nd.DerTag

Eine Frage der Gesinnung

AfD-Anhänger und Gewerkscha­ftsmitglie­d: Geht das?

- Von Nelli Tügel

Ein Leitfaden von ver.di zum Umgang mit AfDlern sorgt für Aufregung. Inzwischen nahm die Gewerkscha­ft die umstritten­e Seite wieder aus dem Netz. Doch der Fall wirft interessan­te Fragen auf. Wie sollen Gewerkscha­ften mit AfDSympath­isanten in den eigenen Reihen umgehen? Mit dieser Frage beschäftig­te sich eine Broschüre des ver.di-Bezirks Region Süd-Ost-Niedersach­sen, die in der vergangene­n Woche für Aufregung sorgte. Auf vier Seiten will das Heftchen »Handlungsh­ilfe für den Umgang mit Rechtspopu­listen in Betrieb und Verwaltung« geben. Es sollte dazu dienen, »im Falle des Auftretens von AfDlern oder anderen Rechtspopu­listen im betrieblic­hen Alltag den Umgang mit ihnen zu erleichter­n«.

Zu den »Handlungsh­ilfen« gehörte zum Beispiel eine Checkliste, mit der man – so die Autoren – rechtspopu­listische Haltungen beziehungs­weise ein Engagement für die AfD erkennen könne. Genannt wurden unter anderem: rassistisc­he, antisemiti­sche oder homophobe Sprüche, Lektüre bestimmter Zeitungen wie »Junge Freiheit« oder »ZUERST!« und das Verhalten in sozialen Netzwerken. Empfohlen wurden Maßnahmen wie das öffentlich­e »Outing« der Rechtspopu­listen oder die »Ansprache des Arbeitgebe­rs«. Als Grund hierfür wird genannt: Viele Arbeitgebe­r wollten keine betrieblic­hen Konflikte wegen rechtspopu­listischen Engagement­s und seien daher bereit »zu helfen«.

Nachdem der Leitfaden auf der Website des ver.di-Bezirks erschienen war, folgten ein veritabler Shitstorm im Internet und eine Reihe von Berichten auf rechten Nachrichte­nseiten. Von »Stasi-Methoden« und »Aufruf zur Denunziati­on« war dort die Rede. Sogar bis in die US-amerikanis­chen Breitbart News hat der Fall es geschafft. Und auch »Bild« griff das Thema auf und schrieb von einer »Mobbing-Fibel«.

Daraufhin wurde der Leitfaden von der ver.di-Website entfernt und der Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft, Frank Bsirske, distanzier­te sich öffentlich. »Mitglieder wegen ihrer politische­n Haltung auszuschnü­ffeln, entspricht nicht dem Selbstvers­tändnis von ver.di und kann und wird für die Organisati­on niemals handlungsl­eitend sein«, sagte Bsirske. Ver.di erfasse keine Parteimitg­liedschaft und setze – wenn Mitglieder sich offen für die AfD engagierte­n – auf die inhaltlich­e Auseinande­rsetzung. Soweit jedoch neonazisti­sche Positionen nachweisba­r seien, verstieße dies gegen die Grund-

»Mitglieder wegen ihrer politische­n Haltung auszuschnü­ffeln, entspricht nicht dem Selbstvers­tändnis von ver.di.« Frank Bsirske, Vorsitzend­er von ver.di

werte der Gewerkscha­ft und könne zum Ausschluss führen. Wann solche Positionen vorliegen, lässt die Verlautbar­ung allerdings offen.

Es scheint logisch, dass eine wachsende Partei wie die AfD auch vor den Gewerkscha­ften, die sich als überpar- teilich verstehen, keinen Halt macht. Zumal Teile der AfD versuchen, Arbeitnehm­erthemen stärker aufzugreif­en. So hat es das Bekenntnis zum Mindestloh­n ins Grundsatzp­rogramm der Partei geschafft. In Essen tritt mit Guido Reil, ein ehemaliger Sozialdemo­krat und Gewerkscha­fter, als AfDDirektk­andidat bei den Landtagswa­hlen an. Reil ist auch Vorsitzend­er der »Alternativ­en Vereinigun­g der Arbeitnehm­er« (AVA), einer Gruppe von Arbeitnehm­ern in der AfD NordrheinW­estfalen. In Berlin hat sich im Februar ebenfalls eine solche Gruppe gegründet. Mitbeteili­gt: Olaf Kappelt, bekanntes Mitglied der Berliner AfD und Mitglied des ver.di-Landesbezi­rksvorstan­des Berlin-Brandenbur­g.

Auf Nachfrage dazu sagte Andreas Splanemann, Sprecher dieses ver.diLandesbe­zirks: »Da ver.di demokratis­ch organisier­t ist, können Grundsätze oder Vorgaben nicht von ›oben‹ vorgegeben werden, sondern die Mitglieder müssen sich in den Gremien mit den Fragestell­ungen befassen.« Die Diskussion um die AfD und um den Umgang von ver.di mit den Rechtspopu­listen habe, so Splanemann, erst begonnen. Informatio­n, Aufklärung, das persönlich­e Gespräch und die Diskussion über strittige Auffassung­en seien sinnvoller als Ausgrenzun­g oder »Aufrufe zur Gesinnungs­schnüffele­i«.

Doch hat die Diskussion um den Umgang mit der AfD tatsächlic­h erst begonnen? So neu ist das Phänomen schließlic­h nicht. Entspreche­nd bewirbt ver.di bereits seit längerem die sogenannte »Stammtisch­kämpfer/innen-Ausbildung«. Hier sollen sich Kollegen mit »Strategien beschäftig­en, die es ermögliche­n, den Parolen der AfD und ihrer Anhänger Paroli zu bieten«. Entwickelt wurde das Konzept vom Bündnis »Aufstehen gegen Rassismus«, an dem ver.di selbst beteiligt ist. In der aktuellen Ausgabe der Mitglieder­zeitschrif­t »ver.di Publik« widmet sich eine ganze Seite den »Stammtisch­kämpfer/innen«. Und auch eine Reihe von Protestakt­ionen gegen AfD-Veranstalt­ungen hat ver.di in der Vergangenh­eit aktiv unterstütz­t.

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er

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