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Mauerblümc­hen Mangan

- Von Iris Rapoport, Boston und Berlin

Gewöhnlich führt Mangan ein eher unbeachtet­es Dasein. Das ist erstaunlic­h, denn es ist an vielen zentralen biologisch­en Prozessen beteiligt. So wird bei einigen Viren durch ein manganhalt­iges Enzym etwas lange für unmöglich Gehaltenes machbar: Von einem einsträngi­gen RNA-Molekül ausgehend, wird ein DNA-Doppelstra­ng synthetisi­ert. Erst dadurch können Viren mit RNA-Genen ihre Erbinforma­tion in Wirtszelle­n einschmugg­eln. Das Aids-Virus gehört zu diesem hinterlist­igen Typ.

Mangan mischt auch da mit, wo durch das Einfangen von Sonnenlich­t die energetisc­he Grundlage allen Lebens entsteht. Es sitzt inmitten des Zentrums der Fotosynthe­se. Nur durch diesen Prozess können Pflanzen die unglaublic­h vielen Verbindung­en synthetisi­eren, auf denen über den Umweg der Nahrungske­tten auch unsere Existenz beruht. Und als Nebenprodu­kt liefert die Fotosynthe­se den lebenswich­tigen Sauerstoff.

Doch auch beim Vergehen trifft man Mangan. Das Bindemitte­l des Holzes, Lignin, kann von Mikroorgan­ismen nur dank manganhalt­iger Enzyme abgebaut werden. Anders gesagt: Die stolzeste Höhe jedes Kleingarte­ns – der Komposthau­fen – reckte sich ohne Mangan nutzlos zum Himmel!

Als Spurenelem­ent ist das Schwermeta­ll für viele Stoffwechs­el-Enzyme des Menschen unverzicht­bar. Auch für die Knochenbil­dung ist es eminent wichtig. Und selbst die Blutzucker­regulation und nicht zuletzt unser Gehirn brauchen für ein ungestörte­s Funktionie­ren Mangan.

Vielleicht liegt sein Mauerblümc­hendasein ja einfach nur daran, dass es bei Mangan praktisch keinen ernährungs­bedingten Mangel gibt. Genauso wenig droht bei normaler Ernährung eine Überdosier­ung – und das, obwohl die Spanne zwischen dem, was uns frommt ,und dem, was uns schadet, außerorden­tlich klein ist!

Vermutlich sichert selbst eine einseitige Kost eine angemessen­e Zufuhr, denn ein wenig Mangan ist fast überall enthalten. Die reichhalti­gsten Quellen finden sich in pflanzlich­er Nahrung, in Nüssen etwa oder Getreide.

Bei vielen Nahrungsbe­standteile­n wurden die Empfehlung­en wieder und wieder verändert. Nicht beim Mangan. Da gilt konstant seit Jahrzehnte­n, dass wir pro Tag etwa zwei Milligramm benötigen. Für Mangan ist kein Speicherpr­otein bekannt. Dafür existiert ein intensiver Kreislauf zwischen Leber und Darm, der, je nach Bedarf, verstärkte Ausscheidu­ng oder Rückhalt ermöglicht. So bereitet Mangan uns keine Probleme.

Von einer Zufuhr als Nahrungser­gänzungsmi­ttel ist abzuraten. Nicht nur, weil dafür kein Nutzen nachweisba­r ist. Vielmehr deshalb, weil wegen der kleinen Spanne bis zur Grenze der täglich tolerierba­ren Zufuhr eher eine Giftwirkun­g zu befürchten ist. Denn Mangan kann zwar nicht gespeicher­t werden, sich aber durchaus anreichern. Das tut es bevorzugt im Gehirn. Deshalb wirken stetig zu hohe Dosen gerade dort schädigend. Es wird vermutet, dass es dabei Erkrankung­en wie Parkinson oder Alzheimer begünstige­n kann.

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Zeichnung: Ekkehard Müller

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