Kein Kronzeuge
Die Nachricht lief am frühen Mittwochmorgen über die Agentur – und schon am Vormittag stand sie im Eintrag über Michael Vassiliades bei der von Nutzern gefüllten Online-Enzyklopädie Wikipedia: Der Vorsitzende der Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) »distanzierte sich (...) als erster Gewerkschaftsvorsitzender von der SPD, welche die Deckelung von Spitzengehältern im Management fordert«.
Der Gewerkschafter hat diesen Eintrag kaum selbst getätigt. Daher fällt der Nachdruck auf, mit dem seine Äußerung verbreitet wird. Auch wenn der »Schulzzug« an Geschwindigkeit verliert, gibt es offenbar Kräfte, die mit Hochdruck an einem weiteren Einbremsen arbeiten. Das Herausstellen von Differenzen mit Gewerkschaften eignet sich dazu, zumal die SPD mit einer Begrenzung von Managergehältern Wahlkampf machen will.
Diesem Kontext ist es wohl zu danken, dass etwa auch die Onlineausgabe der »FAZ« die entsprechende Meldung falsch betitelte: »Gewerkschaftschef will Managergehälter nicht deckeln.«
Tatsächlich kritisiert der 1964 in Essen geborene Gewerkschafter, der 1980 als Auszubildender zum Chemielaboranten bei Bayer anfing und schließlich 2009 zum Vorsitzenden der IG BCE gewählt wurde, nur den Ansatz, dies durch eine gesetzliche Verlegung der Entscheidung in die Aktionärsversammlungen erreichen zu wollen. So werde der »Bock zum Gärtner«. Es entschieden dann nämlich diejenigen, die »ihre zum Teil radikal renditeorientierten Interessen in der Unternehmensführung wiederfinden wollen«. Stattdessen empfiehlt er, in der bestehenden Regierungskommission »Deutscher Corporate Governance Kodex« das Verhältnis zwischen Durchschnittslohn und Managerbezügen konkret zu formulieren. So könnten sich allmählich Richtwerte etablieren.
Eine gesetzliche Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit von Managerbezügen begrüßt Vassiliades in einem von der Gewerkschaft veröffentlichten »Interview« hingegen. Als Kronzeuge gegen eine Deckelung der Managergehälter eignet er sich nicht.