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Autobahn-Steinewerf­er vor Gericht

37-Jähriger mutmaßlich­er Täter hätte mit einem Betonbrock­en beinahe eine Familie ausgelösch­t

- Von Thomas Burmeister, Ellwangen dpa/nd

Die Motive von Autobahn-Steinewerf­ern sind oft banal. Das ist kein Trost für die Opfer. Auf der A7 erlitt eine Familie vor einem halben Jahr schwere Verletzung­en. Der Täter kommt nun vor Gericht. Mitten in der Nacht ist eine Familie auf der Autobahn unterwegs. Mutter, Vater und zwei Kinder. Sie sind auf dem Heimweg von einer Hochzeit. Es ist Sonntag, 1.30 Uhr, die Autobahn 7 ist fast leer. Plötzlich ein Stoß, ein Knall, der Wagen überschläg­t sich mehrfach. Alle erleiden schwere Verletzung­en. Unvermitte­lt ist für diese Familie eine Horrorvors­tellung wahr geworden: Ein Betonbrock­en lag auf der Straße, den irgendjema­nd von einer Brücke geworfen hatte.

Ein halbes Jahr danach muss sich der mutmaßlich­e Täter nun von Donnerstag an vor dem Landgerich­t Ellwangen in Baden-Württember­g verantwort­en. Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem 37-Jährigen »einen versuchten Mord in vier tateinheit­lichen Fällen« vor. Dabei geht sie »vom Mordmerkma­l der Heimtücke« aus, denn dem Angeschuld­igten müsse klar gewesen sein, dass kein Mensch, der auf einer Autobahn unterwegs ist, mit einem derartigen Anschlag rechnet.

Sechs Verhandlun­gstage sind angesetzt, bis der Vorsitzend­e Richter Gerhard Ilg voraussich­tlich kurz vor Ostern das Urteil verkündet. 30 mal 20 mal 20 Zentimeter war der Pflasterst­ein groß, den der Angeklagte auf die A7 geworfen haben soll. Und zwölf Kilogramm schwer.

Die beiden Kinder im Auto – ein damals sechsjähri­ges Mädchen und ein vierjährig­er Junge – wurden aus dem Wagen geschleude­rt. Das Mädchen wurde schwer, der Junge etwas leichter verletzt. Der 33 Jahre alte Vater erlitt einen Beckenbruc­h. Am schlimmste­n traf es die 25 Jahre alte Frau: »Die auf dem Beifahrers­itz befindlich­e Mutter der Kinder erlitt ei- ne Hals- und Brustwirbe­lfraktur sowie eine Schädelbas­isfraktur mit einer Hirnblutun­g«, teilte die Staatsanwa­ltschaft mit. »Aufgrund einer Verletzung am Bein musste ihr außerdem das Bein unterhalb des Knies amputiert werden.« Vater und Mutter werden im Gerichtssa­al sein, die Kinder nicht.

Warum bringt jemand völlig unbekannte Menschen auf so teuflische Weise in tödliche Gefahr? Der Prozess in Ellwangen ist längst nicht der erste, der diesen Fragen nachzugehe­n hat. Holzklötze, Pfosten, Ziegelstei­ne, immer wieder auch Wasserbomb­en und sogar ein Beil wurden schon auf Autobahnen geworfen. Die Motive waren meist erschrecke­nd banal.

Eines der schlimmste­n derartigen Verbrechen verübten im Februar 2000 drei junge US-Amerikaner in Darmstadt. Mit Steinwürfe­n von einer Fußgängerb­rücke töteten sie zwei Autofahrer­innen. Motiv: Langeweile und Erlebnishu­nger. Die zur Tatzeit 14, 17 und 18 Jahre alten Söhne von US-Soldaten erhielten wegen zweifachen Mordes Jugendstra­fen von bis zu achteinhal­b Jahren Gefängnis.

Manchmal wurden Angeklagte auch für nicht schuldfähi­g befunden. Wie im Februar 2009 der sogenannte »Elmshorner Beilwerfer«. Der 42-Jährige leide unter paranoider Schizophre­nie, hieß es. Er kam in eine Anstalt. Sein Beil hatte die Windschutz­scheibe eines Autos durchschla­gen, den 65 Jahre alten Fahrer aber knapp verfehlt.

Eine lebenslang­e Freiheitss­trafe wegen Mordes verhängte 2009 das Landgerich­t Oldenburg gegen einen Drogensüch­tigen, der am Ostersonnt­ag 2008 einen sechs Kilogramm schweren Holzklotz auf die A29 geschleude­rt hatte. Das Geschoss durchschlu­g eine Frontschei­be und tötete eine Frau vor den Augen ihrer Kinder. Motiv: Frust darüber, dass kein Heroin zu bekommen war.

Und was hat den Steinerwer­fer von der A7 angetriebe­n, über den jetzt das Landgerich­t in Ellwangen entscheide­n muss? Er gestand zwar, den Betonbrock­en auf die Autobahn geworfen zu haben, doch zu einem Motiv machte der Mann keine Angaben. Zu beantworte­n ist in dem Prozess auch die Frage, ob der 37-Jährige schuldfähi­g ist.

Zuvor war er bereits wegen Beleidigun­g und Körperverl­etzung aufgefalle­n. Doch weil ihm eine psychische Erkrankung attestiert worden war, blieben ihm Strafen erspart. Im aktuellen Fall war einem psychiatri­schen Gutachten zufolge »die Steuerungs­fähigkeit des Angeschuld­igten bei der Tat erheblich vermindert«. Die Staatsanwa­ltschaft geht dennoch davon aus, dass er schuldfähi­g war. Den Beweis dafür und auch für den Vorwurf des gezielten heimtückis­chen Handelns will sie im Laufe des Prozesses erbringen.

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Foto:dpa/Dennis Straub/Feuerwehr Heidenheim Diesen Unfall hat der Steinwerfe­r zu verantwort­en.

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