Kein Brot für die Venezolaner
Regierung und Bäcker streiten über zu viel Süßes und zu wenig Weizen
Vor den Bäckereien in Venezuela sind Schlangen von Menschen Alltag geworden. Oft gibt es nur ein Schild: »No hay pan« – es gibt kein Brot. Die Regierung in Caracas hat den Guerra del Pan, den Brotkrieg, ausgemacht und die Kriegstreiber an den Pranger gestellt: die Bäckereien. Diese würden das Mehl nicht zum normalen Brotbacken verwenden, sondern für anderes Backwerk, vor allem Süßes. Der Rest ist Mangel.
Nach dem Willen der Regierung müssen die Bäcker deshalb nun 90 Prozent ihres Mehls zum Backen von Brot verwenden. Das muss ab 7 Uhr morgens bis 19 Uhr abends verkauft werden. Nur zehn Prozent dürfen zum Backen von süßen Sachen verwendet werden. Den Bäckereien, die sich nicht daran halten, drohen drastische Sanktionen.
In der Tat kommen die Bäckereien eher mit süßen Teilen als mit Broten über die Runden. Denn während die Baguettes zu einem festgelegten Preis von 90 Bolivares verkauft werden müssen, sind bei süßem Gebäck höhere Preise möglich. Für »Fevipan«, die Vereinigung der Brotfabrikanten, liegt das Problem jedoch nicht bei den Bäckern. Sie verweisen darauf, dass nicht ausreichend Weizen importiert wird. Ohne Weizen kein Mehl, ohne Mehl kein Brot, so Fevipan.
»Die Verantwortlichen für den Brotkrieg werden dafür bezahlen, und danach sollen sie bloß nicht sagen, sie würden politisch verfolgt«, hatte Präsident Nicolás Maduro zuvor während seiner sonntäglichen Fernsehsendung »Los Domingos con Maduro« den Bäckern gedroht. Vizepräsident Tareck El Aissami war noch deutlicher. »Die Bäckereien, die sich nicht daran halten, werden von der Regierung besetzt und den CLAP übergeben.« Damit würden die Lokalen Komitees für Versorgung und Produktion die Kontrolle übernehmen.
Zu Wochenanfang trat der »Plan zur Inspektion der Bäckereien« in Kraft. Seither schwärmen in der ZweiMillionen-Stadt Caracas rund 3900 Inspekteure aus, um die Einhaltung der neuen Verordnungen in den 709 Bäckereien in der Hauptstadt zu überprüfen. Die kleinen Trupps sind eine Mischung von Armee- und Polizeiangehörigen, Angestellten der Verbraucherschutzbehörde Sundde und Vertretern der CLAP. Einen Tag später waren bereits 21 Bäckereien von ihnen geschlossen worden.
Die Bäcker hätten nie zum Krieg gegen den Staat aufgerufen, sondern die Lösung auf den Tisch gelegt: grö- ßere Importe von Weizen, so die Ansicht von »Fetraharina«, der Vereinigung der Müller. Sie schätzt die benötigte Menge auf monatlich 120 000 Tonnen Weizen. Importiert werden aber lediglich 30 000 Tonnen. »Bevor die Regierung Bäckereien schließt oder übernimmt, sollte sie den notwendigen Weizen importieren,« so Juan Crespo, der »Fetraharina«-Vorsitzende.
Der Brotkrieg reiht sich ein in einen »ökonomischen Krieg der Rechten«, den Präsident Nicolás Maduro gebetsmühlenartig für die seit Jahren katastrophale Versorgungslage nicht nur an Nahrungsmitteln verantwortlich macht. Venezuela produziert außer Öl fast nichts, alles muss importiert werden. Dort, wo es etwas zu kaufen gibt, gibt es auch Schlangen von Käufern.
Die von der Opposition dominierte Nationalversammlung rief bereits zum zweiten Mal den Ernährungsnotstand aus und forderte die Entlassung von Ernährungsminister Rodolfo Marco Torres. Beides wurde von Präsident Nicolás Maduro ignoriert. Am Donnerstag ließ der Präsident den Menschenrechtsrat der UNO in Genf wissen, dass man vorerst keine Hilfe von internationalen Organisationen bei Nahrungsmittel und Medikamenten akzeptieren werde. Entsprechende Empfehlungen seien »politisch orientiert«.
Schweden hatte eine solche Empfehlung eingebracht, um die »Unsicherheit bei der Ernährung und der öffentlichen Gesundheit zu bekämpfen«. Das waren zwei von über 274 Empfehlungen, die die Regierung von Präsident Maduro zurückwies. Dem Menschenrechtsrat der UNO gehören 47 Staaten an. Diese geben sich untereinander Empfehlungen und müssen dazu Stellung nehmen.