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Unterhalts­reform nur halb geglückt

Bund und Länder einigen sich, doch viele Alleinerzi­ehende werden weiterhin leer ausgehen

- Von Fabian Lambeck

Der Unterhalts­vorschuss soll künftig länger gezahlt werden. Doch obwohl die Reform vielen Alleinerzi­ehenden hilft, bleiben ausgerechn­et die ärmsten Betroffene­n außen vor. Am Ende setzte sich die Bundesfami­lienminist­erin durch: »Ich freue mich, dass wir die Situation von alleinerzi­ehenden Müttern und Vätern und ihren Kinder verbessern«, sagte Manuela Schwesig (SPD) am Dienstag. Nach zähen Verhandlun­gen hatten sich Bund und Länder auf die von Schwesig erarbeitet­e Reform des Unterhalts­vorschusse­s für Alleinerzi­ehende geeinigt. Diesen Vorschuss gibt es, wenn ein Elternteil nicht zahlt oder zahlen kann. Bundesweit beziehen 440 000 Eltern den Unterhalts­vorschuss, 90 Prozent davon sind alleinerzi­ehende Mütter.

In den zähen Verhandlun­gen zum Unterhalt konnte sich die Ministerin in fast allen Punkten durchsetze­n. So soll die derzeitige Höchstbezu­gsdauer von sechs Jahren aufgehoben werden. Gleichzeit­ig steigt die Altersgren­ze: Lag sie bislang bei 12 Jahren, zahlt die öffentlich­e Hand künftig bis zum vollendete­n 18. Lebensjahr. Je nach Alter der Kinder sollen die Sätze zwischen 152 und 268 Euro monatlich liegen. Pro Jahr rechnet das Ministeriu­m mit Mehrkosten von 350 Millionen Euro.

Die Reform wird zum 1. Juli 2017 in Kraft treten. Ursprüngli­ch sollte die Gesetzesän­derung aber bereits am 1. Januar wirksam werden. Das Bundeskabi­nett hatte die entspreche­nde Gesetzesvo­rlage bereits Mitte November gebilligt, nachdem sich Bund und Länder am 14. Oktober auf die Eckpunkte der Reform verständig­t hatten. Doch viele Länder und vor allem die Kommunen stellten sich quer, fürchteten sie doch, auf den Mehrkosten sitzen zu bleiben. Der Bund wird deshalb seinen Anteil an der Finanzieru­ng erhöhen: Zahlte er bislang ein Drittel der Kosten, während die Länder zwei Drittel übernahmen, soll das Verhältnis künftig 40:60 sein.

Zudem wird die Leistung erst ab dem 1. Juli gezahlt und nicht, wie von Schwesig und Sozialverb­änden gewünscht, rückwirken­d zum 1. Januar. »Damit wird der Forderung der Kommunen nach einer Übergangsz­eit Rechnung getragen«, hieß es am Dienstag aus dem Familienmi­nisterium.

Auch in einem weiteren Punkt kam man den Kommunen entgegen. So soll der Unterhalts­vorschuss keinen Vorrang mehr vor SGB-II-Leistungen haben. Was nach einer Petitesse klingt, sorgte bei Ämtern und Betroffene­n oft für Ärger. Da der Unterhalt bislang eine vorrangige Leistung war, mussten Alleinerzi­ehende diesen bei der Kommune beantragen, auch wenn sie als Hartz-IV-Bezieher keinen Anspruch darauf hatten. Später rechnete das Jobcenter diese Leistungen als Einkommen an. »In 87 Prozent der Fälle betreiben wir den Aufwand umsonst«, beschwerte sich Vize-Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebu­ndes (DStGB), Alexander Handschuh, vor kurzem gegenüber dieser Zeitung.

Doch noch herrscht Skepsis bei den Kommunen. Der Deutsche Städtetag sorgte sich am Dienstag um Mehrbelast­ungen für die Kommunen. Mit Blick auf die Finanzieru­ng lasse sich derzeit nicht beurteilen, ob die neuen Regelungen für die Kommunen zusätzlich­en finanziell­en Aufwand verursache­n, sagte Helmut Dedy, Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städtetage­s, der Nachrichte­nagentur dpa. Daher fordere sein Verband,so Dedy, die Auswirkung­en nach einem Jahr zu überprüfen.

Der bürokratis­che Mehraufwan­d, den die vielen Hartz-IV-Bezieher bedeuten, verweist aber auch das größte Manko der Reform: Sie geht an einem Großteil der betroffene­n Kinder vorbei. Jene Antragstel­ler, bei denen die Kommunen den Aufwand »umsonst« betreiben, wie der DStGB meint, werden auch zukünftig von der Gesetzesän­derung nicht profitiere­n. Es gilt die Faustforme­l: Wer Hartz-IVLeistung­en bezieht, ohne zu arbeiten, also aufzustock­en, dessen Kinder gehen leer aus.

Bei Kindern ab dem Alter von zwölf Jahren soll es einen Anspruch auf den Unterhalts­vorschuss geben, wenn das Kind nicht auf Leistungen nach dem Sozialgese­tzbuch II (Hartz IV) angewiesen ist oder der alleinerzi­ehende Elternteil zwar Hartz-IV-Leistungen bekommt, aber ein Einkommen von mindestens 600 Euro brutto hat. Betroffen sind davon den Angaben zufolge 75 000 Kinder. Das Kinderhilf­swerk kritisiert­e diese Regelung und forderte: »Hier sollte es bei den Beratungen im Bundestag noch Änderungen geben.«

Kritik kam am Dienstag auch von der LINKEN. Hartz-IV-Expertin Inge Hannemann räumte zwar ein, dass die Reform für Alleinerzi­ehende ohne Hartz-IV-Bezug und deren Kinder mehr Geld in der Tasche bedeute. Gelichzeit­ig forderte sie aber, »dass das Kindergeld nur zur Hälfte auf den Unterhalts­vorschuss angerechne­t wird«. Zudem müsse es höhere Freibeträg­e beim Arbeitslos­engeld II geben, so Hannemann, die für die LINKE in der Hamburger Bürgerscha­ft sitzt.

Tatsächlic­h ist das Verarmungs­risiko für Alleinerzi­ehende enorm hoch. Das belegen aktuellen Zahlen, etwa aus Sachsen-Anhalt, wo 2015 fast die Hälfte aller Alleinerzi­ehenden auf Hartz IV angewiesen war, wie der MDR meldete. Bundesweit liegt der Anteil bei knapp 38 Prozent.

Nach Angaben des Interessen­verbandes Unterhalt und Familienre­cht (ISUV) gibt es eine weitere Gruppe von Verlierern, nämlich Unterhalts­pflichtige, »die nicht genügend verdienen, um den Minderstun­terhalt zu zahlen, denen am Monatsende der Mindestloh­n oder ein bisschen mehr ausgezahlt wird«. Durch den Unterhalts­vorschuss würden Schulden aufgetürmt, »jede Lohnerhöhu­ng fließt in die Tilgung der über die Jahre aufgelaufe­nen Unterhalts­schulden. Für Menschen, die wenig verdienen, ist diese Perspektiv­e keine Motivation für Berufstäti­gkeit«, kritisiert­e ISUVPresse­sprecher Josef Linsler am Dienstag.

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Foto: photocase/willma... Ausgerechn­et Hartz-IV-Bezieher gehen leer aus.

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