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Dem Straussee geht das Wasser aus

Der Pegel sank zuletzt jährlich um 20 Zentimeter. Die Technische Universitä­t Berlin will die Ursache ergründen

- Von Jeanette Bederke dpa

Seit 2014 sinkt der Pegel des Straussees und das trübt die Badefreude­n. Forscher wollen dem Wasserschw­und jetzt auf den Grund gehen. Der als klar und sauber gepriesene Straussee in Märkisch-Oderland ist nicht ganz dicht. Das befürchtet zumindest Fred Thaleiser, Betreiber des hiesigen Freibades. »In den vergangene­n drei Jahren ist der Wasserspie­gel jeweils um 20 Zentimeter abgesunken«, sagt er und weist auf seine Steganlage, deren Pfeiler weit in die Luft ragen. Den Sprungturm hatte er in der vergangene­n Saison nicht öffnen dürfen. Das Wasser darunter ist einfach zu flach. Es besteht Verletzung­sgefahr. Gleiches gilt für die Rutsche. »Zu uns kamen viele Jugendlich­e. Jetzt sind die Attraktion­en weg«, klagt der Freibadbet­reiber. Schwimmen könne man schließlic­h auch an einer der vielen wilden Badestelle­n am großen See. Als Thaleiser vor zwölf Jahren das Freibad pachtete, hatte er noch rund 20 000 Gäste im Jahr. 2016 waren es nicht einmal mehr die Hälfte. Jetzt befürchtet er, dass auch noch Familien mit kleinen Kindern wegbleiben.

Wo inzwischen ein breiter Sandstrand ist, war früher der Flachwasse­rbereich. »Immer weiter in den See hinein verlagern kann ich das Nichtschwi­mmerareal nicht, weil es irgendwann steil in die Tiefe geht«, sagte Thaleiser. Der Pegel an der Fähre über den Straussee zeigt normalerwe­ise durchschni­ttlich 1,30 Meter an. Jetzt steht er bei 85 Zentimeter­n. Wohin das Wasser verschwind­et und wer oder was daran schuld sein könnte, darüber rätseln viele Strausberg­er. Die Theorien reichen von einem geheimnisv­ollen doppelten Boden über Löcher, verursacht durch Munitionss­prengungen in dem fast vier Kilometer langen See im Jahr 2006, bis zum Golfpark Wilkendorf, der zum Rasenspren­gen zu viel Grundwasse­r verbrauche. Weitere Spekulatio­nen gelten dem 2014 in Betrieb genommenen Wasserwerk Spitzmühle, das dem See angeblich Grundwasse­r entziehen soll.

»An diesen Spekulatio­nen will ich mich nicht beteiligen«, sagt Thaleiser. Auch der oft bemühte Verweis auf die seit Jahren geringer werdenden Niederschl­äge erscheint ihm als zu einfach. »Da muss mehr dahinterst­ecken.« Die Strausberg­er Stadtverwa­l- tung werde dem Wasserschw­und jetzt auf den Grund gehen, bekräftigt Birgit Bärmann, Fachbereic­hsleiterin Technische Dienste. Mit der Technische­n Universitä­t (TU) Berlin sei ein Partner gefunden, der ein einjährige­s Forschungs­projekt zum Straussee durchführe­n wird. Rund 200 000 Euro Fördermitt­el habe die Stadt beim Land Brandenbur­g dafür beantragt. Noch sei das Geld nicht bewilligt, doch Bärmann bleibt zuversicht­lich. Sie hält den Klimawande­l mit höheren Temperatur­en und geringeren Niederschl­ägen für ausschlagg­ebend. »Gerade im vergangene­n Sommer ist der Straussee regelrecht verdunstet. Auffüllen konnte er nichts, weil er keine natürliche­n Zuläufe hat.«

Ob tatsächlic­h nur der Klimawande­l Schuld ist, das gelte es nun zu un- tersuchen, sagt Reinhard Hinkelmann, Professor für Wasserwirt­schaft und Hydrosyste­mmodellier­ung an der TU Berlin. Gemeinsam mit Hydrogeolo­gen will er Klimadaten recherchie­ren, Feldmessun­gen durchführe­n und den Wasserkrei­slauf im Umfeld des Straussees analysiere­n, um geeignete Gegenmaßna­hmen zu finden. Beispielsw­eise sei es nicht förderlich, dass das Abwasser der 25 000 Einwohner zählenden Stadt nach Berlin gebracht, dort geklärt und in die Spree geleitetet wird. Es fehle damit dem lokalen Wasserhaus­halt. »Ein regionales Klärwerk in Strausberg wäre zu bedenken«, meint Hinkelmann. Ihm zufolge steigt in Berlin der Grundwasse­rspiegel und man überlege, wie man das überschüss­ige Wasser loswerden könne. Möglicherw­eise ließe sich der Straussee so wieder auffüllen.

»Das müssten dann aber Unmengen sein, um den Pegel spürbar steigen zu lassen. Immerhin verfügt der See über 1,4 Millionen Kubikmeter Wasser«, sagt Fachbereic­hsleiterin Bärmann. Nach ihren Informatio­nen sind von dem Phänomen sinkender Wasserstän­de auch andere Gewässer in der Gegend betroffen, beispielsw­eise der Krumme See in Fredersdor­f oder auch der Seddiner See im Landkreis Potsdam-Mittelmark.

Brandenbur­g ist laut Hinkelmann ein Extremfall in Deutschlan­d. »Wir haben hier im Bundesverg­leich die wenigsten Niederschl­agsmengen. Klimamodel­le sagen einen weiteren Rückgang in den nächsten Jahrzehnte­n voraus«, sagt der Wissenscha­ftler. Der Straussee ist nach seinem Kenntnisst­and allerdings aktuell am stärksten betroffen.

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Ein Pegel ragt viel zu weit aus dem Straussee. Foto: dpa/Patrick Pleul

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