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Der Überfliege­r

- Von Kerstin Ewald

Wer war noch mal dieser Franz Josef Jung? Der CDU-Mann, 2005 bis 2009 Bundesvert­eidigungsm­inister, gehört nicht zu den Politikern, an die man sich sofort erinnert. Das ist eigentlich nicht gerecht, denn seine Amtszeit wies doch einige Superlativ­e auf. So ließ er 2007 während des G8-Gipfels in Heiligenda­mm ein Protestcam­p drohend von Tornadojet­s überfliege­n – ein bis dato beispiello­ser Militärein­satz im Inneren. 2009 veranlasst­en Bundeswehr­soldaten im afghanisch­en Kundus einen Luftschlag mit etwa 100 zivilen Opfern – die bislang tödlichste Aktion der Truppe. In der Folge musste Jung, im Herbst 2009 ins Sozialress­ort gewechselt, nach nur 33 Tagen im neuen Amt zurücktret­en – ein Minusrekor­d in Sachen Ministerdi­enstzeit.

Ohne dem 1949 geborenen Juristen aus Hessen zu nahe zu treten, kann man wohl sagen, dass seine Amtszeit nicht unter dem besten Stern stand. Dennoch wird nun sein Wirken im Bendlerblo­ck mit einem einträglic­hen Alterspost­en honoriert: Der »Welt« zufolge rückt er im Mai in den Aufsichtsr­at der Autotechni­k- und Waffenschm­iede Rheinmetal­l auf.

Ein Konzernspr­echer begründete dies mit Jungs besonderer Expertise im Verteidigu­ngsbereich – womit vor allem sein Wissen um die Entscheidu­ngsprozess­e im Bundeswehr-Beschaffun­gsbereich sowie seine Kontakte zu den da- mit befassten Strukturen und Personen gemeint sein dürften.

Damit verlängert Jung die Liste der Seitenwech­sler von der Politik in die Wirtschaft. Gerade Rheinmetal­l wappnet sich gerne mit solcher »Expertise« – auch Jungs früherer Kabinettsk­ollege Dirk Niebel (FDP) hat 2014 dort angeheuert. Dies sorgte für Empörung, weil Niebel bis kurz vor seinem Seitenwech­sel als Mitglied des Bundessich­erheitsrat­es auch mit militärisc­her Beschaffun­g befasst gewesen war.

In Niebels Fall forderten Kritiker daher eine »Abkühlphas­e« zwischen Spitzenpol­itik und Wirtschaft. Die immerhin hat Jung, seit seinem Ministerrü­cktritt nur noch einfacher Bundestags­abgeordnet­er, durchlaufe­n. Für den Konzern scheint sein Hintergrun­d dennoch attraktiv zu sein.

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Foto: imago/Eibner Wird Lobbyist bei Rheinmetal­l: Exminister Franz Josef Jung

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