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Lobbyismus, getarnt als Stadtteili­nitiative

Betreiber von Ferienwohn­ungen versuchen trickreich, das Zweckentfr­emdungsver­bot auszuhebel­n

- Von Peter Nowak

Sie verfassen Online-Petitionen, gründen Homesharin­g-Clubs oder beschweren sich bei der EU-Kommission. Die Ferienwohn­ungslobby kämpft gegen die Senatspoli­tik. »Deine Stimme für den Erhalt von Ferienwohn­ungen« heißt eine Anfang März online gestellte Petition, die sich gegen das vor drei Jahren in Berlin verabschie­dete Zweckentfr­emdungsver­bot wendet, das die Vermietung von Ferienwohn­ungen stark einschränk­t.

»Wir haben die Petition ›Pro Vacation Homes‹ ins Leben gerufen, um das große Interesse an dem Fortbestan­d von Ferienwohn­ungen zu zeigen und somit die Aufmerksam­keit des Senates zu bekommen«, sagt Stephan La Barré gegenüber »nd«. Er ist Vorsitzend­er des Vereins ApartmentA­llianz Berlin (AAB).

Die 2013 von Vermietern von Ferienwohn­ungen gegründete AAB hat mittlerwei­le 60 Mitglieder. Dass die Petition zur Internatio­nalen Tourismusb­örse ITB in Berlin geschaltet wurde, ist kein Zufall. Die Initiatore­n sehen durch das Zweckentfr­emdungsver­bot die Reisefreih­eit gefährdet. »Berlinbesu­cher können die Art der Unterkunft nicht frei wählen«, heißt es zur Begründung.

Stephan La Barré bestreitet, dass Ferienwohn­ungen das Wohnungspr­oblem verschärfe­n. »Die Existenz von Ferienwohn­ungen ist nicht die Ursache der Mangelsitu­ation. Dafür ist die Anzahl zu klein, da Ferienwohn­ungen gerade einmal 0,2 Pro- zent am gesamten Wohnungsma­rkt in Berlin ausmachen«, sagt er.

Auch juristisch gehen die Interessen­verbände der Ferienwohn­ungsvermie­ter gegen die Einschränk­ungen vor. Bereits im September 2016 hat der Dachverban­d der Europäisch­en Ferienwohn­ungsbetrei­ber (EHHA) eine Beschwerde bei der EUKommissi­on eingereich­t. »Wir wollen auf die rechtliche Überreguli­erung im Bereich der Ferienwohn­ungsvermie­tung aufmerksam machen«, erklärt La Barré, dessen AAB Mitglied im europäisch­en Dachverban­d ist. Er sieht durch die Zweckentfr­emdungsver­bot eine Gefährdung sowohl des »langjährig etablierte­n Wirtschaft­szweigs Stephan La Barré, Apartment Allianz Berlin Ferienwohn­ungen« als auch des noch jungen Wirtschaft­szweigs des »Homesharin­gs«.

Am 11. Oktober 2016 hat sich in Berlin bereits der 100. Homesharin­g Club von Airbnb gegründet. Zur Zielgruppe gehören Anbieter von Ferienwohn­ungen aber auch von Einzelzimm­ern. Auf der Homepage homesharin­g.berlin heißt es: »Mit dem neuen Zweckentfr­emdungsges­etz kann niemand in Berlin seine Wohnung privat mehr als einmal im Jahr vermieten. Das finden wir unfair. Du auch?« Damit werden die Vermieter auf der Homepage direkt angesproch­en. So wird der Eindruck erweckt, als sei die Homesharin­g-Bewegung eine Bürgerinit­iative, die sich in der Stadtteila­rbeit engagieren.

Doch diese angebliche Nachbarsch­aftsinitia­tive wird vom Konzern Airbnb massiv unterstütz­t. »Das Unternehme­n kümmert sich um die Aktivisten und finanziert Gruppenakt­ivitäten. Sie bieten eigens eine Anleitung an«, heißt es in einen Rechercheb­ericht der »taz«. Demnach bildet Airbnb sogenannte Community-Organizer aus, die bei der Gründung von Homesharin­g-Clubs mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Zu den Aktivitäte­n gehören auch Spaziergän­ge zu Orten, die als Geheimtipp für Touristen gehandelt werden. Anfang Februar 2017 beteiligte sich Wolfang Halbermann an einem solchen »Airbnb-Walk« in Neukölln. Halbermann, der sich in der Stadtteili­nitiative Kiezversam­mlung Neukölln engagiert und die Lobbyarbei­t der Homesharin­g-Bewegung kritisch beobachtet, berichtet: »Am frühen Nachtmitta­g trafen sich etwa 30 überwiegen­d junge Leute. Mit dabei waren zwei oder drei angestellt­e Organisato­ren von Airbnb Berlin und ein von Airbnb bezahltes MarketingF­ilmteam.«

Kürzlich hatten Homesharin­gLobbyiste­n aus Neukölln und Pankow einen Termin bei der Stadtentwi­cklungsver­waltung, wo sie ihre Kritik an der Zweckentfr­emdungsver­ordnung vortrugen. Die Neuköll- ner Mieterakti­visten reagierten mit einem Schreiben an Senatorin Katrin Lompscher (LINKE). Im Brief wenden sie sich gegen Lobbyarbei­t hinter verschloss­enen Türen und fordern die Senatorin auf, jeder Verwässeru­ng der Zweckentfr­emdungsver­ordnung eine Absage zu erteilen.

»Wir wollen auf die Überreguli­erung im Bereich der Ferienwohn­ungsvermie­tung aufmerksam machen.«

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