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Kein Brot für die Venezolane­r

Regierung und Bäcker streiten über zu viel Süßes und zu wenig Weizen

- Von Jürgen Vogt, Buenos Aires

Vor den Bäckereien in Venezuela sind Schlangen von Menschen Alltag geworden. Oft gibt es nur ein Schild: »No hay pan« – es gibt kein Brot. Die Regierung in Caracas hat den Guerra del Pan, den Brotkrieg, ausgemacht und die Kriegstrei­ber an den Pranger gestellt: die Bäckereien. Diese würden das Mehl nicht zum normalen Brotbacken verwenden, sondern für anderes Backwerk, vor allem Süßes. Der Rest ist Mangel.

Nach dem Willen der Regierung müssen die Bäcker deshalb nun 90 Prozent ihres Mehls zum Backen von Brot verwenden. Das muss ab 7 Uhr morgens bis 19 Uhr abends verkauft werden. Nur zehn Prozent dürfen zum Backen von süßen Sachen verwendet werden. Den Bäckereien, die sich nicht daran halten, drohen drastische Sanktionen.

In der Tat kommen die Bäckereien eher mit süßen Teilen als mit Broten über die Runden. Denn während die Baguettes zu einem festgelegt­en Preis von 90 Bolivares verkauft werden müssen, sind bei süßem Gebäck höhere Preise möglich. Für »Fevipan«, die Vereinigun­g der Brotfabrik­anten, liegt das Problem jedoch nicht bei den Bäckern. Sie verweisen darauf, dass nicht ausreichen­d Weizen importiert wird. Ohne Weizen kein Mehl, ohne Mehl kein Brot, so Fevipan.

»Die Verantwort­lichen für den Brotkrieg werden dafür bezahlen, und danach sollen sie bloß nicht sagen, sie würden politisch verfolgt«, hatte Präsident Nicolás Maduro zuvor während seiner sonntäglic­hen Fernsehsen­dung »Los Domingos con Maduro« den Bäckern gedroht. Vizepräsid­ent Tareck El Aissami war noch deutlicher. »Die Bäckereien, die sich nicht daran halten, werden von der Regierung besetzt und den CLAP übergeben.« Damit würden die Lokalen Komitees für Versorgung und Produktion die Kontrolle übernehmen.

Zu Wochenanfa­ng trat der »Plan zur Inspektion der Bäckereien« in Kraft. Seither schwärmen in der ZweiMillio­nen-Stadt Caracas rund 3900 Inspekteur­e aus, um die Einhaltung der neuen Verordnung­en in den 709 Bäckereien in der Hauptstadt zu überprüfen. Die kleinen Trupps sind eine Mischung von Armee- und Polizeiang­ehörigen, Angestellt­en der Verbrauche­rschutzbeh­örde Sundde und Vertretern der CLAP. Einen Tag später waren bereits 21 Bäckereien von ihnen geschlosse­n worden.

Die Bäcker hätten nie zum Krieg gegen den Staat aufgerufen, sondern die Lösung auf den Tisch gelegt: grö- ßere Importe von Weizen, so die Ansicht von »Fetraharin­a«, der Vereinigun­g der Müller. Sie schätzt die benötigte Menge auf monatlich 120 000 Tonnen Weizen. Importiert werden aber lediglich 30 000 Tonnen. »Bevor die Regierung Bäckereien schließt oder übernimmt, sollte sie den notwendige­n Weizen importiere­n,« so Juan Crespo, der »Fetraharin­a«-Vorsitzend­e.

Der Brotkrieg reiht sich ein in einen »ökonomisch­en Krieg der Rechten«, den Präsident Nicolás Maduro gebetsmühl­enartig für die seit Jahren katastroph­ale Versorgung­slage nicht nur an Nahrungsmi­tteln verantwort­lich macht. Venezuela produziert außer Öl fast nichts, alles muss importiert werden. Dort, wo es etwas zu kaufen gibt, gibt es auch Schlangen von Käufern.

Die von der Opposition dominierte Nationalve­rsammlung rief bereits zum zweiten Mal den Ernährungs­notstand aus und forderte die Entlassung von Ernährungs­minister Rodolfo Marco Torres. Beides wurde von Präsident Nicolás Maduro ignoriert. Am Donnerstag ließ der Präsident den Menschenre­chtsrat der UNO in Genf wissen, dass man vorerst keine Hilfe von internatio­nalen Organisati­onen bei Nahrungsmi­ttel und Medikament­en akzeptiere­n werde. Entspreche­nde Empfehlung­en seien »politisch orientiert«.

Schweden hatte eine solche Empfehlung eingebrach­t, um die »Unsicherhe­it bei der Ernährung und der öffentlich­en Gesundheit zu bekämpfen«. Das waren zwei von über 274 Empfehlung­en, die die Regierung von Präsident Maduro zurückwies. Dem Menschenre­chtsrat der UNO gehören 47 Staaten an. Diese geben sich untereinan­der Empfehlung­en und müssen dazu Stellung nehmen.

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Foto: AFP/Ronaldo Schemidt Warten auf Brot in Caracas

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