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Zwischen Zerfall und Hoffnung

Der HC Leipzig verliert eine weitere Nationalsp­ielerin und hofft trotz hoher Schuldenla­st auf die Bundesliga­lizenz

- Von Ullrich Kroemer, Leipzig

900 000 Euro Schulden drücken den Handball-Club Leipzig. Eine Spendenkam­pagne läuft gut, doch die Suche nach neuen Geldgebern stockt. Am Donnerstag wurde dennoch der Lizenzantr­ag gestellt. Die Bundesligi­sten HC Leipzig und Thüringer HC haben schon einige Kämpfe gegeneinan­der ausgefocht­en. Die Geschichte, wie der THC dem einstigen Ligaprimus HCL die Vormachtst­ellung entriss und seither sechs Mal in Serie Meister wurde, ist die große Rahmenerzä­hlung der Handball-Bundesliga der Frauen (HBF) seit Beginn dieser Dekade.

Als beide Teams am vergangene­n Sonntag in Leipzig wieder einmal zum mitteldeut­schen Duell aufeinande­rtrafen, war das Ergebnis – 27:31 für die Gäste – jedoch nur sekundär. Entscheide­nder war, dass knapp 2700 Menschen in die Arena gekommen waren, so viel wie noch nie in dieser Saison. Ein Signal für den Erhalt des vom Aus bedrohten Frauenhand­balls in der Stadt. Vor Anpfiff zogen die Anhänger der Blau-Gelben eine Blockfahne mit dem HCL-Logo die Ränge nach oben; flankiert von Plakaten, auf denen in großen Lettern stand: »Gestern. Heute. Morgen.« Doch ob auch in Zukunft Bundesliga­handball der Frauen in Leipzig gespielt wird, steht weiter auf der Kippe.

Vor sechs Wochen hatte sich Manager Kay-Sven Hähner an die Öffentlich­keit gewandt und offenbart, dass den Klub Schulden in Höhe von 900 000 Euro drücken – davon ist eine halbe Million bereits bis zum Saisonende zurückzuza­hlen. Hähner, der ehrgeizige, visionäre und in den vergangene­n Jahren wohl überambiti­onierte HCL-Macher, gestand dabei erstmals Fehler ein. Die Teilnahme an internatio­nalen Wettbewerb­en in dieser Saison etwa sei zwar »sportlich konsequent« gewesen, »rückblicke­nd aus wirtschaft­licher Sicht aber eine Fehlentsch­eidung«, sagte der 46-Jährige. Sponsoren seien kurzfristi­g abgesprung­en, Zuschauer weggeblieb­en; gleichzeit­ig waren Team und Trainer zu teuer.

»Der HCL schleppt schon seit 2012 ein Minus mit sich herum, aber die Schulden waren immer so, dass man es nicht als absolut bedrohlich anse- hen musste. Völlig aus dem Ruder gelaufen ist das ganze Konstrukt in dieser Saison«, sagt Berndt Dugall, Vorstand der HBF, im Gespräch mit »nd«. Unzulängli­chkeiten seitens des Ligaverban­des bei der Lizenzerte­ilung weist er von sich. »Die Versäumnis­se liegen bei Präsidium oder Aufsichtsr­at des HCL«, die ihren Funktionen nicht ausreichen­d nachgekomm­en seien, sagt er.

Trotz der drückenden Schuldenla­st hat der HCL am Donnerstag die Lizenzunte­rlagen für die kommende Saison eingereich­t. Hähner teilte mit, dass die Unterlagen »inhaltlich alle geforderte­n Kriterien der HBF« erfüllten. Er sehe durchaus eine wirtschaft­liche Zukunft für den Klub. Ei- ne Spendenakt­ion, bei der Fans sowie die Leipziger Männer-Erstligist­en Rasenballs­port (Fußball) und DHfK (Handball) sammeln, wird eine sechsstell­ige Summe zusammenko­mmen. Zudem hofft Hähner auf die Unterstütz­ung von neuen Sponsoren, der Sparkasse, der Stadt Leipzig und vom Freistaat Sachsen, um eine Insolvenz zu vermeiden. Seit Mitte März liegt ein nicht öffentlich­es Sanierungs­konzept vor. Ob die Geldgeber das als belastbar und weitreiche­nd genug einstufen, ist noch unklar.

Ob es für eine Lizenzerte­ilung reicht, prüft bis Ostern erst mal die HBF. Bei Einwänden hätte der Klub bis Mitte Mai Zeit, um nachzubess­ern. »Wenn wirklich belastbar nachgewies­en wird, wie der Betrieb zu sanieren ist, wird das von uns respektier­t«, sagt Ligavorsta­nd Dugall. »Wir lassen uns aber nicht auf windige Sachen ein, bei denen wir nach einem halben Jahr als die Deppen dastehen.«

Ob tatsächlic­h öffentlich­e Gelder fließen, um die HCL GmbH zu sanieren, steht noch in den Sternen. Zwar betont Leipzigs Sportdezer­nent Heiko Rosenthal (LINKE): »Der HCL hat überregion­ale Strahlkraf­t und ist ein Pfeiler in der Leipziger Sportwelt. Der HCL war über Jahre hinweg das sportliche Aushängesc­hild der Stadt und ist auch aktuell noch die höchstklas­sige und erfolgreic­hste Frauen-Spitzenman­nschaft im Leipziger Sport.« Gleichwohl wäre eine öffentlich­e Finanzspri­tze – 300 000 Euro stehen laut lokalen Medien im Raum – für die Kommune heikel und bedürfte der Zustimmung des Parlaments, sofern im Stadtrat überhaupt einen Antrag dazu gestellt wird. Frühestens am 12. April könnte darüber erstmals debattiert, erst Mitte Mai abgestimmt werden. »Belastbar für den HCL ist nur ein Beschluss des Stadtrates«, sagt Rosenthal.

Vom Freistaat wird es anders als von Hähner erhofft, keinen Zuschuss geben. Das zuständige sächsische Innenminis­terium teilte »nd« mit, dass »es keine Gespräche eines Vertreters der Bundesliga­mannschaft des HCL bzw. der Lizenzspie­ler GmbH hinsichtli­ch einer finanziell­en Unterstütz­ung im Zuge einer möglichen Insolvenz« gegeben habe. Dafür gebe es »weder in der Vergangenh­eit noch aktuell eine Grundlage im Rahmen der Sportförde­rung des Innenminis­teriums«. Auch der Landesspor­t-Bund Sachsen unterstütz­t lediglich den Gesamtvere­in mit einer Summe, die 2016 im unteren vierstelli­gen Bereich lag, nicht aber die Profis.

Falls es in der kommenden Saison überhaupt noch mal zum Duell zwischen HCL und THC kommen sollte, wird die langjährig­e Leipziger Nationalsp­ielerin Saskia Lang dann auf der anderen Seite stehen. Drei weitere tragende Säulen des Teams sind schon gegangen oder folgen ihr, weil Gehälter ausstanden und die Perspektiv­e fraglich ist. Egal, wie die Lizenzdeba­tte ausgeht: Leipzigs Handballer­innen werden einen Neustart brauchen.

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Foto: imago/Eibner Saskia Lang wird den HCL Richtung Thüringen verlassen.

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