»Zeitenwende« bei der LINKEN
BAG Hartz IV skeptisch gegegenüber Schulz’ Plänen
Der Slogan war unmissverständlich: »Hartz IV muss weg!«, stand im Herbst 2004 auf Plakaten, mit denen die PDS um Wähler warb. Es war eine Klarheit, wie sie Elke Reinke in späteren Jahren bei ihrer Partei vermisste. Die SachsenAnhalterin gehörte in Aschersleben zu den Gesichtern des Protestes gegen die Agenda 2010; die PDS schickte sie in den Bundestag. Als diese zur LINKEN geworden war, seien sozialpolitische Forderungen aber »aufgeweicht« worden, hieß es in einem Papier der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Hartz IV, deren Sprecherin Reinke ist: Erst »perspektivisch« oder »mittelfristig« solle es eine Mindestsicherung geben, stand in den Programmen 2009 und 2013.
Den Entwurf für das Wahlprogramm 2017 sieht die BAG nun als »Zeitenwende« an. Er fordert eine Mindestsicherung in Höhe von 1050 Euro »ohne Sanktionen und Kürzungsmöglichkeiten«. So werde »konsequent mit der Hartz-Logik gebrochen« und das Korsett aus Regelsatz und Kosten der Unterkunft gelockert. »Ich bin sehr froh, dass das so drin steht, und hoffe sehr, dass es auch so bleibt«, sagt Reinke. Der Entwurf dürfe in dem Punkt »nicht aufgeweicht werden«, forderte die BAG. »Aus Kreisen der Bundestagsfraktion hört man, dass das geplant ist.«
Ob sich die Forderung in einer denkbaren Regierung mit der SPD umsetzen ließe – daran hat Reinke freilich Zweifel. Das werde »eine schwierige Kiste«, hatte sie bereits vor einigen Wochen bei einer der Regionalkonferenzen zum Wahlprogramm eingeräumt. Zwar war das, bevor Martin Schulz als Kanzlerkandidat Korrekturen bei der Agenda 2010 andeutete. Optimistischer haben Reinke dessen Äußerungen aber nicht gestimmt. »Meine Euphorie«, sagt sie, »hält sich in Grenzen.«
Gradmesser ist aus ihrer Sicht, ob die Sanktionen beim Arbeitslosengeld II aufgegeben werden. Sie sehen vor, dass Leistungen gestrichen werden können, wenn die Arbeitsagentur bestimmte Bedingungen nicht erfüllt sieht. Die von der LINKEN geplante Grundsicherung verzichtet auf derlei Bestrafungen. Dass sie unverändert Eingang in einen möglichen Koalitionsvertrag findet, glaubt Reinke nicht: »Wir werden Kompromisse eingehen müssen.« Sollte die SPD das Thema Sanktionen indes generell ausklammern, müsse sich die LINKE einem Bündnis verweigern, meint Reinke: »Hinter diese Forderung können wir nun wirklich nicht mehr zurück.« Die BAG betonte in einem Beschluss im November, es stünde in »krassem Widerspruch« zum Gründungskonsens der Partei, wenn diese in eine Regierung ginge, ohne die Abschaffung von Hartz IV »in der laufenden Legislatur« zu fixieren.