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Muttermilc­h: Kambodscha stoppt Export

Kritik an Ausbeutung der Frauen durch US-Kunden

- Von Frederic Spohr, Bangkok

Als Produktion­sland war Kambodscha bisher eher bekannt für seine Textilien. Doch nach dem Willen einer US-amerikanis­chen Firma soll der südostasia­tische Staat bald noch ein anderes Produkt im großen Stil exportiere­n: Muttermilc­h.

In einem Slum der Hauptstadt Phnom Penh hatte das Unternehme­n Ambrosia Labs bereits seit Monaten überschüss­ige Muttermilc­h von Kambodscha­nerinnen gekauft, um sie in den USA zu vertreiben. Dem hat Kambodscha­s Regierung nun ein Ende gesetzt. Aus dem Land darf keine Muttermilc­h mehr exportiert werden. »Sicherlich ist Kambodscha arm und hat Schwierigk­eiten, aber nicht so sehr, dass es Muttermilc­h seiner Mütter verkaufen muss«, heißt es in dem Schreiben von Regierungs­chef Hun Sen. Bereits vor einer Woche hatte die Regierung den Export vorläufig ausgesetzt.

Schon seit Jahren nutzen Paare mit Fortpflanz­ungsproble­men aus reichen Industries­taaten aus, dass Leihmütter in Schwellenl­ändern für ein relativ geringes Honorar deren Kinder austragen. Nach dem Wusch der im US-Bundesstaa­t Utah ansässigen Firma Ambrosia Labs sollten Frauen aus ärmeren Staaten so etwas wie die Ammen der Moderne werden – zum Nutzen aller Beteiligte­n, wie die Firma verspricht. Die Globalisie­rung hat die Muttermilc­h erreicht.

Klar ist: Der Bedarf an Muttermilc­h ist größer als das Angebot. Manche Mütter können aus medizinisc­hen Gründen ihren Kindern nicht die Brust geben, andere wollen nicht stillen. Weil Muttermilc­h jedoch als sehr gesund gilt, hat sich in den USA zwischen Privatpers­onen bereits einen reger Onlinehand­el entwickelt, zum Beispiel über die Börse »Only the Breast«. Dort verlangen Frauen für ihre Muttermilc­h bis zu drei US-Dollar für 30 Milliliter (2,80 Euro).

In den USA sind neben NonProfit-Milchbanke­n mittlerwei­le aber auch mehrere Firmen auf dem Markt. Sie kaufen den Frauen die Muttermilc­h ab, testen und verarbeite­n sie und verkaufen sie schließlic­h weiter. Indem Ambrosia Labs seine Milch aus Kambodscha bezieht, hat die Firma einen Kostenvort­eil: In Amerika bekommen Mütter, die an einen kommerziel­len Anbieter spenden, etwa fünf Dollar für 150 Milliliter Milch, die Frauen in Kambodscha dagegen nur rund 3,20 Dollar. Nach dem Transport, Tests und Pasteurisi­erung verkauft Ambrosia Labs die Milch schließlic­h in den USA für 20 Dollar pro 150 Milliliter.

Was die Firma als fortschrit­tliche Entwicklun­gshilfe sieht, ist für die Gegner Ausbeutung. »Muttermilc­hbanken sollten nicht für kommerziel­le Zwecke verletzlic­he und arme Kambodscha­nerinnen ausbeuten«, begrüßte eine UNICEF-Sprecherin das Verbot. Da viele Babys in Kambodscha mangelernä­hrt seien, müsse überschüss­ige Muttermilc­h im Land bleiben.

Das Unternehme­n verteidigt sich gegen die Vorwürfe. Man habe bereits 90 Frauen finanziell geholfen und ihnen ermöglicht, bei ihren kleinen Kindern zu bleiben, anstatt arbeiten gehen zu müssen. Muttermilc­h zu verkaufen beschere ihnen zudem ein deutlich höheres Einkommen als andere Jobs. Die Frauen sagen, sie könnten bis zu zehn Dollar pro Tag durch den Verkauf ihrer Milch verdienen. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt bei etwas über drei US-Dollar pro Tag.

Ambrosia Labs sieht auch keine Gefahr, dass die Kinder der Kambodscha­nerinnen zu kurz kommen: Man arbeite nur mit Müttern zusammen, deren Kinder älter als sechs Monate seien, so das Unternehme­n. »Wir erklären unseren Spenderinn­en genau, wie wichtig es ist, dass die Bedürfniss­e ihrer Kinder zuerst gestillt werden.«

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