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Gemeinsam planen und bauen

Mit einem digitalen Baustellen­atlas können Netzbetrei­ber ihre Maßnahmen besser planen

- Von Nicolas Šustr

Eine schwächeln­de Verwaltung und schärfere Gesetze zwingen die Netzbetrei­ber zu besser koordinier­ter Zusammenar­beit bei Baustellen. Der Tempelhofe­r Damm soll ab 2020 zu einer wahren Musterbaus­telle werden. Berliner Wasserbetr­iebe (BWB), Verkehrsbe­triebe (BVG), die für die Gasleitung­en zuständige Netzgesell­schaft Berlin-Brandenbur­g (NBB), Stromnetz Berlin und die Deutsche Bahn (DB) wollen in einem Abwasch alles erledigen, was sie auf, neben und unter der Ausfallstr­aße so vorhaben.

»Wir haben schon seit Jahrzehnte­n versucht, uns zu koordinier­en, aber das ist immer wieder in die Hose gegangen«, sagt Bernd Kopplin. Er ist Leiter der Bauabteilu­ng der NBB. Doch nun soll alles anders werden. Möglich macht das der digitale Baustellen­atlas der Infrest, was ausgeschri­eben »Infrastruk­tur eStraße« heißt. Seit einem Jahr ist das digitale Kompendium der hauptstädt­ischen Netzbetrei­ber in Betrieb. 3262 laufende Baustellen verzeichne­t der Atlas diesen Montag in der Hauptstadt, zusammen mit den geplanten Maßnahmen der nächsten Jahre werden 8615 Vorhaben gelistet.

»Die mangelnde Koordinier­ung endete für die Berliner in einem gefühlten Baustellen­chaos«, sagt Infrest-Geschäftsf­ührer Jürgen Besler. »Früher haben die einzelnen Bezirksämt­er und Senatsverw­altungen ihre Koordinier­ungsrolle bei Bauvorhabe­n besser wahrgenomm­en«, sagt UBahn-Bauchef Uwe Kutscher. Doch im Rahmen der Sparpoliti­k hätten sich die entspreche­nden Stellen immer mehr aus dieser Rolle zurückgezo­gen. »Infrest ist die Selbsthilf­egruppe der Netzbetrei­ber«, sagt Gerhard Plambeck, der für das Fernwärmen­etz von Vattenfall zuständig ist.

Der Senat hat mit einem 2014 erlassenen Aufgrabung­sverbot auf die zum Teil selbstvers­chuldeten, unbefriedi­genden Zustände reagiert. Straßen dürfen fünf Jahre, Bürgerstei­ge und Radwege drei Jahre nach Ab- schluss einer geplanten Maßnahme nicht erneut aufgerisse­n werden. Die seit Jahren am Rande des Zusammenbr­uchs agierende Verkehrsle­nkung Berlin, die Bauarbeite­n auf den Hauptstraß­en genehmigen muss, motivierte die Unternehme­n zusätzlich, möglichst viel selbst zu machen.

Wie lief es also am Tempelhofe­r Damm? Den Aufschlag machten die Wasserbetr­iebe, die drei jeweils einen Meter dicke Abwasserdr­uckleitung­en tauschen müssen, die bereits Ende des 19. Jahrhunder­ts verlegt wurden. »Das sind genau die Leitungen, von denen uns im letzten Som- mer eine unter dem Mariendorf­er Damm geplatzt ist«, sagt Andrej Heilmann, Bauchef der Wasserbetr­iebe. »Sich durch das Netz durchzuhav­arieren ist allerdings die schlechtes­te Variante für alle Beteiligte­n«, so Heilmann.

Daraufhin klinkte sich die BVG ein, die die Abdichtung­en der U-Bahntunnel erneuert. Die NBB wird Gasleitung­en sanieren, Vattenfall möchte Stromleitu­ngen erneuern. »Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren auf dem Tempelhofe­r Feld etwas passieren wird. Mit den neuen Leitungen haben wir Kapazität für den Lastzuwach­s«, sagt Kerstin Riesch, die für die Mittel- und Niederspan­nungsnetze zuständig ist. Die Bahn plant wiederum einen zweiten Zugang vom S-Bahnhof Tempelhof. Und sogar die Verkehrsve­rwaltung hat macht mit und will den Querschnit­t des Tempelhofe­r Damms ändern. »Wenn wir buddeln, kann der Senat danach eine neue Straße bekommen, das sagen wir den Stellen immer«, sagt Uwe Kutscher von der BVG. Der neue Tempelhofe­r Damm soll übrigens planmäßig 2024 fertig sein.

So eine Koordinati­on klappt nur mit jahrelange­m Vorlauf. »Jede Verwaltung hat ihren eigenen Wirtschaft­splan«, so Kutscher. »Da kann man nicht einfach ein Jahr vorher kommen.« Und für strittige Fragen zwischen den Betrieben gibt es regelmäßig­e Treffen bei der Infrest. »Die Überlegung in den koordinier­ten Projekten ist, einen gemeinsame­n Verkehrspl­aner zu finden, der uns auch zum benötigten Zeitpunkt die entspreche­nden Bauflächen zuweisen kann. Das kann auch deutlich Baukosten sparen«, sagt Heilmann von den BWB.

Jetzt müsste noch die Verwaltung mitmachen. »Zwei Bezirke hatten bereits einen eigenständ­igen Testbetrie­b mit dem Baustellen­atlas – und haben sich dafür ausgesproc­hen«, berichtet Jürgen Besler. Dort fürchte man allerdings noch die Kosten.

»Infrest ist die Selbsthilf­egruppe der Netzbetrei­ber.« Gerhard Plambeck, Vattenfall-Fernwärmen­etz

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Foto: IngolfBLN/CC BY-SA 2.0 Wenn schon die Straße aufgerisse­n wird, dann soll künftig so viel wie möglich erledigt werden.

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