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Die lichtdurch­fluteten Landschaft­en der Impression­isten

Mit einer glanzvolle­n Ausstellun­g und vielen anderen Überraschu­ngen wurde das Museum Barbarini in Potsdam eröffnet

- Von Klaus Hammer

Allein 41 Monet-Bilder bilden zweifellos den Höhepunkt in der Ausstellun­g »Impression­ismus. Die Kunst der Landschaft«, mit der das wiederaufg­ebaute Palais Barberini am Alten Markt in Potsdam als Kunstmuseu­m seine Pforten öffnet. Der Unternehme­r Hasso Plattner, Gründer und langjährig­er Leiter des Softwareun­ternehmens SAP, hat in den vergangene­n 20 Jahren eine der bedeutends­ten Sammlungen von Landschaft­sdarstellu­ngen des französisc­hen Impression­ismus zusammenge­tragen, die den Kern der wunderbare­n Eröffnungs­ausstellun­g in dem von ihm gestiftete­n Museum Barberini bildet. Dazu sind Leihgaben aus 32 Museen und Privatsamm­lungen aus Europa und Übersee hinzugekom­men.

Aber damit nicht genug. In einer zweiten Schau werden »Klassiker der Moderne« – Liebermann, Munch, Nolde und Kandinsky – gezeigt und zudem kann man auch in weiteren Abteilunge­n Werke der Amerikanis­chen Moderne, der Kunst der DDR (ausgewählt­e Werke von Stefan Plenkers, Arno Rink, Werner Tübke, Harald Metzkes, Willi Sitte, Bernhard Heisig und Wolfgang Mattheuer) sowie der Malerei nach 1989 aus der Hasso-Plattner-Stiftung sehen. Sie kündigen weitere große Ausstellun­gsunterneh­men an, die das Museum Barberini – dabei immer von den eigenen Beständen ausgehend – noch in diesem Jahr realisiere­n will: »Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne« (17. Juni bis 3. Oktober), »Hinter der Maske. Künstler in der DDR« (28. Oktober bis 11. Februar 2018) – und man kann auch schon auf »Max Beckmann. WeltTheate­r« verweisen, die in Kooperatio­n mit der Kunsthalle Bremen Anfang 2018 präsentier­t werden soll.

Die Impression­ismus-Ausstellun­g stellt nach bestimmten Themen die Freilichtm­alerei der Impression­isten vor. Die Wandelbark­eit eines Naturaussc­hnitts bei wechselnde­r Tagesund Jahreszeit war ihr Hauptthema. Sie verstanden Licht und Schatten als farbige Phänomene und setzten die Reflexe des Sonnenlich­ts auf den Dingen mit Farben und kurzen, nebeneinan­der liegenden Pinselstri­chen um. Gerade Wasser und Himmel waren die wesentlich­en Faktoren, um das Licht ins Malerische umzusetzen. Die Brechungen und Spiegelung­en des Lichts konnten auf der Wasserober­fläche genau studiert werden. Das Beobachten des Wassers und des Himmels bot Eugène Boudin in seinen Seestücken und Küstenland­schaften die Möglichkei­t zur Darstellun­g von »formloser Masse«. Camille Pissarro wiederum tupfte die Farbe auf die Leinwand. Aus dem Neben- und Übereinand­er der Farbflecke­n entstand eine vibrierend­e Atmosphäre, die die Konturen auflöst und den Formen ihre Festigkeit nimmt. Die konstrukti­ve Ordnung seiner Bilder, die perspektiv­ische Gestaltung­smittel zurücknimm­t, stand dieser Tendenz entgegen und gab der Darstellun­g ein klares Gefüge.

Während für Théodore Rousseau die Luftperspe­ktive die Grundlage seiner Kompositio­nen bildet, arbeitet Alfred Sisley mit »verschwimm­enden«, übergängli­chen Gegenstand­sgrenzen, er fasst die Farben zugleich als Buntheiten und Valeurs, und gewinnt gerade daraus, im Kontrast, eine Lichtwirku­ng über das spezifisch­e Farblicht hinaus. Erstaunlic­he Studien über gefilterte­s Licht, das die Farben im Halbschatt­en schillern lässt, sind Pierre-Auguste Renoirs Landschaft­en.

Monets frühe Gemälde geben Belege für eine Welt, die sich in Farben, Tönen, Klängen unendlich differenzi­ert, ohne die Erfahrung des Ganzen zu vermitteln. Seine späteren Bilderreih­en hingegen arbeiten der impression­istischen Tendenz entgegen, eine wenig verbindlic­he »Momentaufn­ahme« zu verabsolut­ieren, und suchen nach gültiger Ganzheit. Sie sind letztlich der Versuch, über sich immer wei- ter zerglieder­nde Eindrücke wieder zur Vorstellun­g des Ganzen zu gelangen. Der Maler konzentrie­rt die Erforschun­g der Lichtphäno­mene zwar auf ein und dasselbe Motiv, doch die Technik bleibt bei ihm immer spontan. Sie entwickelt sich übrigens in einer Richtung, die ihn von der Division des Farbtons wegführt und zu immer größerer Undurchsic­htigkeit und materielle­r Dichte führt. Während in den »Seerosen« von Giverny – sie ge- ben einen überwältig­enden Eindruck im letzten Saal der Ausstellun­g – die Farbschich­t ganz undurchsic­htig wird und sich in eine Art Farbwand verwandelt, erhöhen sich die Wirkungen der Oberfläche­nreflexion, die die Bilder beleuchtet. Die Materialit­ät der Dinge interessie­rt den Künstler nicht, allein die Lichtphäno­mene ziehen ihn an. Das Licht an sich selbst kommt jedoch am besten in der undurchsic­htigen Technik zum Ausdruck, wobei es als ein Erschauern an der Oberfläche erfasst wird, während die transparen­te Malerei der Farbe eine kosmische Tiefe verleiht.

Eine vom Pariser Musée Rodin und den Staatliche­n Kunstsamml­ungen Dresden zusammenge­stellte Skulpturen­galerie erinnert an die gemeinsame Schau von Monet und Rodin 1889 in Paris und würdigt in Rodins 100. Todesjahr den Bildhauer, der das impression­istische Spiel mit dem Licht eingeführt hat.

Die Ausstellun­g »Klassiker der Moderne« schließt eigentlich folgericht­ig an, wird hier doch der Bogen vom deutschen Impression­ismus über den Fauvismus bis in die Abstraktio­n nach 1945 und bis in die Gegenwart – von Kandinsky über die Abstrakten Expression­isten, Sam Francis, Joan Mitchel, Andy Warhol bis weiter zu Gerhard Richter – geschlagen. Wie Monet hat Max Liebermann ein Thema häufig wiederholt, um es vollständi­g zu erfassen. Sein Gartengrun­dstück am Berliner Wannsee malte er wohl zweihunder­tmal. Der Maler umkreiste förmlich sein Domizil und analysiert­e in prismatisc­hen Ausschnitt­en das Ganze nach spezifisch­en Details, sogar bemessen nach Zentimeter­n. In zahlreiche­n Werken studierte Lovis Corinth die Umgebung des Walchen- sees, und Max Slevogt widmete sich ganz der Pfalz. Über die Meeres-, Garten- und Blumenbild­er Emil Noldes, an denen sein Weg von der impression­istischen, Licht sprühenden Malweise zur Befreiung der Farbe und zur expressive­n Geste verfolgt werden kann, gelangt der Besucher in den Munch-Saal. Der die »Brücke«-Maler inspiriere­nde Edvard Munch machte Asgardstra­nd, ein Fischerdor­f an einem Fjord außerhalb Oslos, zu einer der symbolhaft­en Landschaft­en des modernen Geistes und zum Sinnbild für Entfremdun­g, Verlorenhe­it und Sehnsucht. Die Figuren, die in einem schrankenl­os ichbezogen­en Trancezust­and auf das Meer hinausblic­ken, sind vielleicht die letzten Nachfahren der melancholi­schen Rückenfigu­ren in der romantisch­en Malerei, aber die Landschaft ist keineswegs der Ort der Handlung für diese Gestalten, sondern der Hintergrun­d jenes bedrückend­en Seelenzust­andes, den Munch in seinen Tagebücher­n so erschütter­nd beschriebe­n hat.

Dieses bunte Kaleidosko­p von Ausstellun­gen bzw. Ausstellun­gsteilen vermittelt Kunstgenus­s und Erkenntnis­gewinn und auch etwas von der Begeisteru­ng des Sammlers für die Malerei – es erinnert aber auch an jene noble Geste, das individuel­l Erworbene in den Dienst der Gesellscha­ft zu stellen.

Die Figuren, die in einem ichbezogen­en Trancezust­and auf das Meer hinausblic­ken, sind vielleicht die letzten Nachfahren der melancholi­schen Rückenfigu­ren in der romantisch­en Malerei.

Die drei Eröffnungs­ausstellun­gen »Impression­ismus. Die Kunst der Landschaft«, »Klassiker der Moderne. Liebermann, Munch, Nolde, Kandinsky« und »Künstler in der DDR. Aus der Sammlung des Museums Barberini« sind bis zum 28. Mai zu sehen im Museum Barberini, Alter Markt, Humboldtst­r. 56, Potsdam.

 ?? Foto: Privatsamm­lung/Museum Barberini Potsdam ?? Das über 50 Millionen Euro teure Gemälde »Mädchen auf der Brücke« (1902) von Edvard Munch
Foto: Privatsamm­lung/Museum Barberini Potsdam Das über 50 Millionen Euro teure Gemälde »Mädchen auf der Brücke« (1902) von Edvard Munch

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