Erdogan attackiert Merkel persönlich
Neuer Tiefpunkt in den deutsch-türkischen Beziehungen / BND-Chef entlastet Gülen-Bewegung
Wenige Wochen vor dem Referendum in der Türkei verschärft Präsident Erdogan den Ton gegenüber Deutschland und der Europäischen Union. Erst sah es aus, als würde das Wochenende ohne neuerliche Attacken der türkischen Regierung Richtung Europäischer Union vergehen. Doch dann meldete sich Präsident Recep Tayyip Erdogan am Sonntag mit einer ganzen Salve von Beschimpfungen zu Wort: »Du wendest auch gerade NaziMethoden an«, sagte Erdogan an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gewandt. »Bei wem? Bei meinen türkischen Geschwistern in Deutschland, bei meinen MinisterGeschwistern, bei meinen Abgeordneten-Geschwistern, die dorthin reisen.«
Mit Blick auf Europa erklärte Erdogan, dort könnten »Gaskammern und Sammellager« wieder zum Thema gemacht werden, aber »das trauen sie sich nur nicht«. Offen ließ der türkische Präsident, wen er mit »sie« genau meinte.
Nach der Absage mehrerer Wahlkampfauftritte türkischer Politiker haben die Beziehungen zwischen der Türkei und Europa einen Tiefpunkt erreicht.
Für Verstimmung sorgte bei der türkischen Regierung auch eine kurdische Demonstration mit rund 30 000 Teilnehmern in Frankfurt am Main anlässlich des kurdischen Neujahrsfestes Newroz. Für Ankara war die Veranstaltung am Samstag ein Skandal, weil Teilnehmer Plakate der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK trugen und Bilder des inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan hochhielten. Die Vorfälle seien »auf das Schärfste« zu verurteilen, erklärte ein Sprecher Erdogans.
Über den Umgang der Bundesregierung mit der PKK regt sich Ankara bereits seit Monaten auf. Kürzlich hatte Erdogan Deutschland die »Unterstützung von Terroristen« vorgeworfen. Die Bundesregierung wies die Vorwürfe als »abwegig« zurück.
Für Unmut in Ankara sorgte am Wochenende außerdem die Ein- schätzung des Bundesnachrichtendienstes (BND), dass Anhänger des türkischen Predigers Fethullah Gülen nicht die Drahtzieher des Putschversuchs am 15. Juli 2016 gewesen seien. BND-Chef Bruno Kahl sagte dem Magazin »Spiegel«, die Türkei habe »auf den verschiedensten Ebenen versucht, uns davon zu überzeugen. Das ist ihr aber bislang nicht gelungen«. Auch sieht Kahl die Gülen-Bewegung weder islamisch-extremistisch noch terroristisch. Den Putsch bezeichnete der BND-Chef vielmehr als »willkommenen Vorwand« für die türkische Regierung, um gegen Regierungsgegner vorzugehen. Eine Antwort aus der Türkei ließ auch hier nicht lange auf sich warten. Ein Sprecher des Präsidenten hielt der Bundesregierung vor, sie wolle die Gülen-Bewegung »reinwaschen«. Verteidigungsminister Fikri Isik mutmaßte gar, dass der deutsche Geheimdienst selbst hinter dem Putsch stecken könnte.
Wie kann es nun weitergehen, mit den deutsch-türkischem Beziehungen? Außenminister Gabriel betonte in einem »Spiegel«Gespräch zwar die Notwendigkeit eines nachbarschaftlichen Verhältnisses – von einer EU-Mitgliedschaft sei die Türkei heute aber »weiter entfernt als je zuvor«.
»Du wendest auch gerade NaziMethoden an.« Recep Tayyip Erdogan über Angela Merkel