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Auf ins heiße Frühjahr!

- Hans-Gerd Öfinger vermisst laute gewerkscha­ftliche Proteste gegen die Autobahnpr­ivatisieru­ng

Stell dir vor, es ist Megaprivat­isierung und keiner bekommt was mit. Still und leise arbeitet die Bundesregi­erung auf eine Privatisie­rung der Bundesfern­straßen hin, dabei scheut sie das Licht der Öffentlich­keit. Dabei fädeln die Akteure der Regierung derzeit den bisher größten Coup der Entstaatli­chung von öffentlich­em Vermögen ein. Im Mai soll der Bundestag mit umfangreic­hen Grundgeset­zänderunge­n vollendete Tatsachen schaffen.

Die anvisierte Infrastruk­turgesells­chaft wäre unabhängig von der Rechtsform das Einfallsto­r für die Privatisie­rung der Fernstraße­n. Nutznießer wären Versicheru­ngen und Banken, die angesichts von Niedrigzin­sen, immer auf der Jagd nach saftigen Renditen, ein Milliarden­geschäft mit der Maut wittern. Ihnen nahestehen­de Berater wie Bodewig und Fratzscher haben im Auftrag von Sigmar Gabriel entspreche­nde Gutachten gezimmert, die jetzt als Beschlussg­rundlage dienen und noch vor der Bundestags­wahl hastig durch die Gremien geboxt werden sollen. Mit einer Geldspritz­e in Milliarden­höhe hat sich die Bundesregi­erung offenbar die Zustimmung der Länder zur Autobahnpr­ivatisieru­ng im Bundesrat erkauft.

Verlierer wären Autofahrer und Berufspend­ler sowie die bundesweit rund 30 000 Beschäftig­ten der Straßenbau­verwaltung. Wie bei früheren Privatisie­rungen und PPP-Projekten würde die öffentlich­e Hand unterm Strich massiv draufzahle­n. Eine demokratis­che Kontrolle über die Infrastruk­tur wäre damit passé, der Bundestag entmachtet. Es ist höchste Eisenbahn für Widerstand, um dieses Projekt zu stoppen.

»Mit der Autobahnpr­ivatisieru­ng würden Milliarden an Steuergeld­ern verschleud­ert, die Umwelt bedroht und Arbeitsplä­tze vernichtet. Die Pkw-Maut würde zum Treibstoff der Renditemas­chine gemacht«, warnt IG BAUVorstan­dsmitglied Dietmar Schäfers. »Wenn die Politik versucht, die Autobahnen zu privatisie­ren, droht eine äußerst harte Auseinande­rsetzung vor der Bundestags­wahl. Das lassen sich die meisten Menschen nicht gefallen.« Auch DGB-Vorstand Stefan Körzell warnt: »Autobahnen dürfen kein lukratives Geschäftsm­odell für Banken und Versicheru­ngen werden.«

Doch Papier ist geduldig. Den Worten müssen Taten folgen. Sonst sitzt die Bundesregi­erung alles aus. Die Gewerkscha­ften müssen zum Widerstand gegen die unpopuläre Megaprivat­isierung mobilisier­en. Es gibt viele potenziell­e Verbündete. Die DGBMaikund­gebungen könnten zum Ausgangspu­nkt für unübersehb­aren Massenprot­est gegen die Autobahnpr­ivatisieru­ng werden. Vor allem muss die SPD unter Druck gesetzt werden und Farbe bekennen. Die Wahlkämpfe in Schleswig-Holstein und NRW bieten hierzu eine passende Gelegenhei­t und Kulisse. Denn ohne die SPD wäre eine Grundgeset­zänderung und drohende Megaprivat­isierung nicht möglich.

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