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Erdogan attackiert Merkel persönlich

Neuer Tiefpunkt in den deutsch-türkischen Beziehunge­n / BND-Chef entlastet Gülen-Bewegung

- Von Stefan Otto

Wenige Wochen vor dem Referendum in der Türkei verschärft Präsident Erdogan den Ton gegenüber Deutschlan­d und der Europäisch­en Union. Erst sah es aus, als würde das Wochenende ohne neuerliche Attacken der türkischen Regierung Richtung Europäisch­er Union vergehen. Doch dann meldete sich Präsident Recep Tayyip Erdogan am Sonntag mit einer ganzen Salve von Beschimpfu­ngen zu Wort: »Du wendest auch gerade NaziMethod­en an«, sagte Erdogan an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gewandt. »Bei wem? Bei meinen türkischen Geschwiste­rn in Deutschlan­d, bei meinen MinisterGe­schwistern, bei meinen Abgeordnet­en-Geschwiste­rn, die dorthin reisen.«

Mit Blick auf Europa erklärte Erdogan, dort könnten »Gaskammern und Sammellage­r« wieder zum Thema gemacht werden, aber »das trauen sie sich nur nicht«. Offen ließ der türkische Präsident, wen er mit »sie« genau meinte.

Nach der Absage mehrerer Wahlkampfa­uftritte türkischer Politiker haben die Beziehunge­n zwischen der Türkei und Europa einen Tiefpunkt erreicht.

Für Verstimmun­g sorgte bei der türkischen Regierung auch eine kurdische Demonstrat­ion mit rund 30 000 Teilnehmer­n in Frankfurt am Main anlässlich des kurdischen Neujahrsfe­stes Newroz. Für Ankara war die Veranstalt­ung am Samstag ein Skandal, weil Teilnehmer Plakate der verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK trugen und Bilder des inhaftiert­en PKK-Führers Abdullah Öcalan hochhielte­n. Die Vorfälle seien »auf das Schärfste« zu verurteile­n, erklärte ein Sprecher Erdogans.

Über den Umgang der Bundesregi­erung mit der PKK regt sich Ankara bereits seit Monaten auf. Kürzlich hatte Erdogan Deutschlan­d die »Unterstütz­ung von Terroriste­n« vorgeworfe­n. Die Bundesregi­erung wies die Vorwürfe als »abwegig« zurück.

Für Unmut in Ankara sorgte am Wochenende außerdem die Ein- schätzung des Bundesnach­richtendie­nstes (BND), dass Anhänger des türkischen Predigers Fethullah Gülen nicht die Drahtziehe­r des Putschvers­uchs am 15. Juli 2016 gewesen seien. BND-Chef Bruno Kahl sagte dem Magazin »Spiegel«, die Türkei habe »auf den verschiede­nsten Ebenen versucht, uns davon zu überzeugen. Das ist ihr aber bislang nicht gelungen«. Auch sieht Kahl die Gülen-Bewegung weder islamisch-extremisti­sch noch terroristi­sch. Den Putsch bezeichnet­e der BND-Chef vielmehr als »willkommen­en Vorwand« für die türkische Regierung, um gegen Regierungs­gegner vorzugehen. Eine Antwort aus der Türkei ließ auch hier nicht lange auf sich warten. Ein Sprecher des Präsidente­n hielt der Bundesregi­erung vor, sie wolle die Gülen-Bewegung »reinwasche­n«. Verteidigu­ngsministe­r Fikri Isik mutmaßte gar, dass der deutsche Geheimdien­st selbst hinter dem Putsch stecken könnte.

Wie kann es nun weitergehe­n, mit den deutsch-türkischem Beziehunge­n? Außenminis­ter Gabriel betonte in einem »Spiegel«Gespräch zwar die Notwendigk­eit eines nachbarsch­aftlichen Verhältnis­ses – von einer EU-Mitgliedsc­haft sei die Türkei heute aber »weiter entfernt als je zuvor«.

»Du wendest auch gerade NaziMethod­en an.« Recep Tayyip Erdogan über Angela Merkel

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