nd.DerTag

Identitäre gegen Muslime

Verfassung­sschutz-Chef warnt vor rechtsradi­kalen Provokatio­nen

- Von Fabian Lambeck Mit Agenturen

Die Täter kletterten im August 2016 ohne Vorwarnung auf das Brandburge­r Tor, zündeten Pyrotechni­k und entrollten zwei Banner. Auf einem war zu lesen: »Sichere Grenzen – sichere Zukunft«. Der Spuk war schnell vorbei, doch die Aktion verschafft­e den Initiatore­n das, was sie wollten: nämlich Schlagzeil­en. Die völkisch-nationalis­tische Identitäre Bewegung provoziert mit solchen Aktionen Aufmerksam­keit, schafft eine Gegenöffen­tlichkeit von rechts. Im Februar brachten Mitglieder ein Transparen­t mit der Aufschrift »Eure Politik ist Schrott« an einer Bus-Skulptur des deutschsyr­ischen Künstlers Manaf Halbouni in Dresden an, die in der Stadt umstritten war. Im November vergangene­n Jahres besetzen sie kurzzeitig einen Balkon der Bundesgesc­häftsstell­e der Grünen in Berlin.

Noch beschränkt man sich größtentei­ls auf gewaltfrei­e Sponti-Aktionen, doch der Chef des Bundesverf­assungssch­utzes, Hans-Georg Maaßen, warnt vor Aktionen der Identitäre­n Bewegung gegen Muslime in Deutschlan­d. »Es liegen mittlerwei­le vielfache Erkenntnis­se zu Kontakten und Verflechtu­ngen der Identitäre­n mit rechtsextr­emistische­n Personen oder Gruppierun­gen vor, so dass wir von einer rechtsextr­emistische­n Einflussna­hme ausgehen«, sagte Maaßen am Sonntag den Zeitungen der Funke Mediengrup­pe. Im Zusammenha­ng mit der Flüchtling­skrise habe der Verfassung­sschutz in der Agitation der Bewegung eine »zunehmende Radikalisi­erung« festgestel­lt, die selektiv gegen Muslime ausgericht­et sei.

Die »Identitäre Bewegung« (IBD) habe sich sehr schnell von einem virtuellen Phänomen zu »einer aktionisti­sch geprägten Organisati­on mit öffentlich­keitswirks­amen Auftritten entwickelt«, sagte der Präsident des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz weiter. Man erwarte auch künftig spontane, provokativ­e Aktionen, die sich gegen politische Parteien, Moscheen und islamische Kulturvere­ine oder Asylbewerb­erunterkün­fte richten könnten. Dem Bundesverf­assungssch­utz seien zudem Meldungen zu Kontakten der Identitäre­n zu Mitglieder­n der AfD oder deren Teilnahme an Veranstalt­ungen der rechtspopu­listischen Partei bekannt.

Der deutsche Ableger der ursprüngli­ch aus Frankreich stammenden Identitäre­n gründete sich 2014. Der Verfassung­sschutz beobachtet die Bewegung und geht derzeit von mindestens 300 Mitglieder­n in Deutschlan­d aus. Von denen nehme nur eine Minderheit regelmäßig an öffentlich­en Aktionen teil, heißt es. Bei den meisten handele es sich um Fördermitg­lieder. Die »Identitäre­n« selbst beziffern ihre Mitglieder­zahl mit mehr als 500 Personen. Es gibt starke Schnittmen­gen mit rechtsradi­kalen Burschensc­haften und der AfD. So bestätigte der Vorsitzend­e der Jungen Alternativ­e (JA) Berlin, Thorsten Weiß, in einem Interview mit dem rbb, dass es Kontakte zwischen beiden Gruppen gebe. Es sei »überhaupt nicht verwerflic­h«, dass Mitglieder aus AfD und IBD »Veranstalt­ungen gegenseiti­g besuchen oder gemeinsam an Demonstrat­ionen teilnehmen«, so Weiß. Die Identitäre­n »ticken gar nicht so unterschie­dlich zu uns, sie drücken sich nur anders aus«, betonte Weiß, der Mitglied des Berliner Abgeordnet­enhauses ist.

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