Conways Mikrowelle
Ich bin mir ganz sicher, dass der Türkei-Korrespondent der »Welt«, Deniz Yücel, für den Terrorismus der kurdischen Arbeiterpartei PKK gewirkt hat; außerdem ist er ein deutscher Spion. Den Auftrag zur Spionage hat er von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel höchstpersönlich erhalten. Behaupte ich jetzt einmal. Beweise: habe ich keine. Das ist auch nicht mein Job, dafür sind Untersuchungen der Behörden da. Die sollen gefälligst in der Sache aktiv werden.
Was für US-Präsident Donald Trump möglich ist, muss doch auch mir gestattet sein. Trump hatte unlängst behauptet, sein Vorgänger Barack Obama habe ihn im Trump Tower in New York abhören lassen. Beweise dafür wurden vom Präsidenten und seiner Entourage bislang nicht vorgelegt, aber der Verdacht ist in der Welt und damit nicht mehr abzuschütteln. Mit jeder Widerlegung von Trumps Unterstellung wird diese wirkmächtiger.
Vor wenigen Tagen hat Trumps Beraterin Kellyanne Conway die Sache weitergedreht. In einem Interview mit der US-Zeitung »The Record« wurde sie gefragt, ob sie glaube, dass ihr Chef abgehört worden sei. Conways Antwort ist ein Musterbeispiel für die Trumpsche Wahrheitsrhetorik. Conway antwortete nicht direkt auf die Frage, sondern sagte, sie wisse nur, dass es viele Wege gebe, wie Menschen bespitzelt werden könnten: über Smartphones, und Fernseher zum Beispiel, sogar Mikrowellen könne man zu Kameras machen.
Die beiden erstgenannten technischen Geräte können in der Tat zur Überwachung verwendet werden, die Aussage zu den Mikrowellen aber ist vollkommener Blödsinn; Mikrowellengeräte können technisch gesehen nicht
Hat der »Welt«Journalist Deniz Yücel in persönlichem Auftrag Angela Merkels die Türkei ausspioniert?
zu Spionagezwecken verwendet werden. Das Technik-Magazin »Wired« hat dies in einem Artikel ausführlich begründet; die sozialen Netzwerke sind deshalb voll des Hohns und Spotts über die naturwissenschaftliche Unbildung der Präsidentenberaterin.
Aber die Behauptung ist nun mal in der Welt und Conway geriet deshalb in Erklärungsnot. Sie rettete sich in einem Interview mit dem Sender CNN mit einem Hilfsargument, ganz nach Trumpscher Manier. Natürlich glaube sie nicht, dass ihr Chef im Wahlkampf über seine Mikrowelle ausspioniert wurde. »Allerdings sei es auch nicht ihr Job, Beweise zu finden, dafür sind Untersuchungen da«, erklärte Conway. Dass sie nicht glaube, dass Trump auf Obamas Anweisung hin in seiner Wohnung im Trump Tower ausspioniert wurde, sagte sie allerdings nicht.
Um es hier noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Ich glaube nicht, dass Deniz Yücel in persönlichem Auftrag Merkels die Türkei ausspioniert hat. Allerdings ist es auch nicht mein Job, Beweise zu finden. Dafür sind Untersuchungen da. Ich finde, das Wahrheitsministerium sollte in der Sache ermitteln.