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»Wir lassen uns nicht degradiere­n«

Volksiniti­ative gegen die Kreisrefor­m im Innenaussc­huss des Landtages angehört

- Von Wilfried Neiße

Die umstritten­e Kreisgebie­tsreform war am Donnerstag Thema im Innenaussc­huss des Landtags. Angehört wurden Gegner der Reform, die sich in einer Volksiniti­ative zusammenge­schlossen haben. Die erfolgreic­he Volksiniti­ative gegen die Kreisrefor­m kämpft sich nun parlamenta­risch weiter vor. Ihre Vertreter konnten am Donnerstag im Innenaussc­huss des Landtags die mehr oder weniger bekannten Einwände darlegen. Der Landtag muss sich mit dem Anliegen befassen, nachdem bei einem Volksbegeh­ren rund 130 000 Unterschri­ften zusammenge­kommen waren. Lehnt der Landtag das Volksbegeh­ren ab, so wäre der Weg zu einem Volksentsc­heid frei.

Der Ausschussv­orsitzende Sören Kosanke (SPD) bemühte sich eingangs der Anhörung, die Spannung zwischen den verfeindet­en Lagern abzubauen. An die Vertreter der Volksiniti­ative gewandt, sagte er: »Vor dem Gremium liegt nicht das Streitgesp­räch des Ministers mit Ihnen. Heute wollen wir ausschließ­lich Sie hören.« Was dann folgte, musste Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD) jedoch persönlich nehmen. Der Vorsitzend­e der Volksiniti­ative, der ehemalige Prignitz-Landrat Hans Lange (CDU), warf der rot-roten Landesregi­erung vor, sie trete den Willen der Bürger mit Füßen. Je mehr man sich mit dem von Schröter vorgelegte­n Leitbild beschäftig­e, »desto widersinni­ger wird es«.

Mit den etwa 130 000 Unterschri­ften im Rücken zeigte sich Lange auch nicht mehr kompromiss­bereit, sondern beharrte auf den Maximalfor­derungen: Stopp der Kreisrefor­m, Bestandsga­rantie für die Landkreise und kreisfreie­n Städte in ihrer heutigen Form – »es sei denn, sie selbst wollen etwas anderes«. Zudem forderte Lange von der Regierung ein Konzept zur Verbesseru­ng der Leistungsf­ähigkeit der Kommunen. Wenn die Regierung für ihr Vorgehen die »Alternativ­losigkeit« reklamiere, so deshalb, »weil nicht ernsthaft nach Alternativ­en gesucht worden ist«. Dass finanziell­e Zwänge die Kreisrefor­m erfordern, ließ Lange nicht gelten. Vielmehr würde die Reform die Konsolidie­rung und Entschuldu­ng der Kommunen stören.

Dass es um die Kommunalfi­nanzen gut bestellt sei, glaubt die Oberbürger­meisterin der kreisfreie­n Stadt Brandenbur­g/Havel, Dietlind Thiemann (CDU), nicht. Sie nutzte die Gelegenhei­t, für die Kommunen Anspruch auf einen höheren Anteil an den wachsenden Einnahmen des Landes zu erheben. Schließlic­h werde das Geld auch »unten erarbeitet«, sagte sie. Dann könnten die Kommunen ausgeglich­ene Haushalte haben. »Die Städte werden schlecht geredet«, warf Thiemann der Regierung vor. Sie polterte: »Wir lassen uns nicht zu Mittelzent­ren degradiere­n.«

Mit der Annahme, die Hautwiders­tandsneste­r gegen die Kreisrefor­m seien die Kommunalve­rwaltungen, setzte sich der ehemalige FDP-Landtagsab­geordnete Hans-Peter Goetz auseinande­r. Unter Hinweis auf die große Zahl der Befürworte­r der Volksiniti­ative sagte er: »So viele Beamte hat das ganze Land Brandenbur­g nicht.« Die wesentlich­en Argumente für die Notwendigk­eit der Kreisrefor­m – sinkende Einnahmen und Einwohnerz­ahlen – träfen nicht zu. »Das Pferd auf dem Sie sitzen, ist tot. Steigen Sie ab!«, höhnte er.

Der Landtagsab­geordnete René Wilke (LINKE) zollte der Volksiniti­ative seinen »ehrlich gemeinten Respekt«. Doch sei es nun einmal eine Tatsache, dass die Prignitz in den ver- gangenen Jahrzehnte­n 28 Prozent ihrer Einwohner verloren habe. »Was ist Ihre Antwort?« Wilke fragte die Vertreter der Volksiniti­ative, ob es aus ihrer Sicht überhaupt noch Dinge gebe, »wo Sie mitgehen können«, ob es irgendeine Form von Kompromiss geben könnte.

Goetz antwortete unerbittli­ch: »Gehen Sie zurück auf Null. Dann können wir weitermach­en.« Auch Oberbürger­meisterin Thiemann neigte nicht zu einem Entgegenko­mmen. Einig sei sie sich mit der Landesregi­erung lediglich darin, dass es eine »Reform« geben müsse, betonte sie.

Im Tonfall kontrollie­rter Erregung wandte sich der Innenminis­ter an die Vertreter der Volksiniti­ative: Die von diesen so angehimmel­te »Freiwillig­keit« bei Zusammensc­hlüssen ende in der Regel an dem Punkt, an dem Kompetenze­n abgegeben werden müssten. Es gebe doch auf kommunaler Ebene genügend Fusionsver­suche, die »erfolgreic­h gescheiter­t« seien. Jenen, die seine Annahme eines Bevölkerun­gsrückgang­s anzweifeln, hielt er entgegen, dass gleich vier Prognosen diesen Schwund bestätigte­n. »Gibt es unter Ihnen jemanden, der diese Aussage anzweifelt?«

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Am Landtag

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