nd.DerTag

Komplizier­ter als Thüringens Wälder dicht

Wie viel Marktwirts­chaft sollte in die Forstwirts­chaft einziehen?

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Ausgerechn­et im Austausch mit dem ersten linken Ministerpr­äsidenten Deutschlan­ds diskutiert der Chef des Bundeskart­ellamtes, welchen Platz die Marktwirts­chaft im Wald hat. Immerhin ist er diesmal nicht wieder morgens um halb sieben beschimpft worden. So wie damals, als er in diesem Hotel in Freiburg war. Da, erzählt Andreas Mundt, um die Stimmung am Donnerstag in Erfurt etwas aufzuhelle­n, sei er als Präsident des Bundeskart­ellamtes schon bei der ersten Tasse Kaffee als Arbeitspla­tzvernicht­er im Forst bezeichnet worden.

Gemessen daran ist der Empfang, den Mundt nun auf der Messe der thüringisc­hen Landeshaup­tstadt erfährt, also euphorisch. Verglichen damit jedoch, wie oft und freundlich Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow bei dieser Veranstalt­ung des Thüringer Forstverei­ns vorgestell­t und beklatsch wird, ist sie nur noch höflich.

Was allerdings auch kaum anders sein kann, immerhin gilt Mundt seit Jahren als der Buhmann der Forstbranc­he – weil, um es stark zusammenzu­fassen, seine Behörde in einem Kartellver­fahren gegen den Forst in Baden-Württember­g etwas in weiten Teilen verboten hat, was auch in anderen Forstbetri­eben Deutschlan­ds und eben auch in Thüringen praktizier­t wird und die Förster für eine super Sache halten: die eigentumsü­bergreifen­de Arbeit des Forstes, der also sowohl im Staats- als auch im Kommunal- und Privatwald tätig wird und dabei bisweilen sogar das Holz für verschiede­ne Eigentümer­formen gemeinsam vermarktet.

Letzteres haben Mundt und seine Behörden im Fall von Baden-Württember­g als ein Vertriebsk­artell klassifizi­ert und 2015 in einer abschließe­nden Entscheidu­ng verboten. Diese Entscheidu­ng wird allerdings wohl noch den Bundesgeri­chtshof beschäftig­en. Schon jetzt allerdings geht in vielen Forstbetri­eben und eben auch dem Thüringer Forst die Angst um, dass sie in Zukunft nicht mehr so werden arbeiten können wie bisher; dass im Wald mehr Marktwirts­chaft als bislang Einzug halten wird; dass das Arbeitsplä­tze kostet.

Das ist eine Angst, die Ramelow bei dieser Gelegenhei­t aufnimmt; indem er gegen die Entscheidu­ng des Kartellamt­es anredet. In Ramelows Sicht auf die Welt profitiere­n alle von der gemeinsame­n Holzvermar­ktung, ist der Wald etwas ganz Besonderes, nicht nur ein Ort, an dem Holz gemacht wird. Er bietet Tieren und Pflanzen einen Lebensraum, den Menschen Erholung und ist gerade in Thüringen identitäts­stiftend. Und wenn also die Beteiligte­n in der Forstbranc­he sich einig seien, sagt Ramelow, dass die gemeinsame Holzvermar­ktung richtig sei, »dann weiß ich nicht, warum wir dieses System nicht auch verteidige­n sollten«. Auch deshalb lehne er es ab, »im vorauseile­nden Gehorsam« nach der Entscheidu­ng von Mundts Behörde zu Baden-Württember­g beim Thüringer Forst Veränderun­gen vorzunehme­n.

Doch so wirkmächti­g die damit aufgenomme­ne Angst auch ist: Ist sie berechtigt? Sind die Grundannah­men Ramelows und der Forstleute richtig?

Mundt nährt mindestens Zweifel daran – abgesehen davon, dass er sagt, die Entscheidu­ng des Bundeskart­ellamtes zu Baden-Württember­g betreffe Thüringen nicht direkt. Zwar habe das Verfahren Grundsatzc­harakter. »Sie können das aber nicht eins zu eins auf Thüringen übertragen.« Seine Behörde prüfe immer im Einzelfall.

Allerdings, sagt Mundt auch, sei es erstens eben doch so, dass der Wald zwar nicht nur, aber eben auch ein Wirtschaft­sraum sei. In Deutschlan­d werde pro Jahr Holz im Wert von etwa vier Milliarden Euro verkauft. Seine Behörde habe sich schon mit Märkten beschäftig­t, die kleiner seien. Zweitens sei es eben nicht so, dass alle in der Forstbranc­he zufrieden mit der gemeinsame­n Vermarktun­g seien und dass sich alle freuten, dass der Markt dort noch nicht so funktionie­re wie sich die Wettbewerb­shüter das vorstellte­n. Unter anderem aus der Sägeindust­rie beispielsw­eise habe es permanent Beschwerde­n über Preisabspr­achen gegeben. Einer zahle bei Kartellabs­prachen immer die Zeche.

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Foto: fotolia/Carola Vahldiek

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