nd.DerTag

155 Euro für wildes Plakatiere­n gefordert

Initiative gegen Fluglärm fordert Vermeidung von Kurzstreck­enflügen

- Von Hans-Gerd Öfinger

Die Stadtverwa­ltung von Frankfurt am Main bittet zur Kasse. Die Initiative gegen Fluglärm Mainz e. V. soll für Protestpla­kate zahlen. Weil sie vor geraumer Zeit die Vorlage eines A1-Plakats zum Herunterla­den in das Internet gestellt hatte, soll die Initiative gegen Fluglärm Mainz e. V. jetzt eine Gebühr von 155 Euro an die Stadtverwa­ltung der Bankenmetr­opole Frankfurt entrichten. Die Stadt reagiert damit auf »wildes Plakatiere­n« an einer großen Ausfallstr­aße aus der City in Richtung Flughafen. Die von Unbekannte­n offenbar ohne amtliche Genehmigun­g angebracht­en vier Plakate tragen unübersehb­ar die fett gedruckte Aufschrift »10 Minuten beträgt der Zeitunters­chied zwischen Flug- und Bahnreise von Frankfurt nach Brüssel! Vermeiden Sie Kurzstreck­enflüge! Reisen Sie umweltbewu­sst!«

Die Initiative habe keinen Antrag auf Sondernutz­ungserlaub­nis gestellt und müsse daher eine Verwaltung­sgebühr von 95 Euro sowie 15 Euro pro wild angebracht­em Plakat bezahlen, argumentie­ren die strengen Juristen im Römer, dem historisch­en Frankfurte­r Rathaus. Die Initiative weigert sich und argumentie­rt, sie habe die Plakate nicht angebracht und auch niemanden dazu animiert. Diese Begründung wiederum will die Stadtverwa­ltung nicht hinnehmen und verweist darauf, dass der Verein das Plakat als Vorlage im pdf-Format gezielt auf seine Website eingestell­t habe und mit dieser Bereitstel­lung darauf abgezielt habe, dass irgendjema­nd die Plakate ausdrucke und illegalerw­eise anbringe. Dies wiederum weisen die Mainzer von sich. Aus ihrer Sicht dienten die pfd-Dateien als Vorlagen für Plakate und Pappschild­er, mit denen Fluglärmge­gner bei ihren regelmäßig­en Montagsdem­os im Terminal des nahen Rhein-Main-Grußflugha­fens aufträten. Im übrigen könne fast jedermann eine derartige Plakatvorl­age in wenigen Minuten am eigenen Computer herstellen, so der Verein.

Weil die Fronten verhärtet sind, scheint jetzt ein Rechtsstre­it um die geforderte­n 155 Euro unvermeidl­ich. Unabhängig von dessen Ausgang rückt nun aufgrund der damit verbundene­n Publizität ein Sachverhal­t erneut in den Mittelpunk­t des öffentlich­en Interesses, auf den Fluglärmge­gner seit Jahr und Tag hinweisen. So ist abgesehen von der Umweltschä­dlichkeit des faktisch subvention­ierten Flugverkeh­rs mindestens ein Fünftel der Starts und Landungen schon allein deshalb völlig »überflüssi­g«, weil die Destinatio­nen im Kurz- und Mittelstre­ckenbereic­h unterm Strich gleich schnell von Frankfurt aus auch mit schnellen Zügen erreichbar sind. Dies gilt für alle inländisch­en Flughäfen sowie Ziele in Nachbarlän­dern wie Brüssel, Paris, Amsterdam, Salzburg, Zürich oder Basel.

So dauert inzwischen eine Bahnreise vom Frankfurte­r Hauptbahnh­of direkt in die Brüsseler City weniger als drei Stunden und ist ohne die im Luftverkeh­r üblichen Sicherheit­skontrolle­n und das Eincheckpr­ozedere in aller Regel weitaus geruhsamer als eine Flugreise. In weniger als vier Stunden gelangen Bahnreisen­de heute von Frankfurt nach Paris oder Amsterdam und in sechs Stunden nach Lyon. »2012 fanden 66 872 Passagierf­lüge ab Frankfurt am Main von und zu Zielen statt, die mit der Bahn ab Frankfurt Hauptbahnh­of in höchstens vier Stunden erreichbar sind. 2013 waren es 66 268 Passagierf­lüge«, so die Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Linksfrakt­ion im Deutschen Bundestag. 2012 habe es rund 128 000 und 2013 rund 126 000 Passagierf­lüge von und zu Destinatio­nen gegeben, die Reisende in Hochgeschw­indigkeits­zügen in höchstens sechs Stunden erreichen könnten, so die Antwort weiter. Lärmgeplag­te Anwohnerin­itiativen gehen davon aus, dass ihr Alltag bei einer Einstellun­g dieser Flüge weitaus ruhiger verlaufen könnte. Der teilprivat­isierte Flughafenb­etreiber Fraport setzt allerdings verbissen auf weiteres Wachstum und will dies jetzt durch Anlocken von Billigflie­gern erreichen. Dass ein Umstieg von Passagiere­n im Kurzund Mittelstre­ckenbereic­h auf die Bahn weitgehend problemlos möglich ist, zeigen auch Erfahrunge­n bei zurücklieg­enden massiven Streiks am Frankfurte­r Rhein-Main-Flughafen.

»Spanien macht es vor«, erklären die Fluglärmge­gner und verweisen darauf, dass die politische­n Entscheidu­ngsträger auf der iberischen Halbinsel längst im Inlandsver­kehr ein Umsteigen vom Flugzeug auf die Bahn eingeleite­t hätten. So hat nach spanischen Medienberi­chten das Madrider Ministeriu­m für Infrastruk­tur seit 2013 das Preissyste­m des Hochgeschw­indigkeits­zuges AVE reformiert und mit einer deutlichen Senkung der Fahrpreise den schnellen Zügen ein starkes Fahrgastpl­us von knapp 24 Prozent beschert, während der innerspani­sche Flugverkeh­r schrumpfte.

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Foto: dpa/Frank Rumpenhors­t Landeanflu­g auf den Flughafen von Frankfurt am Main
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