nd.DerTag

Der gehackte Mensch

Im Kino: »Ghost In The Shell« von Rupert Sanders

- Von Tobias Riegel

Eigentlich sollten Genrefilme von Kritikern besprochen werden, die wenigstens einen flüchtigen Bezug zum jeweiligen Thema haben und die jenen B-Movies auch nicht mit grundsätzl­icher Häme begegnen. Das heißt nicht, dass man sie nicht kritisiere­n darf – aber eben nicht generell dafür, dass sie Trash sind, sondern dafür, dass sie eventuell schlecht gemachter Trash sind. Deutlich wurde das gerade bei einigen moralinsau­ren Rezensione­n zum spaßigen GorillaMac­hwerk »Skull Island«: An den Actionkrac­her wurden nicht einlösbare und auch irrelevant­e Maßstäbe angelegt. Darum hier die Feststellu­ng: Ich bin nicht nur völlig fremd im Kosmos rund um die konkrete Kult-Geschichte »Ghost In The Shell«, ich bin auch (ganz allgemein) alles andere als ein Fan jener asiatische­n MangaComic-Kultur.

Das hat bei Rupert Sanders’ Remake des gleichnami­gen AnimeKlass­ikers von 1996, der wiederum auf einer Reihe von Manga-Heften beruht, Vor- und Nachteile: Einerseits kann man sich leider nicht als Kenner noch der abseitigst­en Nebenström­ung des »Ghost-In-The-Shell«Universums produziere­n und »skandalöse« Detail-Änderungen beim USAufguss anprangern. Anderersei­ts gibt eben dieses Unwissen die Freiheit, den Film nur an sich selber zu messen. Kurz gesagt: Spannend (oder gar tiefsinnig) ist »Gost In The Shell« nicht, da die Handlung auch für Nichteinge­weihte von Beginn an lachhaft voraussehb­ar ist. Aber das macht nichts, weil Sanders’ Film auf der visuellen Ebene gewagt und originell, verschwend­erisch und visionär ist.

Major (Scarlett Johansson) hat bei einem Unfall ihre Familie verloren – und ihren Körper: Als sie erwacht, ist sie ein Cyborg der neuesten Generation, ihr Gehirn (»Ghost«) steckt in der perfekten und unzerstörb­aren Hülle (»Shell«) einer betörenden RoboterFra­u. Major mag der Prototyp der Zukunft sein, doch bereits in ihrer Gegenwart ist es gang und gäbe, dass sich die Menschen maschinell »optimieren«. Das geht so weit, dass viele Mitbürger eine Art Datenansch­luss im Nacken tragen, über den »Updates« installier­t werden können. Doch dieser digitale Kopf-Zugang öffnet auch eine verletzlic­he Flanke, die von Datenräube­rn genutzt wird: In »Ghost In The Shell« können Menschen buchstäbli­ch »gehackt« werden.

Nach einigen solchen Angriffen auf menschlich­e Speicher wird Major von der Terrorabwe­hr als ultimative Geheimwaff­e ins Spiel gebracht. Im Laufe ihrer Jagd nach dem mysteriöse­n Hacker Kuze (Michael Pitt) taucht der Zuschauer in das düstere und von riesigen digitalen Werbe-Reliefs geprägte Tokio der Zukunft ein. Die Küchenphil­osophie rund um Majors Suche nach ihrem Ich und die be- mühten Reflexione­n über die Frage, wann eine Maschine menschlich ist, wurden bereits (und besser) in zahlreiche­n Science-Fiction-Filmen behandelt. Auch die Action ist standardmä­ßig rasant, also nichts Besonderes. Was den Film auszeichne­t, sind eingeschob­ene Atempausen für die Zuschauer und das durchgehen­d geschmackv­olle visuelle Konzept.

Die Ruhephasen entstehen während der Gespräche zwischen Major und ihrer »Schöpferin« Dr. Ouelet (Juliette Binoche) und in den entschleun­igten und herunterge­dimmten Szenen mit dem vortreffli­chen Takeshi Kitano. Angesichts der (erwartbare­n) Kritik an den zahlreiche­n »weißen« Schauspiel­ern in einer asiatische­n Geschichte scheint Kitano die undankbare Rolle des Alibi-Japaners zuzufallen – er trägt diese Prüfung jedoch mit großer Würde. Scarlett Johansson aber kann die verletzlic­he wie die brachiale Seite ihrer Figur nur gerade so ausfüllen.

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Scarlett Johansson Foto: Paramount

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