Sport und Politik sind nicht zu trennen
Andreas Rettig, Geschäftsführer des FC St. Pauli, fordert, dass der Fußball seine gesellschaftliche Kraft nutzen muss
Sie haben kürzlich beklagt, dass es zu wenige Vereine gäbe, die sich politisch bekennen. Gab es dafür einen konkreten Anlass? Nein. Das braucht auch keinen Anlass, denn Sport und Politik sind nicht zu trennen. Ein aktuelles Beispiel sind die Diskussionen um die Aufnahme des Kosovo in den Weltfußballverband. Oder ein positives aus der Bundesliga: Darmstadt 98. Der Verein hat sich von Änis Ben-Hatira getrennt, weil der Spieler die Organisation Ansaar International unterstützt, die in Verbindung mit der extremistisch-salafistischen Szene gebracht wird. Spielt der Fußball im Verhältnis von Sport und Politik eine besondere Rolle? Ja, weil alle auf den Fußball gucken. Schauen Sie sich nur an, wie viele Nachahmer es beispielsweise beim Torjubel gibt, wie viele Kinder ihren Idolen nacheifern. Der Fußball erreicht ganz einfach sehr viele Menschen. So haben wir die Möglichkeiten, Botschaften zu transportieren – im positiven Sinne. Welche Bereiche haben das heute noch? Schauen Sie auf die Politikverdrossenheit oder nehmen Sie das Thema Kirchenaustritte: Viele gesellschaftliche Bereiche erreichen die Menschen nicht mehr. Der Fußball ist jeden Tag und überall präsent, diese Kraft muss er nutzen. Das ist eine Aufgabe, die vor allem der Profifußball angehen muss. Sie waren zweieinhalb Jahre lang Geschäftsführer bei der Deutschen Fußball Liga. Dann baten Sie um die Auflösung Ihres Vertrages. War Ihnen der Verband zu unpolitisch? Bei meinem Wechselwunsch hat das keine Rolle gespielt. Mit einem Verband kann man keine Spiele gewinnen, ich wollte wieder bei einem Verein arbeiten. Das hatte nichts mit dem Wunsch nach Politik zu tun, sonst wäre ich ja in die Politik gegangen. Der Fußball wird von oben regiert. Und die verantwortlichen Verbände wurden schon häufig kritisiert, dass ihre Hochglanzkampagnen beispielsweise gegen Rassismus eher einen Alibicharakter hätten. Wie sehr ärgert Sie das? Es stimmt schon, dass oft nur Beruhigungspillen verteilt werden. Aber beim FC St. Pauli haben wir im Moment so viele Probleme, dass ich mich nicht um die Probleme von FIFA, DFB oder DFL kümmern kann. Aber Sie haben ja in Ihrer Zeit bei der DFL Atmosphäre und Arbeitsweise von innen erlebt. Ja, aber ich halte nichts davon, altklug daher zu sprechen. Entscheidungen muss man im Moment treffen, da muss man den Kopf aus der Deckung strecken. Mir hat noch nie gefallen, in der Nachbetrachtung zu erklären, wer was alles hätte machen können. Aber fest steht, dass es im Hier und Jetzt zu wenige gibt, die mal ihre Stimme erheben. Der FC St. Pauli meldet sich oft zu Wort. Zuletzt auch wieder mit Ihrer Forderung, dass man gegen rechtslastige Tendenzen in der Gesellschaft zusammenrücken müsse. Bei St. Pauli ist es in der DNA, wir sind ein politischer Verein mit linker Ausrichtung. Ich glaube nicht, dass je- mand, der politisch völlig uninteressiert ist, hier in irgendeiner Form Verantwortung tragen könnte. Bei anderen Vereinen wird das vielleicht nicht so gelebt. Aber als Fußballklub hat man nun mal eine große Verantwortung. Deswegen habe ich auch gesagt, dass Profivereine sich auch in politischen Bereichen zu Wort melden und sich nicht immer die vornehme Zurückhaltung auferlegen sollten. Aber ich bin weit weg davon zu sagen, es müssen alle dem Beispiel St. Pauli nacheifern. Da muss auch jeder seinen eigenen Weg gehen. Stoßen Sie mit dem FC St. Pauli bei Verantwortlichen aus Verbänden oder anderen Vereinen häufig auf Unverständnis oder Gegenwind? Ja, aber das ist ja normal und nichts Außergewöhnliches. Der FC St. Pauli geht oftmals voran – und wenn man vorangeht, dann bekommt man den Wind auch als erster ab. Wenn sie nur im Windschatten sind, dann bekommen sie eben nicht so viel ab. Wie sieht es innerhalb des Vereins aus? Welche wichtigen Konflikte muss ein so politischer Klub wie der FC St. Pauli intern austragen? Momentan haben wir nur sportliche Konflikte auszutragen.