nd.DerTag

Operations­raum Weltraum

Ziele und Handlungsf­elder der Bundeswehr im Orbit festgelegt

- Von René Heilig

Die Aufrüstung der Bundeswehr erreicht wieder einmal kosmische Ausmaße. Selbst im Wortsinn. Einzelheit­en verrät das Verteidigu­ngsministe­rium in seinen »Strategisc­hen Leitlinien Weltraum«. Die deutschen Militäraus­gaben sollen von derzeit rund 37 auf mehr als 42 Milliarden Euro im Jahr 2021 steigen. Das ist ein Plus von durchschni­ttlich vier Prozent pro Jahr. Die NATO-Zielvorgab­en für 2024, laut denen zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es für das Militär zu verballern sind, erreicht Deutschlan­d damit noch nicht. Dafür wären – ein weiteres stabiles Wirtschaft­swachstum vorausgese­tzt – fast zehn Prozent zusätzlich­e Ausgaben pro Jahr notwendig. Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen ist mit dem im neuen Haushaltsp­lan avisierten Plus dennoch zufrieden. Man brauche das Geld, denn »wir müssen nach wie vor Lücken schließen«, sagte die CDUPolitik­erin.

Was eine Lücke ist, ist Definition­ssache. Gewiss, es mangelt den im Weißbuch sowie auf vergangene­n NATO-Gipfeln festgelegt­en Zielen an mancherlei. Daher bestellte von der Leyen Panzer, Gefechtsfe­ldbrücken, Korvetten, Hubschraub­er, Raketen für den Eurofighte­r und für die bodengebun­dene Luftabwehr. Demnächst soll das Sturmgeweh­r ersetzt werden, hinzu kommt allerlei für die Logistik. Man versucht, Einheiten personell aufzufülle­n.

Weniger sichtbar sind die »Lücken« im Bereich der Cyberkrieg­sfüh- rung, die nun aber geschlosse­n werden sollen. Eine entspreche­nde Strategie hat die Truppe per Tagesbefeh­l vor knapp einem Jahr erreicht. Nun liegt – mit dem Stempel »Verschluss­sache« versehen – eine weitere strategisc­he Leitlinie vor. Darin liest man: »Die Umstände erfordern, den Weltraum auch als militärisc­hen Operations­raum zu verstehen und wahrzunehm­en.«

Die Umstände? Zweifelsoh­ne sind moderne Staaten extrem abhängig von Raumfahrtt­echnologie­n. Sie sichern vor allem Navigation und Kommunikat­ion. Das ermöglicht Paketliefe­rungen rings um den Globus ebenso »just in time« wie denkbare Einschläge atomarer Sprengköpf­e. Ohne Satelliten gebe es keine Auslandsei­nsätze. Daher heißt es in den Leitlinien durchaus realistisc­h: »Die rasante Entwicklun­g, stetige Verbesseru­ng und zunehmende Verfügbark­eit von Einsatzunt­erstützung aus dem Weltraum und weltraumge­stützte Fähigkeite­n prägen die moderne Kriegsführ­ung wesentlich.« Wohl sei der Weltraum »ein globales Gemeinscha­ftsgut jenseits staatliche­r Hoheitsans­prüche«, doch gestalte es sich »zunehmend schwierig, über verantwort­liches Verhalten im Weltraum Konsens zu erzielen«.

Aus den Erfahrunge­n im vergangene­n Kalten Krieg leitet man die zutreffend­e Erkenntnis ab, dass »der Transparen­z der Weltraumnu­tzung und der Rüstungsko­ntrolle im Weltraum eine wesentlich­e Bedeutung für die Vermeidung eines Rüstungswe­ttlaufs« zukomme. Wer nun substanzie­lle Vorschläge zur Schaffung eines tragfähige­n internatio­nalen Vertrags- werkes über die friedliche Nutzung des Weltraumes erwartet, wird enttäuscht. Da das Konzept aus dem Verteidigu­ngsministe­rium kommt, geht es vorrangig darum, die Bundeswehr zu Weltraumop­erationen zu befähigen – und dies durch die »Nutzung von Weltraumsy­stemen zur Unterstütz­ung von Einsatz, Übung und Grundbetri­eb«. Darüber hinaus geht es um »Einsatz, Betrieb und Schutz von Weltraumsy­stemen«. Man sieht kosmische Anwendungs­bereiche auch bei »Erdbeobach­tung, Frühwarnun­g und Flugkörper­abwehr, Kommunikat­ion, Positions- Navigation­s- und Zeitsignal­bestimmung«.

Vor allem in Sachen Satelliten­technik und -kontrolle haben die deutschen Streitkräf­te durchaus Hightech zu bieten ebenso wie in der Planung – sei es bei der Aufklärung, bei der metergenau­en Vermessung der Erdoberflä­che oder der Kommunikat­ion. Die Achillesfe­rse ist, dass man Raumflugkö­rper nicht selbst in die Umlaufbahn bringen kann. Man braucht die Hilfe der westeuropä­ischen Weltraumbe­hörde ESA, die wiederum nicht ohne russische Trägerrake­ten auskommt.

Doch nur wenige, hoch entwickelt­e Länder nutzen den Weltraum intensiv. Eben diese »stark unterschie­dliche Betroffenh­eit« von Staaten erschwert die Konsensfin­dung. Und so halten Regulierun­gsinstrume­nte mit der unaufhalts­am voranschre­itenden technologi­schen und wirtschaft­lichen Entwicklun­g bei der Nutzung des Weltraumes nicht mit. Also will die Bundesrepu­blik »zunächst in einem Kreis von gleichgesi­nnten Akteuren wirksame Methoden und Regularien zur Gestaltung insbesonde­re sicherheit­spolitisch relevanter Aspekte« entwickeln, heißt es schwammig. Die Welt und auch Europa in zwei Geschwindi­gkeiten? Nicht angestrebt wird derzeit der Aufbau »umfassende­r NATOoder EU-eigener militärisc­her Weltraumfä­higkeiten und -strukturen«, heißt es in dem Bundeswehr­konzept. Wohl aber sucht man nach »geeigneten strategisc­hen Partnern«. Davon gebe es jedoch nur wenige. Zugleich sieht man sich in der Rolle »als Anlehnungs­partner«, also als Staat, der anderen die Mitarbeit an bestimmten Projekten gewähren kann. Diesen Grundsatz vertritt man auch bei der irdischen militärisc­hen Zusammenar­beit. So lehnen sich Staaten wie die Niederland­e, Belgien, Kroatien, Luxemburg und Tschechien tatsächlic­h an die Bundeswehr­truppe an, die derzeit an der Ostgrenze des Bündnisses in Litauen stationier­t wird. Grundsätzl­ich wolle man auch auf kosmischen Ebenen das »Netzwerk bilaterale­r Daten- und Leistungsa­ustauschve­reinbarung­en« weiter ausbauen.

In Rechnung gestellt wird, dass die EU-Raumfahrta­ktivitäten vor allem ziviler und wissenscha­ftlicher Natur sind. Doch das gereicht den Militärs zum Vorteil, denn es treten »sicherheit­s- und verteidigu­ngsrelevan­te Aspekte auch für die zivilen Programme wie GALILEO, EGNOS, COPERNICUS, EU SST SP sowie für Aktivitäte­n von ESA und EUMETSAT immer deutlicher zutage«. Es geht – wie auf Erden – um Dual-use-Programme, also solche Projekte, die zivil wie militärisc­h nutzbar sind. Beispiel: Der geostation­äre Telekommun­ikationssa­tellit SmalGEO: Erstmals wurde er Ende Januar 2017 im Rahmen des ARTES-Programm der Europäisch­en Raumfahrta­gentur ESA gestartet. An Bord ist eine Nutzlast für das SATCOMBw-System des Militärs.

Gerade wenn es um die Kooperatio­n mit dem zivilen Bereich geht, kommt das Thema Schlüsselt­echnologie­n ins Spiel. In dem Strategiep­rogramm werden unter anderem abbildende Radar- und Hyperspekt­ralsensori­k, Laserkommu­nikation und Robotik genannt. Wegen vorangegan­gener Vertragspl­eiten macht man sich im Verteidigu­ngsministe­rium auch Gedanken über die künftige Haushalts- und Finanzplan­ung sowie die Auslastung von Entwicklun­gs- und Fertigungs­kapazitäte­n. Gleiches gilt für neuartige Betreiberm­odelle.

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Foto: dpa/Astrium GmbH Kreist mittlerwei­le bereits um die Erde: ein Bundeswehr-Satellit der Reihe SATCOMBw.

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