»Wir lassen uns nicht degradieren«
Volksinitiative gegen die Kreisreform im Innenausschuss des Landtages angehört
Die umstrittene Kreisgebietsreform war am Donnerstag Thema im Innenausschuss des Landtags. Angehört wurden Gegner der Reform, die sich in einer Volksinitiative zusammengeschlossen haben. Die erfolgreiche Volksinitiative gegen die Kreisreform kämpft sich nun parlamentarisch weiter vor. Ihre Vertreter konnten am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags die mehr oder weniger bekannten Einwände darlegen. Der Landtag muss sich mit dem Anliegen befassen, nachdem bei einem Volksbegehren rund 130 000 Unterschriften zusammengekommen waren. Lehnt der Landtag das Volksbegehren ab, so wäre der Weg zu einem Volksentscheid frei.
Der Ausschussvorsitzende Sören Kosanke (SPD) bemühte sich eingangs der Anhörung, die Spannung zwischen den verfeindeten Lagern abzubauen. An die Vertreter der Volksinitiative gewandt, sagte er: »Vor dem Gremium liegt nicht das Streitgespräch des Ministers mit Ihnen. Heute wollen wir ausschließlich Sie hören.« Was dann folgte, musste Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) jedoch persönlich nehmen. Der Vorsitzende der Volksinitiative, der ehemalige Prignitz-Landrat Hans Lange (CDU), warf der rot-roten Landesregierung vor, sie trete den Willen der Bürger mit Füßen. Je mehr man sich mit dem von Schröter vorgelegten Leitbild beschäftige, »desto widersinniger wird es«.
Mit den etwa 130 000 Unterschriften im Rücken zeigte sich Lange auch nicht mehr kompromissbereit, sondern beharrte auf den Maximalforderungen: Stopp der Kreisreform, Bestandsgarantie für die Landkreise und kreisfreien Städte in ihrer heutigen Form – »es sei denn, sie selbst wollen etwas anderes«. Zudem forderte Lange von der Regierung ein Konzept zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Kommunen. Wenn die Regierung für ihr Vorgehen die »Alternativlosigkeit« reklamiere, so deshalb, »weil nicht ernsthaft nach Alternativen gesucht worden ist«. Dass finanzielle Zwänge die Kreisreform erfordern, ließ Lange nicht gelten. Vielmehr würde die Reform die Konsolidierung und Entschuldung der Kommunen stören.
Dass es um die Kommunalfinanzen gut bestellt sei, glaubt die Oberbürgermeisterin der kreisfreien Stadt Brandenburg/Havel, Dietlind Thiemann (CDU), nicht. Sie nutzte die Gelegenheit, für die Kommunen Anspruch auf einen höheren Anteil an den wachsenden Einnahmen des Landes zu erheben. Schließlich werde das Geld auch »unten erarbeitet«, sagte sie. Dann könnten die Kommunen ausgeglichene Haushalte haben. »Die Städte werden schlecht geredet«, warf Thiemann der Regierung vor. Sie polterte: »Wir lassen uns nicht zu Mittelzentren degradieren.«
Mit der Annahme, die Hautwiderstandsnester gegen die Kreisreform seien die Kommunalverwaltungen, setzte sich der ehemalige FDP-Landtagsabgeordnete Hans-Peter Goetz auseinander. Unter Hinweis auf die große Zahl der Befürworter der Volksinitiative sagte er: »So viele Beamte hat das ganze Land Brandenburg nicht.« Die wesentlichen Argumente für die Notwendigkeit der Kreisreform – sinkende Einnahmen und Einwohnerzahlen – träfen nicht zu. »Das Pferd auf dem Sie sitzen, ist tot. Steigen Sie ab!«, höhnte er.
Der Landtagsabgeordnete René Wilke (LINKE) zollte der Volksinitiative seinen »ehrlich gemeinten Respekt«. Doch sei es nun einmal eine Tatsache, dass die Prignitz in den ver- gangenen Jahrzehnten 28 Prozent ihrer Einwohner verloren habe. »Was ist Ihre Antwort?« Wilke fragte die Vertreter der Volksinitiative, ob es aus ihrer Sicht überhaupt noch Dinge gebe, »wo Sie mitgehen können«, ob es irgendeine Form von Kompromiss geben könnte.
Goetz antwortete unerbittlich: »Gehen Sie zurück auf Null. Dann können wir weitermachen.« Auch Oberbürgermeisterin Thiemann neigte nicht zu einem Entgegenkommen. Einig sei sie sich mit der Landesregierung lediglich darin, dass es eine »Reform« geben müsse, betonte sie.
Im Tonfall kontrollierter Erregung wandte sich der Innenminister an die Vertreter der Volksinitiative: Die von diesen so angehimmelte »Freiwilligkeit« bei Zusammenschlüssen ende in der Regel an dem Punkt, an dem Kompetenzen abgegeben werden müssten. Es gebe doch auf kommunaler Ebene genügend Fusionsversuche, die »erfolgreich gescheitert« seien. Jenen, die seine Annahme eines Bevölkerungsrückgangs anzweifeln, hielt er entgegen, dass gleich vier Prognosen diesen Schwund bestätigten. »Gibt es unter Ihnen jemanden, der diese Aussage anzweifelt?«