Eine Frage der Gesinnung
AfD-Anhänger und Gewerkschaftsmitglied: Geht das?
Ein Leitfaden von ver.di zum Umgang mit AfDlern sorgt für Aufregung. Inzwischen nahm die Gewerkschaft die umstrittene Seite wieder aus dem Netz. Doch der Fall wirft interessante Fragen auf. Wie sollen Gewerkschaften mit AfDSympathisanten in den eigenen Reihen umgehen? Mit dieser Frage beschäftigte sich eine Broschüre des ver.di-Bezirks Region Süd-Ost-Niedersachsen, die in der vergangenen Woche für Aufregung sorgte. Auf vier Seiten will das Heftchen »Handlungshilfe für den Umgang mit Rechtspopulisten in Betrieb und Verwaltung« geben. Es sollte dazu dienen, »im Falle des Auftretens von AfDlern oder anderen Rechtspopulisten im betrieblichen Alltag den Umgang mit ihnen zu erleichtern«.
Zu den »Handlungshilfen« gehörte zum Beispiel eine Checkliste, mit der man – so die Autoren – rechtspopulistische Haltungen beziehungsweise ein Engagement für die AfD erkennen könne. Genannt wurden unter anderem: rassistische, antisemitische oder homophobe Sprüche, Lektüre bestimmter Zeitungen wie »Junge Freiheit« oder »ZUERST!« und das Verhalten in sozialen Netzwerken. Empfohlen wurden Maßnahmen wie das öffentliche »Outing« der Rechtspopulisten oder die »Ansprache des Arbeitgebers«. Als Grund hierfür wird genannt: Viele Arbeitgeber wollten keine betrieblichen Konflikte wegen rechtspopulistischen Engagements und seien daher bereit »zu helfen«.
Nachdem der Leitfaden auf der Website des ver.di-Bezirks erschienen war, folgten ein veritabler Shitstorm im Internet und eine Reihe von Berichten auf rechten Nachrichtenseiten. Von »Stasi-Methoden« und »Aufruf zur Denunziation« war dort die Rede. Sogar bis in die US-amerikanischen Breitbart News hat der Fall es geschafft. Und auch »Bild« griff das Thema auf und schrieb von einer »Mobbing-Fibel«.
Daraufhin wurde der Leitfaden von der ver.di-Website entfernt und der Vorsitzende der Gewerkschaft, Frank Bsirske, distanzierte sich öffentlich. »Mitglieder wegen ihrer politischen Haltung auszuschnüffeln, entspricht nicht dem Selbstverständnis von ver.di und kann und wird für die Organisation niemals handlungsleitend sein«, sagte Bsirske. Ver.di erfasse keine Parteimitgliedschaft und setze – wenn Mitglieder sich offen für die AfD engagierten – auf die inhaltliche Auseinandersetzung. Soweit jedoch neonazistische Positionen nachweisbar seien, verstieße dies gegen die Grund-
»Mitglieder wegen ihrer politischen Haltung auszuschnüffeln, entspricht nicht dem Selbstverständnis von ver.di.« Frank Bsirske, Vorsitzender von ver.di
werte der Gewerkschaft und könne zum Ausschluss führen. Wann solche Positionen vorliegen, lässt die Verlautbarung allerdings offen.
Es scheint logisch, dass eine wachsende Partei wie die AfD auch vor den Gewerkschaften, die sich als überpar- teilich verstehen, keinen Halt macht. Zumal Teile der AfD versuchen, Arbeitnehmerthemen stärker aufzugreifen. So hat es das Bekenntnis zum Mindestlohn ins Grundsatzprogramm der Partei geschafft. In Essen tritt mit Guido Reil, ein ehemaliger Sozialdemokrat und Gewerkschafter, als AfDDirektkandidat bei den Landtagswahlen an. Reil ist auch Vorsitzender der »Alternativen Vereinigung der Arbeitnehmer« (AVA), einer Gruppe von Arbeitnehmern in der AfD NordrheinWestfalen. In Berlin hat sich im Februar ebenfalls eine solche Gruppe gegründet. Mitbeteiligt: Olaf Kappelt, bekanntes Mitglied der Berliner AfD und Mitglied des ver.di-Landesbezirksvorstandes Berlin-Brandenburg.
Auf Nachfrage dazu sagte Andreas Splanemann, Sprecher dieses ver.diLandesbezirks: »Da ver.di demokratisch organisiert ist, können Grundsätze oder Vorgaben nicht von ›oben‹ vorgegeben werden, sondern die Mitglieder müssen sich in den Gremien mit den Fragestellungen befassen.« Die Diskussion um die AfD und um den Umgang von ver.di mit den Rechtspopulisten habe, so Splanemann, erst begonnen. Information, Aufklärung, das persönliche Gespräch und die Diskussion über strittige Auffassungen seien sinnvoller als Ausgrenzung oder »Aufrufe zur Gesinnungsschnüffelei«.
Doch hat die Diskussion um den Umgang mit der AfD tatsächlich erst begonnen? So neu ist das Phänomen schließlich nicht. Entsprechend bewirbt ver.di bereits seit längerem die sogenannte »Stammtischkämpfer/innen-Ausbildung«. Hier sollen sich Kollegen mit »Strategien beschäftigen, die es ermöglichen, den Parolen der AfD und ihrer Anhänger Paroli zu bieten«. Entwickelt wurde das Konzept vom Bündnis »Aufstehen gegen Rassismus«, an dem ver.di selbst beteiligt ist. In der aktuellen Ausgabe der Mitgliederzeitschrift »ver.di Publik« widmet sich eine ganze Seite den »Stammtischkämpfer/innen«. Und auch eine Reihe von Protestaktionen gegen AfD-Veranstaltungen hat ver.di in der Vergangenheit aktiv unterstützt.