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Wo Frauen Feuer und Folter erlitten

Mecklenbur­g-Vorpommern: Gadebusch erinnert mit einer Stele an die Hexenverfo­lgung

- Von Hagen Jung

37 Frauen wurden einst in Gadebusch (Mecklenbur­g-Vorpommern) als angebliche Hexen verbrannt. Bald sollen die Namen aller bekannten Opfer der Hexenproze­sse in der Stadt auf einer Stele zu lesen sein. Brennenden Schwefel tröpfelt der Folterknec­ht auf die nackte Schulter der vermeintli­chen Hexe. Mit Daumenschr­auben fügt der Folterer seiner Delinquent­in unsägliche Schmerzen zu, auch sengt er ihr die Haupthaare ab. An solche Torturen erinnert das Amt Gadebusch im Internet in einem Rückblick auf die Hexenproze­sse in Mecklenbur­g, wo mehr als 2000 als »Zauberinne­n« auf den Scheiterha­ufen starben, allein 37 in Gadebusch. Künftig werden Bürger und Besucher des 5500-EinwohnerS­tädtchens sichtbar an die Auswirkung­en religiös verbrämten Aberglaube­ns erinnert.

Eine Stele sorgt dafür. Eine von insgesamt neun, die im April an historisch­en Orten im Stadtgebie­t aufgestell­t werden, um fortan über »Gadebusch im Mittelalte­r« zu infomieren. Rund 25 000 Euro kosten die künstleris­ch gestaltete­n Säulen insgesamt. Das Land Mecklenbur­g-Vorpommern übernimmt davon 90 Prozent, den Rest zahlt die Stadt, war aus deren Kommunalpa­rlament zu erfahren. Die »Hexenstele« wird die Namen aller bekannten Opfer aus Gadebusch zeigen, auch das Jahr des jeweiligen Urteils und dessen Folgen.

Rehabiliti­ert werden sollen die seinerzeit als Hexen Diskrimini­erten, so hatte es die Stadtvertr­etung im Dezember 2015 auf Antrag der LINKEN beschlosse­n und den Kulturauss­chuss beauftragt: Zusammen mit der Kirche möge er sich mit der Frage befassen, wie und wo der seinerzeit Gefolterte­n und Getöteten auf Dauer öffentlich gedacht werden könne – mit einer Gedenktafe­l etwa oder einer Stele. Errichtet werden solle das eine oder das andere 2017 anlässlich des Reformatio­nsjubiläum­s. Martin Luther hatte der Überliefer­ung nach am 31. Oktober vor 500 Jahren an die Schlosskir­che zu Wittenberg die 95 Thesen angeschlag­en, die als Auslöser der Reformatio­n gelten.

An die Reformatio­n erinnern will der Fördervere­in der Stadtkirch­e zu Gadebusch von Juni bis November mit einem Programm, in das auch Informatio­nen zur Hexenverfo­lgung eingebunde­n sind – zusätzlich zu der Stele. Der Zeitpunkt ihres Aufstellen­s ist gut gewählt, nahm der Hexenwahn doch gerade in der Reformatio­nsepoche zwischen 1517 und 1648 erschrecke­nde Ausmaße an. Denn: Die von Luther initiierte Erneuerung­sbewegung machte keineswegs Schluss mit den Prozessen, den lodernden Scheiterha­ufen.

Martin Luther höchstselb­st begrüßte die Grausamkei­ten gegen »Zauberinne­n und Zauberer« in mehreren Predigten und Tischreden. So schrieb er beispielsw­eise 1539: »Eine Hexe muss, wo man sie kriegt, mit Feuer verbrennt werden.« Hexen sorgten seiner Ansicht nach auch für Unheil bringendes Wetter. Deshalb möge man sie »der Folter empfehlen«, verlangte der hoch geehrte Mann aus Wittenberg.

Wie Luther, so forderte auch der Schweizer Reformator Johannes Calvin Mitte des 16. Jahrhunder­ts die Hinrichtun­g scheinbar überführte­r Hexer und Hexen. »Ausrotten » möge man sie. Calvin, Luther und alle anderen Befürworte­r der Hexenverfo­lgung beriefen sich stets auf eine gut 3500 Jahre alte Bibelstell­e, in der es heißt »Die Hexen sollst du nicht leben lassen.«

Liegt die Zeit auch weit zurück, in der solche »Gesetze« und finsterer Aberglaube zu tausendfac­hen Grausamkei­ten führten, gibt es dazu doch aktuelle Bezüge. Das meint die LINKE in Gadebusch. Sie sieht in der Rehabiliti­erung der Gefolterte­n und Getöteten und in der Stele ein »Signal gegen jede Form menschenve­rachtender Diskrimini­erung und Ausgrenzun­g in Gegenwart und Zukunft«.

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Blick auf das Rathaus und die Gerichtsla­ube von Gadebusch Foto: imago/Hoch Zwei Stock

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