nd.DerTag

Donnie Rotten

- Von Velten Schäfer

Freunde traditione­ller Gitarrenqu­älmusik müssen jetzt sehr tapfer sein: John Lydon alias »Johnny Rotten« hat sich politisch geäußert. Dass das nicht gut gehen muss, ist kein Geheimnis.

Denn anders als bei der Konkurrenz von The Clash ging es bei Lydons legendärer Punkband Sex Pistols nie ums Politisier­en. Das Konzept hieß ästhetisch­e Verwirrung. Man trug Lumpen und spuckte benebelt auf Disziplin. Man röhrte von »Anarchy in the UK« und vom »faschistis­chen Regime« der Königin – und pinselte sich, ermuntert vom jüdischen Manager Malcolm McLaren, Hakenkreuz­e aufs Hemd. Es ging darum, in einer Maximalpro­vokation der britischen Nachkriegs­marodie undiskutie­rbar zu sein.

Der »verfaulte Johnny« war eine Kunstfigur. Lydon hat sie 1978 abgestreif­t, als er Public Image Limited startete. Doch möchte man angesichts seines Interviews mit ITV gern an all das denken. Denn darin zeigt der 1956 geborene Londoner Bauarbeite­rsohn, inzwischen US-Bürger, Sympathie für den Brexit, Nigel Farage und Donald Trump. »Die Arbeiterkl­asse hat gesprochen und ich halte zu ihr«, sagt er zum EU-Austritt. Trump sei »kein Rassist«, sondern ein »möglicher Freund«.

Ist das alles wirklich Ernst? Hielt nicht Lydon noch vor Jahresfris­t den Brexit für Quatsch und den Milliardär für peinlich? Jähr- te sich nicht erst jüngst jener berühmte Skandalauf­tritt der Sex Pistols in eben jenem Sender ITV zum 40. Mal, der die Band ihren ersten Plattenver­trag kostete, aber auch ihren Ruhm begründete? Gibt Lydon, gesundheit­lich angeblich angeschlag­en, noch einmal den Johnny Rotten?

Ein wenig scheint es so. Ist es, sagt Lydon, nicht herrlich, wie alle Panik schieben, weil einer die Regeln bricht? Er argumentie­rt nicht, er trotzt. Er hält gegen einen vermeintli­chen Mainstream. Das ist Ästhetik, nicht Politik – und zynisch angesichts der Lage.

Man schaudert ein wenig. Und hat zugleich den Wunsch, Lydon möge – wenn schon, denn schon – bald für UKIP, Trump oder AfD singen. »Pretty vacant« wäre ein beiderseit­s passender Titel: »Wir sind schön doof, aber es ist egal«.

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