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»Bitte schmeiß dich nicht hin!«

Der Österreich­er Stefan Kraft schraubt den Skiflugwel­trekord auf 253,5 Meter

- Von Erik Roos, Vikersund SID/nd

Mit einem Weltrekord­flug auf 253,5 Meter und seinem Gesamtsieg krönte Stefan Kraft am »Monsterbak­ken« eine furiose Saison. Irgendwann könnte die 300-m-Marke geknackt werden. Stefan Kraft stapfte nach seinem spektakulä­ren Weltrekord­flug noch einmal zurück auf den Hang. Genau dort, wo der Österreich­er kurz zuvor nach unglaublic­hen 253,5 m zur Landung angesetzt hatte, ging Kraft in die Knie und deutete mit dem Finger in den Schnee. »Hier war es. Wahnsinn, einfach Wahnsinn. Genau dafür fängt man mit dem Skispringe­n an«, sagte der 23-Jährige nach seinem Vorstoß in neue Dimensione­n.

Nur zwei Wochen nach Doppelgold bei den Weltmeiste­rschaften in Lahti setzte Kraft mit der Bestmarke und seinem Gesamtsieg bei der neuen »Raw Air«-Serie vor Kamil Stoch (Polen) und Andreas Wellinger seinem Traumwinte­r die Krone auf. Auf dem Monsterbak­ken in Vikersund, der größten Schanze der Welt, flog und flog er, lag sechs Sekunden in der Luft, sieben, acht – und setzte in letzter Sekunde zu einer höchst wackligen Landung an. Kraft blieb mit Mühe auf den Ski, der Rest war Jubel.

»Bei 100 Metern habe ich gemerkt: Jetzt geht es richtig ab, das wird ein Weltrekord. Bei 200 Metern dachte ich nur noch: Bitte steh den Sprung, schmeiß dich nicht hin«, sagte Kraft. Es klappte: Das Flugwunder brachte wenige Millimeter zwischen sein Gesäß und den Schnee, nur einer der fünf Sprungrich­ter wertete die Landung als Sturz. So zählte der Flug offiziell als Weltrekord. »Das war pures Adrenalin«, sagte Kraft.

Dabei war erst wenige Minuten zuvor war der Norweger Robert Johansson auf 252 Meter gesegelt und hatte den zwei Jahre alten Weltrekord seines Landsmanns Anders Fannemel um einen halben Meter verbessert. »Vielleicht ist jetzt noch ein halber Meter oder ein Meter mehr drin – dann wird es gefährlich«, sagte Norwegens Nationaltr­ainer Alexander Stöckl. Sein Satz war kaum beendet, da belehrte ihn Kraft eines Besseren.

Und die Weitenjagd geht weiter, sogar 300 Meter sind nicht ausgeschlo­ssen. »Vor 20 Jahren konnte sich kaum jemand vorstellen, dass es mal weiter als 250 Meter gehen würde. Ich hoffe, dass irgendwann auch Flüge an die 300-Meter-Marke möglich sind. Das wäre gigantisch«, sagt Fannemel. Der Skandinavi­er war zwei Jahre lang mit der »251,5« auf seinen Ski an den Start gegangen. Die kann er nun in die Ecke stellen.

Auch Renndirekt­or Walter Hofer weiß, dass »300 Meter und mehr theoretisc­h möglich sind«. Doch der Weltverban­d, der 1986 den Weltrekord sogar über Jahre bei 191 Metern »einfror«, bleibt vorsichtig. »Wir wollen keine Rekordjagd um jeden Preis«, sagt Hofer. Ohnehin müsste dafür eine der weltweit nur fünf Flugschanz­en umgebaut werden.

Stefan Kraft war diese Diskussion herzlich egal, der Österreich­er genoss lieber den Moment. »Ich habe Weltrekord­e bisher immer nur im Fernsehen gesehen. Das ist ein riesiger Rummel, der ganze Skisprungz­irkus flippt aus«, sagte der neue Weltrekord­halter und schaute noch einmal auf die Stelle im Schnee, an der er Geschichte geschriebe­n hatte: »Das war megagenial.«

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Foto: imago/GEPA pictures

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