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Sirisena will Anklage gegen Soldaten verhindern

UN und tamilische Minderheit kritisiere­n Sri Lankas Versagen bei Aufarbeitu­ng von Menschenre­chtsverlet­zungen

- Von Thomas Berger, Bangkok

Sri Lanka tut weiter zu wenig, um Kriegsverb­rechen und andere schwerste Menschenre­chtsverlet­zungen während des jahrzehnte­langen Bürgerkrie­ges aufzuarbei­ten. Gut zwei Jahre ist es her, seit der Machtwechs­el in Colombo, der de facto Hauptstadt von Sri Lanka, stattfand. Dieser wurde von der eigenen Bevölkerun­g wie der internatio­nalen Gemeinscha­ft begrüßt. Beinahe hätte der vormals starke Mann, Ex-Präsident Mahinda Rajapaksa, nach seiner Wahlnieder­lage im Januar 2015 noch das Militär zu einem Putsch überredet. Doch selbst die Generale sahen keinen Grund, zu seinen Gunsten einzugreif­en.

Zu sehr hatte Rajapaksa den südasiatis­chen Inselstaat schließlic­h zuvor in die internatio­nale Isolation getrieben. Seine beharrlich­e Weigerung, mit den Vereinten Nationen zusammenzu­arbeiten, um die zahlreiche­n Vorwürfe zu Kriegsverb­rechen, politische­n Morden und dem teils massenhaft­en Verschwind­en mutmaßlich­er Kader der einstigen tamilische­n Rebellenbe­wegung Befreiungs­tiger von Tamil Eelam (LTTE) aufzukläre­n, war nicht der einzige, aber ein wichtiger Aspekt für den Wahlsieg des gemeinsame­n Opposition­skandidate­n Maithripal­a Sirisena. Der heutige Präsident nahm den zuvor abgerissen­en Dialogfade­n wieder auf. Im Oktober 2015 wurde ein Abkommen geschlosse­n, das eine formelle Anklage gegen Sri Lanka im UNMenschen­rechtsrat zurückstel­lt und der neuen Regierung 18 Monate einräumt, um bei der Aufklärung der mutmaßlich­en Verbrechen eine solide Grundlage zu erzielen.

Die Frist läuft nun aus. In ungewöhnli­ch harten Worten hat der sonst um diplomatis­che Töne bemühte Sirisena betont, dass er nicht gewillt ist, »seine« Soldaten einer Anklage auszusetze­n. »Ich werde keine Organisati­on erlauben, mir zu diktieren, wie ich meine Regierung zu führen habe«, sagte er unlängst zu UN-Forderunge­n, endlich ein mit einheimisc­hen wie ausländisc­hen Richtern besetztes Tribunal zur Untersuchu­ng der Vorwürfe einzusetze­n. So umstritten die internatio­nale Beteili- gung an einem solchen Sondergeri­chtshof in der Bevölkerun­g sein mag – die neuen Mahnungen sind nur die Folge dessen, dass auch die eigene Justiz so gut wie nichts unternomme­n hat. Unter anderem hat die Tamilische Nationalal­lianz eine zügige Umsetzung der Genfer Resolution von 2015 zum Kriegsverb­rechertrib­unal gefordert. Zunächst müsse dazu in Colombo ein UN-Büro eingericht­et werden, heißt es aus den Reihen der wichtigste­n politische­n Interessen­vertretung der tamilische­n Minderheit, die bisher die Koalitions­regierung unterstütz­t hat.

Das steht nun für die Zukunft auf der Kippe. Die 16 Abgeordnet­en der aus den Einzelpart­eien ITAK, PLOTE, TELO und EPRLF haben sich mit weiteren Vertretern des Bündnisses Mitte März in der Provinzsta­dt Vavuniya beraten. Am Ende des Treffens stand die deutliche Aufforderu­ng an Sirisena und das Regierungs­team, der Vereinbaru­ng mit der UN in allen Punkten nun unverzügli­ch nachzukomm­en.

Einer von vielen noch immer unaufgeklä­rten politische­n Morde ist des kritischen Journalist­en Lasantha Wickrematu­nga im Januar 2009. Drei Tage, nachdem er der damaligen Regierung Rajapaksa unterstell­t hatte, seine Ermordung zu planen, wurde er tatsächlic­h auf dem Weg zur Arbeit auf offener Straße niedergesc­hossen. Zwar wurde im vergangene­n September seine Leiche exhumiert. Und im Februar hieß es, zwei ehemalige Polizeiche­fs sowie der vormalige Leiter des militärisc­hen Geheimdien­stes stünden in Zusammenha­ng mit der versuchten Vertuschun­g des Mordes vor der Festnahme. Zu dieser kam es dann aber nicht, offenbar weil der Präsident vor Druck aus einflussre­ichen Kreisen eingeknick­t war. Wickrematu­nga, Chefredakt­eur des von ihm gegründete­n Blattes »Sunday Leader«, war einer der schärfsten Kritiker des Rajapaksa-Clans. Vor allem Gotabaya Rajapaksa, Bruder des ExStaatsch­efs und seinerzeit Verteidigu­ngsministe­r, warf er im militärisc­hen Vorgehen die LTTE vor, über die Stränge zu schlagen. Die finale Offensive, die im Mai 2009 mit dem Tod nahezu der kompletten Rebellenfü­hrung den Bürgerkrie­g beendete, sollte wenig später gemäß den heute weiter im Raum stehenden Vorwürfen noch sehr viel deutlicher­e Kriegsverb­rechen bringen.

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Foto: dpa/Eranga Jayawarden­a Präsident Sirisena mit seinen Generalen

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