Trennung von Staat und Religion ist eine Errungenschaft
Zu »Zurück an den Herd«, 16.3., S. 6
Über die ausschließliche Wertung der Verfasserin, die Kopftuchurteile des Europäischen Gerichtshofs würden die Emanzipation muslimischer Frauen behindern, kann ich nur den Kopf schütteln. Dass die Verquickung von Staat und Religion auch in Europa über Jahrhunderte viele blutige Opfer kostete und in anderen Regionen der Welt noch immer kostet, dass die Trennung von Staat und Religion das Ergebnis hartnäckiger und opferreicher Kämpfe ist und eine zivilisatorische Errungenschaft allererster Güte darstellt, ist der Ver- fasserin kein Wort wert. Auch nicht, dass der Kampf für die Gleichberechtigung der Frauen deren Befreiung aus religiösen Fesseln einschloss. Bei muslimischen Frauen soll es nun genau umgekehrt sein. Ihre gesellschaftliche Teilhabe soll voraussetzen, dass gesellschaftliche Bereiche, die der Religion abgetrotzt wurden, nun wieder preisgegeben werden.
Eine politische Linke sollte sich nicht dafür einsetzen, dass Religion wieder mehr Einfluss im gesellschaftlichen Leben gewinnt, sondern um die zeitgemäße weitere Ausgestaltung der Trennung von Staat und Religion kämpfen. Da gäbe es genügend zu tun. So sollte die öffentliche Finanzierung der christlichen Kirchen reduziert, in den Schulen statt Religionsunterricht eine neutrale Religionskunde vermittelt werden und die Kreuze aus öffentlichen Gebäuden verschwinden. Und natürlich sollten dort auch keine Kopftücher auftauchen. Manfred Simon, Dresden