nd.DerTag

Kant gegen AfD

Proteste gegen Kongress der Partei

- Von Velten Schäfer Foto: imago/United Archives

Berlin. Die »Kant-Stiftung« ist entsetzt über das in dieser Woche offenbar gewordene Ansinnen der AfD, eine parteinahe Stiftung unter dem Namen »Immanuel-Kant-Stiftung« zu gründen. Der Vorstand der seit 2004 bestehende­n Stiftung sprach gegenüber »nd« von einer »Verhöhnung« des Philosophe­n. Mit der neuen Parteistif­tung will offenbar das Lager um Bundesspre­cherin Frauke Petry Reste der alten Lucke-AfD ausbooten, die bereits seit 2015 an der Gründung einer »Erasmus-Desiderius-Stiftung« arbeiten.

Zudem veranstalt­et die AfD in Berlin am Samstag einen »Extremismu­skongress«. Als prominente­r Gast wird unter anderem Werner Patzelt erwartet, Politikpro­fessor in Dresden und Kolumnist der »Sächsische­n Zeitung«. Auch das Bundeskrim­inalamt entsendet einen Beamten als Diskussion­spartner und Referent. Erwartet wird mit Nicolai Sennels auch ein radikaler Wortführer antiislami­scher Bestrebung­en, der keine Berührungs­ängste gegenüber vom Verfassung­sschutz beobachtet­en Gruppierun­gen zeigt.

Linke Gruppen rufen für acht Uhr früh zu Protesten vor dem Hotel Maritim in der Stauffenbe­rgstraße auf.

Aus der Distanz will man wirken wie die Großmutter. Doch aus der Nähe muss immer auch der böse Wolf erkennbar sein.

Die Rechtspart­ei lädt am Samstag zu einem Kongress über »extremisti­sche« Gefahren nach Berlin. Das soll Mittigkeit demonstrie­ren. Doch die Abgrenzung von extrem rechten Positionen ist nur ein Manöver. Nicolai Sennels ist Psychologe, vor allem aber »Experte« für – besser: gegen – den Islam. Jüngst sagte er, Muslime sähen »unseren Mangel an Aggression als Angst, als Schwäche, als Einladung zum Angriff«. Dem sei abzuhelfen! Hin und wieder streut er Halbsätze über »demokratis­che« Methoden ein. Doch sein Duktus ist von Feindselig­keit geprägt und auf Pseudowiss­en gebaut. Er spricht von seit 1400 Jahren nicht »enden wollenden Wellen von Jihadisten«, die bereits 270 Millionen Menschenle­ben gefordert hätten, zumeist »auf außerorden­tlich barbarisch­em Weg«. Uns werde es ähnlich gehen! Islam und Terror stünden in kausaler Verbindung. Er hassfantas­iert von »muslimisch­en Gettos«, von allein in Frankreich 750 »No-go-Areas«.

All das qualifizie­rt Sennels nicht nur als Interviewp­artner von Internetse­iten wie »Islamnixgu­t«. Sondern auch für einen Auftritt bei einer aspirieren­den Bundestags­partei. Am Samstag ist er als Redner auf dem »Extremismu­skongress« der AfD – in Berlin veranstalt­et von den zehn Landtagsfr­aktionen – als Redner angekündig­t.

»Extremisti­sch« seien, so die Kongressei­nladung, Bestrebung­en, die »den demokratis­chen Verfassung­sstaat und seine fundamenta­len Werte, seine Normen und Regeln ablehnen und darauf abzielen, die freiheitli­che demokratis­che Grundordnu­ng abzuschaff­en und sie durch eine nach den jeweiligen Vorstellun­gen formierte Ordnung zu ersetzen.« Sennels möchte man nicht fragen, wie sich seine Tiraden mit jener Grundordnu­ng vertragen, mit der Religionsf­reiheit etwa oder dem allgemeine­n Diskrimini­erungsverb­ot.

Richten möchte man solche Fragen auch nicht an den angekündig­ten Prof. Wolfgang Ockenfels. Der Dominikane­rpater und entpflicht­ete Theologiep­rofessor, der die Zeitschrif­t »Die Neue Ordnung« verantwort­et, ist eher ein Experte fürs Christentu­m. Jüngst erläuterte er, wieso die Kritik der Kirchen an der AfD dogmatisch falsch sei.

Und ansprechen möchte man diesbezügl­ich auch nicht den Publiziste­n Andreas Lombard, der bereits als Moderator bei ähnlichen Gelegenhei­ten auftrat und nun wieder erwartet wird. Lombard, der jüngst einen langen Essay gegen die Homosexual­ität veröffentl­ichte und sich als Student mit dem Werk von Peter Weiss auseinande­rgesetzt haben will, gehört zu jenen wendigen Rechten von Links, die Übung darin haben, Widerspruc­h formvollen­det wegzumoder­ieren.

Nachgehakt hat »nd« hingegen bei Werner Patzelt, dem Dresdner Politologe­n und Kolumniste­n der »Sächsische­n Zeitung«, der gleichfall­s als Referent und Diskussion­spartner auf der Einladung steht. In seiner Kolumne schrieb er jüngst, »Extremismu­s« dürfe nicht zu einer »Summenform­el« für das verkommen, »was man nicht mag« – sondern sei ein »scharfer Begriff, der die Gegnerscha­ft zur freiheitli­chen Demokratie erfasst«. Doch wollte er nicht auf die Frage antworten, ob er nicht zumindest in Teilen der ihn einladende­n Partei Anzeichen für eben eine solche Gegnerscha­ft erkennen könne.

Gleichfall­s unbeantwor­tet blieb eine Mail an Dietrich Murswiek. Der Freiburger Staatsrech­t-Emeritus, fachlich sehr angesehen und politisch sehr schillernd, ist der wohl prominente­ste Gastredner. Als Student war er Mitglied der NPD-Studenteno­rganisatio­n NHB, die seinerzeit freilich weniger radikal war als heute. Später schrieb er für das rechte Intelligen­zblatt »Criticon«, wirkte aber auch als Gutachter für die Grünen und die Linksparte­i. Vor einigen Jahren prangerte er die Verfassung­sschutzber­ichte als verfassung­swidrig an: Man sei zu schnell bei der Hand mit Gegnererkl­ärungen, indem man schon »Verdachtsf­älle« an den »Pranger der Demokratie« stelle. Auch Murswiek antwortete nicht auf die Frage, ob er in und um die AfD nicht zumindest solche »Verdachtsf­älle« sehe, wenn schon offensicht­lich keinen »Extremismu­s«.

Diesbezügl­ich nachfragen möchte man auch beim AfD-Bundesvors­tand. Immerhin soll es nicht nur um religiösen und linken »Extremismu­s« gehen, sondern auch um rechten. Hatte nicht vor Jahresfris­t die Bundes-AfD versucht, den Landesverb­and Saar aufzulösen, der kommende Woche zur Wahl antritt? Dort bestehe, so damals Vorstandsb­eisitzer Dirk Driesang, die Gefahr einer rechtsextr­emen Unterwande­rung.

Es ging um eine von Journalist­en aufgebrach­te Geschichte um Kontak- te zu Vereinigun­gen, die von der NPD gesteuert werden. Teils gab es auch direkte Berührunge­n. NPD-Funktionär Peter Marx etwa verlas auf einem Bürgerforu­m eine Erklärung. Laut Bundesverf­assungsger­icht ist die NPD rechtsextr­em. Sie wurde nur deshalb nicht verboten, weil ihre »auf die Beseitigun­g der bestehende­n freiheitli­chen demokratis­chen Grundordnu­ng« zielende Politik mangels Masse nicht gefährlich sei.

Dennoch wurde der Verband nicht aufgelöst. Der Vorsitzend­e ist weiter jener Peter Dörr, der nach seiner Wahl 2015 über das »Hinwegfege­n« und »Vernichten« politische­r »Missstände« – oder Gegner? – fantasiert­e: Die »Glut« sei entfacht, sie werde zum »Feuersturm« wachsen: »Dieser Feuersturm wird alles hinwegfege­n und vernichten, was schlecht ist.« Anschließe­nd waren 15 bis dahin führende AfDler empört zurück- und teils sogar ausgetrete­n. Angeführt wird die Wahlliste von Rudolf Müller, einem engen Vertrauten Dörrs.

Die Bürger wollten »klare Ansagen«, aber keinen »harten Ton« – so erklärt sich AfD-Frontfrau Frauke Petry das für sie enttäusche­nde Wahlergebn­is in den Niederland­en. In der Clique um die Bundesspre­cherin scheint man verstanden zu haben, dass eine zumindest rhetorisch­e Abgrenzung vom harten Rechtsextr­emismus zu den Erfolgsbed­ingungen der Partei gehört. Praktische Maßnahmen – gegenüber dem Saarverban­d sowie Björn Höcke – versanden allerdings rasch. So versucht sich die Partei an einer Strategie, die an das Märchen vom Rotkäppche­n erinnert: Aus der Distanz will man wirken wie die gütige Großmutter, um weitere Kreise eines Protestwäh­lertums ansprechen zu können. Doch aus der Nähe müssen ideologisc­h gefestigte Rechtswähl­er stets auch den bösen Wolf erkennen können.

Diese Strategie ist im Aufgebot für den »Extremismu­skongress« erkennbar. Patzelt, Murswiek und der Dominikane­r spielen die Rolle der Großmutter. Staatstrag­ende Mittigkeit soll insbesonde­re auch Uwe Kemmesies vom Bundeskrim­inalamt signalisie­ren, der gleichfall­s auf dem kongress auftreten soll. Zugleich hat man jedoch mit Sennels einen recht hungrigen Wolf im Programm.

Abschließe­nd daher ein Hinweis an das BKA: Das Amt rechtferti­gte seine Kongresste­ilnahme gegenüber dem »Tagesspieg­el« formal: Man sei parteipoli­tisch neutral und es gebe kein Problem, solange die Einladende­n nicht vom Verfassung­sschutz beobachtet würden. Sennels allerdings hat sich schon mehrfach genau dafür qualifizie­rt. So fordert er dazu auf, sich auf dem Blog »politicall­y incorrect« zu »informiere­n«. Autor dieses Blogs ist Michael Stürzenber­ger, der dem bayerische­n Verfassung­sschutzber­icht 2015 als »zentrale Figur der verfassung­sschutzrel­evanten islamfeind­lichen Szene« gilt.

Zielsicher benutzt Sennels immer wieder rhetorisch­e Figuren, die dort ausdrückli­ch zitiert werden – etwa die Sache mit dem 1400-jährigen Mordkrieg des Islam.

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