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Stolperste­ine für drei jüdische Opfer

- Von Andreas Fritsche

An 16 Adressen in Luckenwald­e erinnern Stolperste­ine an 35 Opfer des Faschismus. Die drei jüngsten Steine liegen seit Montag vor der Breiten Straße 18 und am Haag 1. Der Landtagsab­geordnete Sven Petke (CDU) kümmert sich fürsorglic­h um das Wohl der Polizisten. Den beiden Beamten, die am Montagvorm­ittag ihren Streifenwa­gen in der Breiten Straße in Luckenwald­e geparkt haben, um die Verlegung von Stolperste­inen zu schützen, bringt er Kaffee. »Die kümmern sich um uns«, betont Petke. Schließlic­h habe es bei ähnlichen Anlässen früher leider schon Vorfälle gegeben.

Das bestätigt sich etwa eine halbe Stunde später. Der Künstler Gunter Demnig hat zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Stolperste­ine für die jüdischen Naziopfer Anna und Julius Hoffnung vor dem Haus Nummer 18 im Gehweg platziert und Landtagsvi­zepräsiden­t Dieter Dombrowski (CDU) hält eine Ansprache. Da radeln hinten zwei ältere Männer durch und einer meckert unflätig: »Ach du Scheiße, Gedenken. Dafür haben die Geld.«

Die 34 Bürger, die zur Verlegung der Steine gekommen sind und Dombrowski zuhören, bekommen davon allerdings nichts mit. Andere Passanten bleiben kurz stehen, um zu schauen, was hier gerade geschieht. Nach einer Weile laufen sie wortlos weiter.

Bis jetzt lagen in Luckenwald­e schon 32 Stolperste­ine an 14 ver-

»Die Shoa darf nie vergessen werden.« Yair Even, Gesandter Israels

schiedenen Adressen. Am Montag kamen die zwei Steine für das Ehepaar Hoffnung dazu, und um die Ecke, am Haag 1, noch ein Stolperste­in für Henriette Spitz. Henriette war die Ehefrau des Kaufmanns Jacob Spitz, der 1936 im Alter von 89 Jahren im Krankenhau­s starb. Henriette wurde 1942 – im Alter von 82 Jahren – in ein Arbeitslag­er verschlepp­t. Sie starb am 11. März 1943 im Siechenhei­m der Jüdischen Gemeinde in Berlin-Mitte.

Julius Hoffnung war Arzt und ein wohlhabend­er Mann. Er war der zweite Autobesitz­er in Luckenwald­e. Das erste Auto im Ort fuhr ein Pianofabri­kant. Seine Praxis hatte Julius Hoffnung in der Breiten Straße 18. Die Familie wohnte dort auch. Die Kinder Lisbeth und Rudolf wurden in dem Haus geboren. Ihnen gelang später noch rechtzeiti­g die Emigration. Lisbeth wanderte 1939 nach England aus, Rudolf war bereits 1934 nach Palästina gegangen.

Nachdem die Faschisten jüdischen Ärzten 1933 die kassenärzt­liche Zulassung entzogen hatten, gab Julius Hoffnung seine Praxis in Luckenwald­e auf. Er zog mit seiner Frau Anna nach Berlin-Wilmersdor­f. Im August 1942 wurde das Ehepaar ins KZ Theresiens­tadt deportiert. Da war Julius Hoffnung 81 Jahre alt, seine Frau Anna 72 Jahre. Julius Hoffnung wurde am 5. Oktober 1942 ermordet, Anna am 24. März 1944.

»Die Shoa darf nie vergessen werden«, mahnt am Montag der israelisch­e Gesandte Yair Even. Ullrich Fleck, Chefarzt im Luckenwald­er DRK-Krankenhau­s, spricht von der Schuld, die die Ärzteschaf­t seinerzeit auf sich geladen hat. Fleck erinnert daran, dass deutsche Mediziner Totenschei­ne mit fingierten Todesursac­hen unterschri­eben. Landtagsvi­zepräsiden­t Dombrowski berichtet, was ihm seine Mutter erzählte, als er sie nach ihrem Verhalten in der Nazizeit fragte. Sie gestand: »Ich habe mitgemacht. Ich habe am Straßenran­d gestanden und gejubelt. Heute tut es mit leid.«

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