Komplizierter als Thüringens Wälder dicht
Wie viel Marktwirtschaft sollte in die Forstwirtschaft einziehen?
Ausgerechnet im Austausch mit dem ersten linken Ministerpräsidenten Deutschlands diskutiert der Chef des Bundeskartellamtes, welchen Platz die Marktwirtschaft im Wald hat. Immerhin ist er diesmal nicht wieder morgens um halb sieben beschimpft worden. So wie damals, als er in diesem Hotel in Freiburg war. Da, erzählt Andreas Mundt, um die Stimmung am Donnerstag in Erfurt etwas aufzuhellen, sei er als Präsident des Bundeskartellamtes schon bei der ersten Tasse Kaffee als Arbeitsplatzvernichter im Forst bezeichnet worden.
Gemessen daran ist der Empfang, den Mundt nun auf der Messe der thüringischen Landeshauptstadt erfährt, also euphorisch. Verglichen damit jedoch, wie oft und freundlich Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow bei dieser Veranstaltung des Thüringer Forstvereins vorgestellt und beklatsch wird, ist sie nur noch höflich.
Was allerdings auch kaum anders sein kann, immerhin gilt Mundt seit Jahren als der Buhmann der Forstbranche – weil, um es stark zusammenzufassen, seine Behörde in einem Kartellverfahren gegen den Forst in Baden-Württemberg etwas in weiten Teilen verboten hat, was auch in anderen Forstbetrieben Deutschlands und eben auch in Thüringen praktiziert wird und die Förster für eine super Sache halten: die eigentumsübergreifende Arbeit des Forstes, der also sowohl im Staats- als auch im Kommunal- und Privatwald tätig wird und dabei bisweilen sogar das Holz für verschiedene Eigentümerformen gemeinsam vermarktet.
Letzteres haben Mundt und seine Behörden im Fall von Baden-Württemberg als ein Vertriebskartell klassifiziert und 2015 in einer abschließenden Entscheidung verboten. Diese Entscheidung wird allerdings wohl noch den Bundesgerichtshof beschäftigen. Schon jetzt allerdings geht in vielen Forstbetrieben und eben auch dem Thüringer Forst die Angst um, dass sie in Zukunft nicht mehr so werden arbeiten können wie bisher; dass im Wald mehr Marktwirtschaft als bislang Einzug halten wird; dass das Arbeitsplätze kostet.
Das ist eine Angst, die Ramelow bei dieser Gelegenheit aufnimmt; indem er gegen die Entscheidung des Kartellamtes anredet. In Ramelows Sicht auf die Welt profitieren alle von der gemeinsamen Holzvermarktung, ist der Wald etwas ganz Besonderes, nicht nur ein Ort, an dem Holz gemacht wird. Er bietet Tieren und Pflanzen einen Lebensraum, den Menschen Erholung und ist gerade in Thüringen identitätsstiftend. Und wenn also die Beteiligten in der Forstbranche sich einig seien, sagt Ramelow, dass die gemeinsame Holzvermarktung richtig sei, »dann weiß ich nicht, warum wir dieses System nicht auch verteidigen sollten«. Auch deshalb lehne er es ab, »im vorauseilenden Gehorsam« nach der Entscheidung von Mundts Behörde zu Baden-Württemberg beim Thüringer Forst Veränderungen vorzunehmen.
Doch so wirkmächtig die damit aufgenommene Angst auch ist: Ist sie berechtigt? Sind die Grundannahmen Ramelows und der Forstleute richtig?
Mundt nährt mindestens Zweifel daran – abgesehen davon, dass er sagt, die Entscheidung des Bundeskartellamtes zu Baden-Württemberg betreffe Thüringen nicht direkt. Zwar habe das Verfahren Grundsatzcharakter. »Sie können das aber nicht eins zu eins auf Thüringen übertragen.« Seine Behörde prüfe immer im Einzelfall.
Allerdings, sagt Mundt auch, sei es erstens eben doch so, dass der Wald zwar nicht nur, aber eben auch ein Wirtschaftsraum sei. In Deutschland werde pro Jahr Holz im Wert von etwa vier Milliarden Euro verkauft. Seine Behörde habe sich schon mit Märkten beschäftigt, die kleiner seien. Zweitens sei es eben nicht so, dass alle in der Forstbranche zufrieden mit der gemeinsamen Vermarktung seien und dass sich alle freuten, dass der Markt dort noch nicht so funktioniere wie sich die Wettbewerbshüter das vorstellten. Unter anderem aus der Sägeindustrie beispielsweise habe es permanent Beschwerden über Preisabsprachen gegeben. Einer zahle bei Kartellabsprachen immer die Zeche.