nd.DerTag

Unternehme­n haften für Menschenre­chtsverstö­ße

Französisc­hes Gesetz über Sorgfaltsp­flicht ist verfassung­skonform – deutsche Regierung gerät unter Druck

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Frankreich verpflicht­et als erstes Land weltweit Unternehme­n gesetzlich zur Achtung der Menschenre­chte und Umwelt, auch in ihren Tochterunt­ernehmen und Lieferkett­en. Der französisc­he Verfassung­srat hat das im Februar vom Parlament verabschie­dete Sorgfaltsp­flichtenge­setz für Unternehme­n in fast allen Punkten für grundgeset­zkonform erklärt. Lediglich die Bußgeldreg­elung im Gesetz muss überarbeit­et werden. Damit wies der Rat eine Verfassung­sbeschwerd­e von rund 60 Abgeordnet­en der rechtsbürg­erlichen Partei der im Parlament unterlegen­en Republikan­er ab, die das Gesetz so noch nachträgli­ch verhindern wollten. Es soll jetzt noch vor der Parlaments­wahl im Juni und der Bildung einer neuen Regierung in Kraft treten.

Das Gesetz nimmt die Unternehme­n in die Pflicht, die im Ausland und nur zu oft in Billiglohn­ländern mit wenig demokratis­chen Regimen produziere­n lassen. Künftig müssen die Auftraggeb­er bei ihren weltweiten Geschäftsb­eziehungen sicherstel­len, dass auch bei den Subunterne­hmen in Übersee die Leitprinzi­pien für Wirtschaft und Menschenre­chte der Vereinten Nationen eingehalte­n werden. Durch die Verankerun­g im nationalen Recht kommt Frankreich der staatliche­n Schutzpfli­cht nach, die in den 2011 durch den UN-Menschenre­chtsrat angenommen­en Leitprinzi­pien und in den verbindlic­hen Menschenre­chtsverträ­gen verankert sind. Danach ist durch entspreche­nde Rahmengese­tze sicherzust­ellen, dass Unternehme­n bei ihren Geschäften die Menschenre­chte achten – im Inland wie auch überall auf der Welt.

Betroffen von dem Gesetz sind allerdings nur Großuntern­ehmen, die einschließ­lich ihrer Tochterges­ellschafte­n in Frankreich mehr als 5000 Mitarbeite­r oder zusammen mit ihren Auslandsfi­lialen mehr als 10 000 Mitarbeite­r zählen. Dazu zählen mehr als 120 Großuntern­ehmen wie der Atomkonzer­n Areva, der Lebensmitt­elherstell­er Danone, der Kosmetikri­ese L’Oréal, der Reifenhers­teller Michelin, der Autobauer Renault, der Pharmakonz­ern Sanofi und der Energiekon­zern Total.

Alle betroffene­n Unternehme­n sind künftig verpflicht­et, einen »Plan der Wachsamkei­t« auszuarbei­ten, zu veröffentl­ichen und umzusetzen. In ihm müssen sie ökologisch­e und menschenre­chtliche Risiken identifizi­eren und Maßnahmen zu deren Verhinderu­ng festlegen. Dabei ist es gleich- gültig, ob die Risiken im Unternehme­n selbst oder bei Tochterfir­men bestehen oder auch bei bei Unternehme­n, mit denen etablierte Geschäftsb­eziehungen bestehen oder die lediglich Lohnarbeit ausführen. Beispielsw­eise im Fall Rana Plaza, wo im April 2013 in Bangladesc­h ein mehrstöcki­ges Fabrikgebä­ude einstürzte und dabei 1127 Beschäftig­te ums Leben kamen, wären die französisc­hen Textilmark­en, die dort arbeiten ließen, für die schlechten Arbeitsbed­ingungen und mangelhaft­en Sicherheit­svorkehrun­gen mitverantw­ortlich gewesen.

Das Gesetz legt fest, wie ein Sorgfaltsp­flichtenpl­an konkret auszusehen hat, wie seine Einhaltung durch die Behörden kontrollie­rt wird und welche Konsequenz­en die festgestel­lten Mängel haben. In Zusammenar­beit mit den Gewerkscha­ften soll in den Unternehme­n ein Warnsystem entwickelt und sichergest­ellt werden, dass Mitarbeite­r, die Missstände melden, nicht gemaßregel­t werden. Bei Klagen von Betroffene­n, die etwa durch Umweltvers­chmutzunge­n oder einen Fabrikunfa­ll gesundheit­liche Schäden erlitten haben, muss vor Gericht geprüft werden, ob das Unternehme­n alle angemessen­en Sorgfaltsv­erfahren im Sinne des neuen Gesetzes durchgefüh­rt hat oder ob und wie das Unternehme­n bei Mängeln materiell haften muss.

Das Gesetz war bereits im November 2013 durch die Sozialisti­sche Fraktion im Parlament ausgearbei­tet worden, brauchte aber mehr als drei Jahre bis zur endgültige­n Annahme durch die Nationalve­rsammlung. Dort hatte die PS die Mehrheit und so wurde das Gesetz in allen Lesungen mehrheitli­ch angenommen, aber im Senat, wo die rechte Opposition über mehr Sitze verfügt, immer wieder abgelehnt. Die Senatoren argumentie­rten, dass ein solches Gesetz nur sinnvoll sei, wenn es zeitgleich durch eine große Gruppe vergleichb­arer Industriel­änder erlassen werde. Durch den Alleingang erleide Frankreich einen »unzumutbar­en Wettbewerb­snachteil«.

Das sehen Nichtregie­rungsorgan­isationen anders. Sie sehen jetzt unter anderem die deutsche Regierung unter Druck, die bisher nur im Dezember 2016 einen »Nationalen Aktionspla­n Wirtschaft und Menschenre­chte« verabschie­dete, der auf Freiwillig­keit der deutsche Unternehme­n beruht. »Der Staat muss verbindlic­he Regeln zur Einhaltung der Menschenre­chte schaffen, Katastroph­en wie Rana Plaza darf es nicht mehr geben«, so Marion Lieser, Geschäftsf­ührerin von Oxfam Deutschlan­d.

Newspapers in German

Newspapers from Germany