Alles für den großen Star
Der neue Volleyballbundestrainer überredet den Familienmenschen Georg Grozer zum Comeback in der Nationalmannschaft
Es hatte so ausgesehen, als ob der beste Volleyballer Deutschlands nie mehr für die Nationalmannschaft auflaufen würde. Doch Andrea Giani hat ihn zurückgeholt. Dafür wird sogar ein Trainingslager verlegt. Dieses Comeback kam unerwartet. Georg Grozer hatte zwar offiziell nur eine »ein- bis zweijährige Pause« angekündigt, doch die Enttäuschung in seinem Gesicht hatte am 9. Januar 2016 etwas ganz anderes gesagt: Alles deutete darauf hin, dass der beste Volleyballer Deutschlands nie mehr für die Nationalmannschaft auflaufen würde, nachdem das Team in der Berliner Max-Schmeling-Halle gerade denkbar knapp die Olympiaqualifikation verpasst hatte. 14 Monate später steht Grozer doch wieder im Kader – und nicht nur er. Die Befürchtung, eine goldene Generation im deutschen Männervolleyball könnte komplett zerfallen, hat sich nicht bestätigt.
Das scheint ein Verdienst von Andrea Giani zu sein, der im Februar den sehr erfolgreichen Belgier Vital Hey- nen als Bundestrainer abgelöst hatte. »Andrea Giani hat mich gefragt, ob ich bei der WM-Qualifikation helfen kann, da diese sehr wichtig für die Zukunft ist. Nach dem Zugeständnis, dass ein Teil der Vorbereitung in der Nähe von Moers stattfindet, werde ich dabei sein«, sagte Grozer am Dienstag. Der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) hat extra für seinen Star ein Trainingslager vor dem ersten Qualifikationsturnier (Ende Mai) nach Bochum verlegt, damit Familienmensch Grozer nah bei Frau und Kindern sein kann. Den Schritt war auch Vital Heynen mal gegangen: 2013 gastierte das Nationalteam in Grozers Wohnort Moers, vor der EM 2015 schon einmal in Bochum.
Grozer ist die Nähe zur Familie so wichtig, weil es in der Bundesliga weit und breit keinen Verein gibt, der ihn bezahlen könnte. Also tingelt der in Ungarn geborene Ausnahmekönner seit Langem allein durch die finanzstärksten Ligen der Welt und wurde in den vergangenen fünf Jahren polnischer, russischer und chinesischer Meister. Der heute 32-Jährige hatte zudem in der ligafreien Zeit das Na- tionalteam 2012 zu Olympia und 2014 zu WM-Bronze geschmettert. Kein Wunder also, dass Giani nicht auf ihn verzichten wollte.
Der Italiener hat in seinem 30-köpfigen Kader, aus dem er bis zur WMQualifikation in Lyon noch mehr als die Hälfte streichen muss, auch sonst fast alle Stammkräfte wieder zusammengetrommelt. Die wichtigsten Akteure von Grozer über Kapitän Jochen Schöps, Mittelblocker Marcus Böhme, Zuspieler Lukas Kampa, die Außenangreifer Christian Fromm und Denys Kaliberda bis zum Liberoduo Ferdinand Tille und Markus Steuerwald sind weiter dabei. Nur Christian Dünnes, Sebastian Schwarz und Dirk Westphal, die allesamt nicht zur ersten Sechs gehörten, beendeten ihre Karriere. Böhme und Kampa hatten in Berlin noch gesagt, sie wollten abwarten, wer neuer Bundestrainer wird. Giani scheint ihnen zu gefallen.
Bleibt die Frage, inwieweit der neue Trainer den Generationenwechsel fortführen will, den der alte in seinen letzten Amtsmonaten eingeläutet hatte. Denn ewig wird selbst Georg Grozer nicht spielen können.