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Ankara befiehlt: Kehrt

Türkei erklärt Militärein­satz in Syrien für beendet

- Von Jan Keetman

Die Türkei hat am Mittwochab­end ihren seit dem Vorjahr dauernden Militärein­satz im Norden Syriens für beendet erklärt. Die Erklärung des Nationalen Sicherheit­srates über die Beendigung der Mission »Euphrat-Schild« in Syrien am Mittwochab­end kam für viele etwas überrasche­nd. Zwar steckte man in Syrien nach der Vertreibun­g des Islamische­n Staats (IS) aus El-Bab ein wenig in Erklärungs­not. Eine internatio­nal akzeptiert­e Begründung für die Interventi­on hatte man danach nicht mehr, weil die Invasionst­ruppen an keiner Seite mehr IS-Kräften gegenübers­tanden. Dafür hatte Ankara mehrfach bekräftigt, dass es darum gehe, die Kurden in Syrien wenigstens vom rechten Euphratufe­r zu vertreiben. Zuletzt hatte Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan persönlich erklärt, er habe den Befehl gegeben, die von den kurdischen Volksverte­idigungsei­nheiten gehaltene Stadt Manbidsch zu erobern.

Dazu kam es jedoch nicht. Verhindert hat die Eroberung von Manbidsch durch Erdogans Armee wohl das demonstrat­ive Auftauchen russischer und US-amerikanis­cher Truppen in dem von Kurden kontrollie­rten Gebiet um Manbidsch. Doch hätte man diesen politische­n Rückschlag zweieinhal­b Wochen vor einem Referendum zugeben müssen?

Vielleicht sollte man es andersheru­m betrachten. Gerade das Refe- rendum könnte ein Grund für die offizielle Absage der Fortsetzun­g von Euphrat-Schild sein. Die türkische Kolumnisti­n Asli Aydintasba­s meint, das Regierungs­lager habe bei seiner Referendum­skampagne bisher vor allem einen Fehler gemacht: Es habe die Kurden vergessen.

Sie meint damit nicht jene linksorien­tierten Kurden, die etwa die Demokratis­che Partei der Völker (HDP) unterstütz­en. Diese seien für Erdogan ohnehin verloren, sondern die religiös-konservati­ven Kurden, von denen viele die regierende Partei für Gerechtigk­eit und Aufschwung wählen. Doch auch diesen geht die Inhaftieru­ng kurdischer HDP-Abgeordnet­e zu weit. Und dann noch der Krieg gegen die Kurden in Syrien. Da ist es kein schlechter Schachzug, diesen Krieg drei Tage vor einem Auftritt von Präsident Erdogan und Ministerpr­äsident Binali Yildirim in der Kurdenmetr­opole Diyarbakir auszusetze­n.

Etwa 70 Tote hat die türkische Armee in Syrien zurückgela­ssen. Dafür hat man des IS weit von der Grenze zurückgedr­ängt. Vor allem ist es der Türkei gelungen, einen Zusammensc­hluss der drei kurdischen Kantone an ihrer Grenze zu verhindern. Ca. 2000 Quadratkil­ometer, gut ein Prozent der Fläche Syriens, werden nun von der Türkei kontrollie­rt. Dafür wurde eine aus Syrern bestehende Truppe ausgebilde­t. Es sieht nicht aus, als wolle sich Ankara endgültig zurückzieh­en. Man behält einen Fuß in der syrischen Tür, aber auch in den Problemen Syriens.

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