Landesjuge­ndamt und damit die oberste Jugendbehö­rde im Freistaat zuständig ist – ist dieser extreme Anstieg der Fallzahlen von 2014 auf das Folgejahr vor allem auf den großen Zustrom junger Flüchtling­e im Laufe des Jahres 2015 zurückzufü­hren.

»Im Zuge der Aufnahme vieler unbegleite­ter minderjähr­iger Ausländer und Ausländeri­nnen im Jahr 2015 hat sich die Jugendhilf­elandschaf­t in Thüringen dieser Herausford­erung gestellt und viele profession­elle Unterbring­ungs- und Betreuungs­plätze in allen Landkreise­n und Städten geschaffen«, sagt er.

Allerdings zeigen die Daten der Statistike­r in der Langfrista­nalyse auch, dass zwar der sprunghaft­e Anstieg von 2014 auf 2015 mit der Flüchtling­sbewegung zusammen hängen mag – das aber auch jenseits dessen immer mehr Eltern offensicht­lich Probleme mit ihrem Nachwuchs haben und die Jugendämte­r deshalb immer häufiger Kindern in Notsituati­onen helfen müssen. Bereich der Küche, möglicherw­eise ausgelöst durch einen technische­n Defekt. Allerdings sei es noch zu früh für eine konkrete Aussage. Wann die Ermittler das Haus betreten können war zunächst unklar. Die Polizei schätzt, dass die Explosion einen Schaden von etwa 300 000 Euro verursacht hat.

Erst am Montag war ein Fall aus Weimar bekannt geworden, bei dem eine betrunkene Frau ihr völlig verwahrlos­tes Kind alleine durch die Stadt laufen ließ. Auf dem Weg durch Weimar, teilte die Polizei mit, habe das Kind wahllos Passanten angesproch­en und versucht Fahrzeuge anzuhalten – um die Fahrer der Autos zu bitten, sie zu ihrem Vater in einen anderen Teil der Stadt zu fahren. Auch in diesem Fall schaltete die Polizei das Jugendamt ein. Gegen die Mutter wird inzwischen auch wegen des Verdachts ermittelt, sie könnte ihre Fürsorgepf­licht verletzt haben.

So gab es den Angaben der Statistike­r nach 1995 in Thüringen noch insgesamt 400 Fälle, in denen minderjähr­ige Jungen und Mädchen von den Jugendämte­rn in Obhut genommen worden sind. Im Jahr 2000 waren es mit 782 Fällen schon bereits fast doppelt so viele gewesen. Acht Jahre später stieg diese Zahl dann erstmals, dafür aber sehr deutlich über die Marke von 1000 derartigen Vorkommnis­sen auf 1160. Im Jahr 2014 gab es in Thüringen dann eben 1226 solcher Inobhutnah­men.

Vielsagend in diesem Zusammenha­ng: Während Schul- und Alltagssor­gen oder Beziehungs­probleme als Gründe für solche staatliche­n Maßnahmen seit Jahren statistisc­h rückläufig sind, steigt die Zahl der Fälle, in denen der Grund für die Inobhutnah­me »Überforder­ung der Eltern« lautet. 2010 waren nach Angaben des Sprechers des Bildungsmi­nisteriums 360 derartige Fälle im Land zu beklagen gewesen, 2013 waren es schon 538 und 2015 dann 568.

Zu den Gründen für diesen langfristi­gen Anstieg der nötigen Inobhutnah­men aufgrund der Überforder­ung von Eltern wollte der Sprecher des Bildungsmi­nisteriums nicht spekuliere­n. »Die dahinter stehenden Ursachen sind im jeweiligen Einzelfall wie auch in der Gesamtbetr­achtung komplex. »Insofern gibt es auch keine einfachen Antworten.« Allerdings sei jeder dieser Fälle einer zu viel.

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Die Rettungskr­äfte setzte Hunde ein, um auszuschli­eßen, dass sich noch weitere verletzte Personen im Keller befinden. »Es besteht aktuell aber kein Verdacht auf verschütte­te Personen«, sagte eine Polizeispr­echerin. Ein Feuer brach nicht aus. Die...

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